Bonndorf Wie ist das, in der Rikscha zu fahren, Herr Kienzle? Der einstige Präsident des Rotary-Clubs und Initiator des Bonndorfer Rikscha-Dienstes lehnt sich am Tisch ein bisschen nach vorn, stupst seine Brille nach oben und sagt dann ganz ernst: „Wie in der Achterbahn in der ersten Reihe“. Was er damit meint, darf der Reporter später selbst ausprobieren. Nelly Bloszat, seit sieben Jahren Mieterin des Betreuten Wohnens im Bonndorfer Pflegeheim St. Laurentius, nimmt gern fürs Foto Platz auf der Sitzbank und lässt sich von Helmut Kienzle festschnallen wie eine Rallye-Fahrerin: Hosenträgergurt, Hüftgurt, Brustgurt. Herausfallen unmöglich. „Das Fahren in der Rikscha ist einfach wunderbar“, lobt Bloszat das Angebot, „ich fühle mich immer sicher darin.“ Das sei wirklich etwas Besonderes, sagt die 87-Jährige. Sie fügt aber ernst an: „Das Beste daran ist, dass für alte Menschen mal etwas getan wird.“
Genau das war die Idee von Helmut Kienzle, als er die Fahrrad-Rikscha 2022 als Präsident des Rotary-Clubs Bonndorf initiiert hat. „Während seiner Amtszeit verfolgt jeder Präsident ein Projekt“, so Kienzle, „die Rikscha war sozusagen mein Kind. Ich wollte Freude bereiten.“ Das Fahrzeug habe er beim Bürgertreff in Gundelfingen entdeckt, der das gleiche Modell für denselben Zweck einsetzt: Älteren Herrschaften, die gehbehindert sind, mit einer Ausfahrt ein schönes Erlebnis zu bescheren. 15.000 Euro hat der Rotary-Club für die Anschaffung des Gefährts aufgebracht und es dem Pflegeheim übereignet. Ein kleiner Zuschuss kam vom Land, 5000 Euro steuerte der Rotary-Distrikt 1930 bei, den Rest von 7500 Euro spendeten die Bonndorfer Rotarier. Seither ist Kienzle Teil des Teams, das im Altenstift regelmäßig Rikscha-Touren anbietet. Rikscha-Driver – so nennen sich die Ehrenamtlichen selbst sowie ihre WhatsApp-Gruppe – sind außer ihm Angela Schanz, Martha Weishaar, Rüdiger Schäfer und Herbert Schmid. „Wir könnten noch ein paar weitere Fahrer gebrauchen“, sagt Helmut Kienzle. Wenigstens dreimal die Woche geht es auf große Fahrt, sofern das Wetter mitspielt und nicht gerade Winter ist. Termine machen die Pflegerinnen auf den Stationen und im Haus bekannt. Die Nachfrage ist gut: „Wir haben noch nie eine Tour angeboten, bei der dann keiner mitfahren wollte“, sagt Kienzle. Das Angebot bringe allen etwas, den Fahrgästen, die mal etwas erleben, den Fahrerinnen und Fahrern, die sich freuen, dass die Mitfahrenden Spaß haben. Und den Passanten, die fröhlich winken, wenn sie die Rikscha zu Gesicht bekommen. Die Rikscha verfügt über elektrische Unterstützung und wird bis zu 25 Kilometer pro Stunde schnell. An den Vorderrädern sorgen Scheibenbremsen für Verzögerung. Der Nabenmotor im Hinterrad liefert bis zu 75 Newtonmeter Drehmoment, in den beiden Akkus stecken jeweils 750 Wattstunden Energie. Die Reichweite beträgt 25 Kilometer. Die Rikscha, allein schon 100 Kilogramm schwer, bringt mit Fahrer und zwei Fahrgästen schon mal eine halbe Tonne auf die Waage.
Zu fahren sei die Rikscha leicht, findet Helmut Kienzle, aber natürlich bleibt zu bedenken: Trotz der Unterstützung muss der Fahrer 30 Prozent der Energie erstrampeln. „Den Kirchweg in Bonndorf fahre ich in meinem Alter nicht mehr rauf“, sagt Kienzle lachend. Eine seiner typischen Touren führt in Richtung Bahnbrücke, über den Schleierweg zum Friedhof, über die Aussiedlerhöfe zum Krummen Föhrle, und zum Schluss dürfen die Fahrgäste hoch oben auf dem Lindenbuck den Blick über Bonndorf genießen. Zwölf Kilometer kommen so zusammen, eine bis anderthalb Stunden werden pro Tour veranschlagt. Viele Fahrgäste lieben es, wenn die Reise zu ihrem früheren Wohnort führt. „Die freuen sich dann immer, wenn sie die Veränderungen sehen können.“
Unfälle oder Pannen habe es noch nie gegeben. Auf der Straße fühle er sich sicher, versichert Helmut Kienzle. Autofahrer auf der Hauptstraße ersparen es sich zwar meist, den vorgeschriebenen seitlichen Abstand von 1,50 Metern einzuhalten, doch die Fahrgäste werden davon nur wenig behelligt. Im Grunde seien in der Martinstraße Schutzstreifen für Radler dringend notwendig, oder Tempo 30, urteilt Kienzle, er sieht Nachholbedarf beim Schutz des Radverkehrs. Vor kurzem sei er auf dem Motorrad die B3 bis nach Norddeutschland gefahren, berichtet er. „Da gab es keinen einzigen Ort, in dem schneller als 30 gefahren werden durfte.“
Interessierte, die sich der Rikscha-Gruppe als Fahrerin oder Fahrer anschließen wollen, können sich bei Helmut Kienzle unter der Telefonnummer 0170/3210700 melden.