Bonndorf Roland Eisele schätzt seine Gäste so ein: „Im Schnitt sind das schon andere Leute als die Besucher von Campingplätzen.“ In der Sommerau nahe Bonndorf, wo sich die Steina durch den dunklen Tann schlängelt, gehört Eisele und seiner Frau eine freundliche Lichtung von zwei oder drei Hektar Fläche. Dort dürfen abenteuerlustige Wanderer mit ihrem Zelt Station machen.

Oft entsprechen diese weniger dem Durchschnittstouristen. Eisele erinnert sich etwa an den Wanderer, der am ganzen Körper tätowiert war – sogar im Gesicht. Eisele, zunächst irritiert, urteilt jedoch: „Der war wirklich nett.“ Angenehm fand er auch den Umgang mit dem Halbamerikaner, der neulich mit seinem Motorrad bei ihm Station machte. Als leidenschaftlicher Radler kann Eisele mit Motorrädern nichts anfangen. Aber das, sagt er, sei ja gerade das Spannende: „Man redet mit Leuten, mit denen man sonst nie in Kontakt käme.“

70 Anbieter machen schon mit

Was Roland Eisele und rund 70 weitere Grundstücksbesitzer in der Region da anbieten, nennt man im Landkreis Waldshut und längst auch anderswo ein One-Night-Camp (Zeltplatz für eine Nacht). Aus der Sicht von Corinna Steinkopf, Leiterin der Abteilung Tourismus beim Landkreis, war so etwas längst überfällig, als es 2022 in Waldshut-Tiengen erfunden wurde. „In den Corona-Jahren hat das Interesse am Wandern stark zugenommen“, berichtet Steinkopf, für den Tourismus der Region war das zwar eine positive Entwicklung. „Aber dadurch bekamen wir auch immer mehr Probleme mit Wildcampern“, erinnert sich Steinkopf.

Zelten in der freien Natur ist in Deutschland prinzipiell verboten. Doch sogar aus streng überwachten Naturschutzgebieten wie der Wutachschlucht mussten Wildcamper vertrieben werden, die teils ohne jedes Unrechtsbewusstsein ihr Lager aufgeschlagen hatten. „Wir haben bemerkt, dass wir alternative Möglichkeiten brauchen für die Abenteurer“, sagt Steinkopf. Zwar verfügte der Kreis bereits über Trekkingplätze auf kommunalem Grund für Fernwanderer und Langstreckenradler. „Eigentlich ein tolles Angebot für die spezielle Klientel“, findet Corinna Steinkopf. Doch davon gab es seinerzeit gerade drei Plätze im Landkreis Waldshut – deutlich zu wenig für den Andrang, der sich abzeichnete. So begann die Abteilung Tourismus mit einer Informationsveranstaltung, offensiv um Privatanbieter zu werben, die einen Teil ihres Grundes Wanderern oder Radwanderern zur Verfügung stellen, oder auch den Besitzern von Wohnmobilen. Auch für diese Klientel sind offizielle Plätze wegen des Wohnmobil-Booms extrem knapp geworden.

Die Camps müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllen – etwa beim Naturschutz, gegenüber der Forstwirtschaft, auch das Baurecht will beachtet sein. Das alles überprüft aber das Landratsamt für die Anbieter bei einem Antrag automatisch im Hintergrund, diese selbst müssen nichts weiter tun. Die Plätze in der Region sind zu finden über eine Internetseite, die die Schwarzwald-Tourismus GmbH aufgesetzt hat. Oder über das Portal „nomady.camp“, dessen Betreiber ebenfalls mit dem Landkreis Waldshut zusammenarbeitet. Dort finden sich auch ein paar Plätze, von denen man beim Kreis gar nichts weiß. Denn Anbieter können sich auch direkt beim Anbieter Nomady registrieren lassen.

Anders als der Name nahe legt, darf man länger als eine Nacht in den Camps bleiben. Komfort sollten Gäste aber nicht erwarten. Vielerorts wird lediglich Idylle angeboten. Nicht einmal eine Toilette ist in der niedrigsten „Kategorie Zero“ Pflicht. Dort seien Wanderer allerdings verpflichtet, ihre Hinterlassenschaften im Boden zu vergraben, erinnert Corinna Steinkopf. Das sei aber kein Problem, glaubt sie: „Diese Wanderer haben ja immer einen Spaten dabei.“

Das kann Maximilian Hanser bestätigen, der bei Grafenhausen seit 2022 ebenfalls ein One-Night-Camp anbietet – wo allerdings mindestens zwei Nächte gebucht werden müssen. Bei Hanser gibt es weder Wasser noch Strom noch ein WC. Hauptsächlich Wohnmobile im VW-Bus-Format laufen bei ihm auf, er hat sogar Stammgäste. „Ich kontrolliere nach der Abfahrt immer das Lager und den Wald“, berichtet er. „Da bleibt nie irgendetwas zurück, vielleicht mal ein Zigarettenstummel in der Feuerstelle.“

Unproblematisch löst Roland Eisele das Toiletten-Problem – er lässt seine Zeltgäste einfach das WC in seinem Haus benutzen. Unter Umständen gönnt er ihnen auch eine warme Dusche. Nichts für Hanser, er findet, man solle beim Ursprungsgedanken und daher als Camper autark bleiben. Deshalb gibt‘s bei ihm im Hof kein Wasser und auch kein mal-eben-das-Handy-aufladen. Die eher kleinen Einnahmen nimmt Hanser gerne mit. Und Roland Eisele kommt es gar nicht darauf an – am Ende müsste er noch Steuern zahlen. „Wir machen das gar nicht wegen des Geldes“, sagt er, „sondern weil wir früher selbst froh gewesen wären, wenn man uns ein hübsches Plätzchen zum Zelten angeboten hätte.“

Sicher würden die One-Night-Camps dazu beitragen, dass weniger an verbotenen Stellen gecampt werde, sagt Corinna Steinkopf. Vollends lösen wird sie das Problem aber nicht. „Leute, die wild zelten wollen, werden das immer machen“, sagt die Tourismus-Expertin aus dem Landratsamt in Waldshut.

Buchung: One-Night-Camps im Landkreis Waldshut werden unter anderem angeboten über die Internetseiten www.landkreis-waldshut.de und über nomady.camp.