Martha Weishaar

Die Feuerwehr wird gemeinhin nur dann wahrgenommen, wenn die knallroten Fahrzeuge mit Tatü-Tata durchs Städtle brausen. Doch nicht immer sind ein Brand oder Unfall Auslöser für einen Feuerwehreinsatz. Hin und wieder rufen schicksalhafte Ereignisse oder menschliche Katastrophen die Feuerwehr auf den Plan. Dann wirken die freiwilligen Helferinnen und Helfer ganz im Stillen. Über genau solch einen Einsatz berichtet Gerda Hoeft. „Die Bevölkerung soll wissen, dass es Menschen gibt, die einem ohne Aufhebens helfen. Dass wir Vertrauen haben können und nicht allein gelassen werden“, sagt sie im Gespräch.

Anna Ketterer meisterte eine große Herausforderung, als sie mitten in der Nacht psychologischen Beistand leisten musste.
Anna Ketterer meisterte eine große Herausforderung, als sie mitten in der Nacht psychologischen Beistand leisten musste. | Bild: Martha Weishaar

Ein halbes Jahr ist es inzwischen her, seit sie spätabends die Rettungsleitstelle in Waldshut alarmieren musste. Ihr Mann hatte seit geraumer Zeit Probleme mit dem Herzen, nun war er kollabiert. „Hilfreich war schon, dass mir die Dame am Telefon exakte Anweisungen für die Herzdruckmassage erteilte“, schildert Gerda Hoeft die Ereignisse jenes Abends.

Gefühl der Geborgenheit

Noch vor dem Notarzt trafen Feuerwehrkommandant Hansjörg Ketterer und seine Tochter Anna bei ihr ein. Ketterer war von der Leitstelle als Tragehilfe angefordert worden. „Er übernahm die Wiederbelebungsversuche bei meinem Mann bis zum Eintreffen des Arztes und ließ mich auch danach nicht mehr aus den Augen. Irgendwie gab mir das in diesem wahnsinnigen Stressmoment ein Gefühl der Geborgenheit.“ Vor allem Anna Ketterer kümmerte sich um Gerda Hoeft. Für Anna war dies der erste Einsatz dieser Art und mit ihren – damals noch – 19 Jahren war sie freilich auch leicht verunsichert. "Nicht jammern, sondern ganz normal reden", riet ihr der Vater und genau das tat die junge Frau, während die Rettungsmaschinerie ihren Verlauf nahm.

Hansjörg Ketterer braucht als Feuerwehrkommandant viel Fingerspitzengefühl. Er steht Menschen in Not bei.
Hansjörg Ketterer braucht als Feuerwehrkommandant viel Fingerspitzengefühl. Er steht Menschen in Not bei. | Bild: Martha Weishaar

Hansjörg Ketterer brachte derweil den Notarzt vom Rettungshubschrauber zum Patienten, half, diesen in den Krankenwagen zu tragen und benachrichtigte ein Kriseninterventionsteam. Denn ihm war klar: „Die Frau ist völlig durch den Wind, man kann sie jetzt auf keinen Fall alleine lassen.“ Freilich dauerte es seine Zeit, bis die Betreuer der Krisenintervention vor Ort sein konnten. „Bis 2 oder halb drei Uhr saßen Anna und Hansjörg Ketterer bei mir. Das junge Ding tat mir unendlich leid“, blickt Gerda Hoeft voller Dankbarkeit zurück. Und erzählt, wie verblüfft sie war, als mitten in der Nacht zwei ihr völlig fremde Menschen vor der Tür standen, um sich ihrer anzunehmen.

Das Kriseninterventionsteam

Das Kriseninterventionsteam war eingetroffen. „Ich hatte gar kein Zeitgefühl mehr, weiß nur noch, dass ich irgendwann mal sagte: Jetzt müssen wir aber mal ins Bett.“ Die menschliche Unterstützung in jener Nacht tat Gerda Hoeft gut, zumal ihre Söhne weit entfernt in München und Köln leben. In den folgenden Tagen brauchte die 81-Jährige noch viel Kraft. Ihr Mann verstarb.

Hansjörg Ketterer erachtet es als Selbstverständlichkeit, dass man in so einer schicksalhaften Lage menschlichen Beistand leistet. „Ich wollte ja auch nicht, dass meine Mutter in so einer Situation alleine ist“, sagt der Feuerwehrkommandant kurz und bündig. „Früher riefen wir in solch einem Fall Rita Schüle oder Bernhard Amann vom Roten Kreuz, heute das Kriseninterventionsteam. Und die mussten in jener Nacht erst mal aus Tuttlingen herfahren.“

Feuerwehrkommandant mit Fingerspitzengefühl

Es gibt immer wieder Situationen, in denen der Feuerwehrkommandant Fingerspitzengefühl braucht. Wo er sorgfältig abwägen muss, welche Kameraden welchen Aufgaben gewachsen sind. Auch die Feuerwehrmänner- und frauen können psychologische Betreuung des Kriseninterventionsteams in Anspruch nehmen. „Manche wollen aber gar nicht reden. Manchmal hilft es schon, wenn wir nach einem schwierigen Einsatz mitten in der Nacht am Stammtisch zusammensitzen und uns ein Steak braten“, sagt der Kranzwirt. „Man kann nicht alles einfach abhaken und nach Hause gehen.“