Martha Weishaar

Kennen Sie Oliver Tissot? Nein? Höchstwahrscheinlich kennt er aber Sie. Der fränkische Kabarettist scheint nämlich so ziemlich alles über Bonndorf und seine Bewohner zu wissen, das in irgendeiner Weise wissenswert sein könnte. Ziemlich vieles weiß er vor allem über die „Hautevolee“ im Städtle. Ob Bürgermeister, Sparkassenchef, Musikdirigent, Fraktionschefs oder Rektoren – Oliver Tissot hat über jeden was in petto. Der Mann ist ein „Whistleblower“ im besten und humorigsten Sinne.

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Aberwitzige Wortspielereien spickt er mit knallharten Fakten, flüstert und hechelt sie in verschwörerisch heiserem Flüsterton wie ein Gejagter ins Mikrofon. Mag er auch wie ein Spaßvogel die vollkommen leere Bühne betreten, so lässt Oliver Tissot dennoch nichts an solider Hintergründigkeit vermissen. Der Mann hat sich sorgfältig auf sein Debüt in Bonndorf vorbereitet – und eine exklusive Show erarbeitet, wie sie die Kleinkunstfreunde nie zuvor erlebten. Ein maßgeschneidertes Programm, das komplett auf die Löwenstadt zugeschnitten ist.

Auch über den Bürgermeister weiß er alles

Apropos Löwenstadt: Nicht nur das exakte Datum deren erster urkundlicher Erwähnung, nein, sogar die jüngste Entdeckung, dass es Bonndorf in Wirklichkeit schon viel länger gibt, als ehedem angenommen worden war, ist dem fränkischen Unterhaltungsprofi bekannt. Die zweimalige Verleihung der Stadtrechte allemal und sogar, dass Michael Scharf hier seit 27 Jahren Bürgermeister ist. „Das ist so lange wie zweimal lebenslänglich mit Sicherheitsverwahrung. Der macht das noch 200 Jahre und regiert noch aus der Urne heraus“, orakelt der Bühnenprofi zweideutig. Zumindest dauerte es 22 Jahre, bis der Schultes kapierte, dass Dunker seine Gewerbesteuer besser in Bonndorf bezahlen sollte.

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Und schon landet Tissot bei der Klingelbeutelaffäre. „Tun Sie da einfach alles rein, von dem Sie nicht wissen, ob es in die Biotonne darf“, rät der Mann, der den Verdacht hegt, dass die katholische Kirche in Ermangelung des Bösen da halt mal eben selbst den Bösewicht gab. Wie auch immer: der jetzige Pfarrer soll ja bei all dem aus dem Schneider sein – wie der Name schon sagt.

Spiel mit Namen

Mit Namen spielt Tissot gerne. Fragt sich, wo beim Adler bitteschön der Schinken ist. Hält das aber für ein pfiffiges Werbespiel mit dem menschlichen Unterbewusstsein. Zumal suggeriert wird, dass Schinken etwas mit Vögeln zu tun hat. Derlei zieht immer. Ob Binninger eine Kombination aus billiger und weniger ist, sei ebenso dahin gestellt wie die Überlegung, was es mit den beiden Vornamen Tilman und Frank auf sich hat, oder ob die Bürgerliste wirklich eine gefährliche Gang ist, nur weil deren Leitfigur Geng heißt.

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Die Bonndorfer müssen jedenfalls Schlitzohren sein, mutmaßt der Mann im clownesken Jackett. Nur so lässt sich der schlitzäugig Japanische Garten begründen. Manchmal scheinen sie aber auch streitsüchtig zu sein. Wo doch bei der Hauptversammlung der Gündelwanger Räuber statt Narrenzunft Narrenzoff angesagt gewesen sei. Und das alles wegen ein paar Apps. Schon landete Tissot beim Dauerbrenner Breitband, das weniger breit, sondern vielmehr lang sei und das der Landrat bei der Einweihung hoffentlich nicht gleich wieder durchschneidet. Was nützt überhaupt Glasfaser an jedes Haus und Digitalisierung, fragt sich Tissot. Wo doch die Powerranger der Naturparkschule just festgestellt haben, dass nur bei ausgeschalteten Computern Strom gespart werden kann.

Oliver Tissot weiß einfach alles

Es gäbe noch vieles darüber zu berichten, was Tissot verriet. Vom Soziologen Rosa, der auf nicht vorhandenen Wellen surfen will und damit beim Musikfest in Wellendingen landet, von Sammy Wafi, der sich in die Wüste geschickt hat, oder auch von VW, die nicht Sand, sondern Winterkorn im Getriebe haben. Tissot liefert in seiner fesselnden Bühnenshow ein im wahrsten Sinn des Wortes einmaliges Feuerwerk aus Ideen und Informationen, die er blitzschnell mit großartigem Witz in Szene setzt. Darunter mögen Kalauer gewesen sein, aber keineswegs „schwachsinnige“. Der Künstler ist mit seinem profunden Wissen über die Löwenstadt offenbar selbst „reif für Bonndorf“, weiß mehr über die Stadt als manch ein Bewohner.

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Das Publikum jedenfalls ist begeistert und kommt aus dem Staunen nicht heraus. Nicht nur die „Sahneschnittchen in der ersten Reihe“ und die hundert Ü60er mit Freikarten von der Stadt, auch die weit mehr als Hundert weiteren Besucher, die sich diesen fränkischen Ausnahmekünstler nicht entgehen lassen wollten, erlebten vergnügliches Kabarett in noch nie da gewesener Form.