Martha Weishaar

Wohl kaum jemand befasst sich derzeit ernsthaft mit der Fastnacht. Außer Robert Peter. Der Schreinermeister ist Schwigger bei den Pflumeschluckern. In diesen Wochen nutzt er seine coronabedingte freie Zeit unter anderem dazu, die Schwigge am Nachläufer des historischen Langholzfuhrwerks, auf dem sich traditionell der Elferrat durch die Fastnetumzüge kutschieren lässt, zu erneuern.

Das Fuhrwerk für den Stammen muss technisch in einwandfreiem Zustand sein. Immerhin sitzen elf Narrenräte und ein Pflumeschlucker auf dem Stammen. Es geht zuallererst um Verantwortung für deren Unversehrtheit.

Alte Gerätschaften, Maschinen und Traktoren haben es Robert Peter schon immer angetan. Mit Herzblut schafft er nun das Nachfolgemodell für die bisherige Schwigge, die auch Wäpfe genannt wird.

Das ist grundsolides Handwerk. Einzig anhand des alten Modells baute Robert Peter diesen neuen Griff an die Schwigge. Hansjörg Ketterer ...
Das ist grundsolides Handwerk. Einzig anhand des alten Modells baute Robert Peter diesen neuen Griff an die Schwigge. Hansjörg Ketterer vervollständigte die Holzkonstruktion mit stabilen Schmiedearbeiten. | Bild: Martha Weishaar

„Das Gerät ist in die Jahre gekommen, lottert überall und auch der Laufschuh ist durchgeschliffen. Außerdem ist er für mich zu klein, ich stoße ständig mit dem Fuß an“, sagt der 1,90 Meter große Schwigger. Sein Vorgänger, Heinrich Weishaar, ist 14 Zentimeter kleiner als er und kam mit den Abmessungen gerade noch so zurecht. Dessen Vorgänger, Erwin Blattert, dürfte noch kleiner gewesen sein. Auf ihn passte die alte Schwigge wie maßgeschneidert.

Nun kopiert Robert Peter jedes einzelne Bauteil. Bei der Gelegenheit passt er die Griffe auf seine Körpergröße an. Exakt übernommen hat er die 5,90 Meter Länge für den konisch zulaufenden Fichtenstamm, mittels dem der hintere Wagen des Fuhrwerks geführt wird.

Ein riesiger Haufen Sägespäne legt Zeugnis ab, wie viel Handarbeit allein das Bearbeiten dieses Stammes bereitete. Die Halterung mit Lenkgriffen, mittels welchen der Schwigger den hinteren Wagen des Brückenzugs um Kurven steuert, wird am dicken Ende des Stammes montiert. Eisenbänder halten das ganze Konstrukt zusammen. Ein schmiedeeiserner Laufschuh schützt das Holz, während es über den Boden schleift. Die dafür erforderlichen Schmiedearbeiten führt Hans-Jörg Ketterer aus, ein Multitalent in jederlei Hinsicht, verrät Robert Peter.

Aus sechs Zentimeter dicken Eschenholzdielen hat Schreinermeister Robert Peter mehr oder weniger nach Augenmaß sämtliche Teile für die Lenkvorrichtung des Gefährts zugesägt, diese dann geleimt, ausgeschweift, ausgeraspelt, abgefast und Zapfen angepasst. „Da gibt‘s keine Schablone oder Zeichnung, schon gar keine Routine. Das ist reine Handarbeit“, erklärt der Fachmann.

Sorgfältig fügt Schreinermeister Robert Peter ein Teil zum anderen, bis das Fuhrwerk fahrtüchtig ist. Unzählige Arbeitsstunden kostet ...
Sorgfältig fügt Schreinermeister Robert Peter ein Teil zum anderen, bis das Fuhrwerk fahrtüchtig ist. Unzählige Arbeitsstunden kostet die perfekte Arbeit. | Bild: Martha Weishaar

Das Anfertigen dieses Werkstücks bereitet ihm sichtlich Freude. Der 51-Jährige hat großen Respekt vor den alten Handwerkskünsten. Mit Verve beschreibt er die Kunst des alten Wagenbaus, wie diffizil das Anbringen eines glühenden Eisenringes um ein Holzrad ist, weshalb die Speichen einen leichten Außenwinkel haben müssen.

Spaß bereitet ihm aber auch seine Aufgabe als Schwigger. Nach und nach hat er diese von Heinrich Weishaar übernommen, der nach 25 Jahren 2019 gänzlich an Robert Peter übergeben hat. „Ich werde oft gefragt, was ich da überhaupt mache“, lacht der Schwigger. Klar, im Zeitalter autonom fahrender Lastwagen können sich viele nicht mehr vorstellen, welcher körperliche Einsatz notwendig ist, um ein von Pferden gezogenes Langholzfuhrwerk durch Kurven zu lenken, ohne in den Innenkurven Schaden anzurichten.

Die Zugtiere können lediglich den vorderen Wagen und den auch nur bedingt lenken. Der hintere Teil des Brückenzugs muss mit einem Nachläufer gesteuert werden, den ein Begleitmann, der Schwigger, bedient. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf diese Weise Langholz transportiert. Erst später wurden zwei- und dreiachsige Nachläufer entwickelt, die im Führerhaus eines Lastwagens lenkbar waren.

Als Schwigger hat man es nicht immer einfach. Man muss dem Fuhrwerk in dem Tempo hinterherlaufen, das die Zugpferde vorgeben, gelegentlich nebenbei sogar noch ein Interview geben. Die Sicht nach vorne ist oft beeinträchtigt, wenn die Narrenräte in ihren langen Mänteln auf dem Stammen ihre Späßchen machen. „Aber ich geh hundertmal lieber hinterher, als selbst da oben zu sitzen. Ich glaub‘ nämlich, denen ist nicht immer allen wohl, so hoch oben“, schmunzelt Robert Peter. „Zumal es mit der Zeit saukalt werden kann, wenn man so lange bewegungslos rumhocken muss.“

Der Mann ist sich seiner Verantwortung bewusst, hat Robert Peter doch auch schon unmittelbar mitbekommen, wie schnell etwas schiefgehen kann und weiß, wie leichtsinnig manche Umzugszuschauer sind, wenn das historische Fuhrwerk durch enge Altstadtgassen gelenkt wird.