Rund 220 Kleinkunstfreunde wollten den aus dem Fernsehen bekannten Rolf Miller am Freitagabend live erleben. Etliche berichten, dass sie kaum ein Gastspiel des Kabarettisten in der näheren oder weiteren Umgebung auslassen.
Das zeigt sich gleich eingangs am begeisterten Jubel, wenn Rolf Miller die Bühne betritt. Die wirkt kahl, so ganz ohne Requisiten, jedweden Schnickschnack, buntes Lichterspektakel. Der Mann allein genügt. Fläzt sich auf den Stuhl und schwätzt munter drauf los. Ohne Roten Faden zieht er über Cousinen, Kumpels, deren Frauen, Boris Becker, Andi Scheuer und weitere Promis her. Verrät scheinbar Geheimes, wenn er ins Mikrofon flüstert. Er muss die Klatschspalten der Regenbogenpresse gut studiert haben, kennt sich bestens aus. Findet, all das muss doch mal gesagt werden. Den meisten im Publikum gefällt‘s. Ständig wird gekichert, gegluckst, gelacht. Gelegentlich auch gejohlt und zwischenapplaudiert. Rolf Miller hat professionelle Außenwirkung.

Und wie sieht‘s mit dem Inhalt aus? Die Antwort ist einfach: Es gibt keinen. Das ist kein gängiges Kabarett, welches sich gesellschaftskritischen, sozialen, umweltrelevanten oder politischen Themenfeldern widmet. Was Rolf Miller vielmehr auszeichnet, ist, dass er polemisiert und beinahe pausenlos Dinge sagt, die eigentlich gar nicht gesagt werden dürfen. Die sich niemand mehr zu sagen traut. Zumindest offiziell.
Political Correctness interessiert im Programm des Odenwälders nicht. Er kehrt gängige Sprichwörter ins Gegenteil. Zieht über Frauen, Behinderte, Dicke, Magere und Ausländer her, drückt, wem auch immer, den Stempel der Schwachsinnigkeit auf. Und erntet Lachen. Am lautesten da, wo man im richtigen Leben Pfiffe und Buh-Rufe erwarten würde. Diese redetechnisch gut ausgefeilte Melange aus „Habt ihr schon gehört?“, „Wie blöd muss man sein?“ und „Das ist der Hammer!“ kommt gerade in Zeiten, in denen das Leben furchtbar kompliziert ist, offensichtlich gut an. An manchen Stammtischen gibt es ähnliches Geschwätz – wenn alle reichlich getrunken haben.
Der Odenwälder Dialekt tut sein Übriges, dass man sich mit Rolf Miller auf du & du fühlt. Obschon manche Besucher genau mit diesem Dialekt ihre Schwierigkeiten haben, gar nicht immer alles verstehen. Vor allem, wenn Miller ins Mikrofon nuschelt, was gelegentlich vorkommt. Meistens jedoch wird er richtig deutlich. Nennt Shakira eine Kolumbianische Kreissäge.
Mutmaßt, dass über Fußballstar Ramos ein Farbeimer explodiert sein muss und die deutsche Nationalelf bei der letzten Weltmeisterschaft Paralympics für Gesunde zelebrierte. Zitiert in dem Zusammenhang sogar Béla Réthy: „Was Sie sehen, ist keine Zeitlupe.“ Lästert über die Cousine, die alle „Brummer“, den Cousin hingegen „Mongo“ nannten. Oder Mick Jagger, über den er weiß: „Impotenz ist nicht sein Fachgebiet.“ Ganz am Rande schweift Miller auch schon mal zu aktuellen Themen ab, zum Brexit, der Kanzlerin, Donald Trump oder Erdogan. Und Sie vermuten richtig: Keiner der Genannten kommt dabei gut weg.
Miller hat absolut nichts gegen Frauen und andere wandelnde Freisprechanlagen. Zumindest nichts, das hilft. Hat sogar schon gemerkt, dass beim ersten Schritt über die Schweizer Grenze der Geldbeutel schmilzt. Miller spricht fließend Blödsinn, mit minimalistischer Gestik und Mimik. Kultiviert gleichermaßen Unkultiviertheit. Gewährt am Ende Einblick in die drei Stufen der Verarschung, die er mit Künstlerkollegen praktiziert. Was beim kritischen Beobachter zu guter Letzt die Frage aufdrängt, wer hier ver… wurde. Ein Besucher brachte es treffend auf den Punkt: „Es braucht keine große Bildung, um dem Programm zu folgen, aber es gefällt.“