Fasnacht durch die Brille erleben – für Narren ist das eigentlich nichts Neues. Wenn es aber virtuell wird, kommt Spannung auf. Günter Hany möchte diese Erlebniswelt in einer seiner Schlossnarrenstuben im Erdgeschoss des Schlosses Bonndorf anbieten können. Auf Einladung der Volkshochschule Hochschwarzwald fand im Paulinerheim in Bonndorf in der Reihe „Zeit für Kultur“ ein Vortrag statt, der sich dem aktuellen Thema „Kulturgut Fastnacht digital“ widmete.
Felix Schüle hieß dazu die Kulturwissenschaftlerin Sabine Dietzig-Schicht als Referentin und die interessierten Gäste, eingefleischte Fastnächtler der Pflumeschlucker, willkommen. Die Wissenschaftlerin schilderte den aktuellen Stand eines von der Bundesregierung angestoßenen Förderprojekts „museum4punkt0“, deren Umsetzbarkeit und Zukunftsperspektiven. Eine auch für die Adaptionen lokaler Museen, wie beispielsweise Günter Hanys Schlossnarrenstuben, einsetzbare Nutzung, ist die digitale Präsentation von närrischem Brauchtum. Dazu können die Besucher mittels sogenannter VR- (Virtual Reality)-Brillen in Themenwelten eintauchen und diese dreidimensional erfahren. Dabei entsteht ein Gefühl, als sei man „im Bild“ mit dabei oder selbst Teil der virtuellen Realität.
In welchem Kontext das Ziel in den Bonndorfer Schlossnarrenstuben zu sehen ist, vermittelte die Kulturwissenschaftlerin. Projektpartner der ersten Stunde waren demnach die Stiftung Humboldt-Forum in Berlin, das deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven, das Deutsche Museum München, das Senckenberg-Museum Görlitz und bald auch als interessierte Kooperationsmuseen der Narrenschopf Bad Dürrheim und das Fastnachtsmuseum Langenstein. 15 Millionen Euro ließ sich Berlin aufgrund eines Bundestagsbeschlusses diese digitale, interaktiv erlebbare Welt kosten, begonnen 2017 und auf drei Jahre ausgelegt.
Kritische Stimmen zur Vereinbarkeit von realem Brauchtum mit digitaler Nutzung, ohne live dabei gewesen zu sein, wie einige Narrenzünfte ins Feld geführt hatten, verstummten mit dem Zeitpunkt der persönlichen Erfahrung. Nicht nur mit VR-Brillen und Monitoren, auch eine 360-Grad-Kuppel auf dem Gelände des Narrenschopfes in Bad Dürrheim bieten Besuchergruppen die Möglichkeit, die 13 zur Verfügung stehenden Filme zu betrachten, vergleichbar mit dem Effekt beim Besuch im Planetarium. Weitere Hürden, wie die Hygiene bei der Brillennutzung, Kosten für das nötige Fachpersonal und die Suche nach einer Anschlussfinanzierung nach 2020 seien erkannt und auf einem guten Weg, gelöst zu werden.

Wer nach dem Vortrag und der durchweg „pro“ geführten Diskussion noch nicht überzeugt oder im Bilde schien, für den wurde die Live-Präsentation in den Schlossnarrenstuben zum Aha-Erlebnis. Artur Fuchs, Experte und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Narrenschopf Bad Dürrheim stand jedem Interessierten zur Seite und verhalf zum Betrachten von Fastnachtsbräuchen und -umzügen in der effektvollen digitalen Welt einer VR-Brille.
Was war dabei der begehrteste Film? Natürlich der Narrensprung der Pflumeschlucker, aufgenommen am Schmutzigen Donnerstag 2019, bei herrlichem Kaiserwetter, dabei dreidimensional und mit der Möglichkeit, reihum schauen zu können – unglaublich schier und doch technisch perfekt inszenierte „Virtual Reality“. Die Stimmen danach, von Narrenvater Clemens Podeswa, Roland Rendler, Tanja Rendler, Norbert und Manu Rheiner, Günter Hany, Jürgen Blattert, Mechthilde Frey-Albert, Karl-Heinz Strauß, um nur einige zu nennen, reichten von „unglaublich toll“ über „sensationell, einmalig“ und „man möchte nicht mehr zurück in die Wirklichkeit“ bis hin zu „ein Muss für jedes Fastnachtsmuseum, das seinen Besuchern mehr bieten möchte, als die Betrachtung von Exponaten und Gemälden“. Uli Behringer bat ausdrücklich darum, das Adjektiv „phänomenal“ für das, was er da eben gesehen hatte, zu nennen. Besondere Effekte bis hin zu Schreckmomenten lieferten die Filme der Schramberger Bach-nah-Fahrer, über das Narrenbaumstellen in Stockach und die närrische Polonaise der Schömberger Narrenzunft.

Wann und unter welchen Bedingungen im Bonndorfer Schloss „museum4punkt0“ möglich wird, lässt sich noch nicht endgültig sagen. Für Günter Hany ist jedoch klar, dass er alles daran setzen möchte, diese neue Erlebniswelt in einer seiner Stuben im Erdgeschoss des Schlosses anbieten zu können. Die Kosten seien zwar erheblich, die Hoffnung zumindest die Filme kostenlos nutzen zu können oder neue Filme, von außerhalb der VSAN organisierten Zünften anzustoßen, mache aber Mut, dranzubleiben.
Es bestehe die Chance, Museen und Fasnacht neuen Zielgruppen zuzuführen, viele junge Leute in ihrer Kommunikationswelt anzusprechen oder ausgesprochen technikaffine Menschen zu erreichen. Die Möglichkeiten, weitere Anwendungen anzubieten, sind bereits spruchreif, weitere in der Testphase. Ob für die Nutzung Kosten (und wenn ja, in welcher Höhe) durchsetzbar sein werden, wird sich am Markt zeigen müssen.