Das ganze vergangene Jahr war Maria Rüd von einer Krankheit blockiert, und gerade, als sie wieder auf die Beine gekommen war, kam der Lockdown. Seine Goldene Hochzeit hatte das Ehepaar Rüd auch nur im engsten Familienkreis feiern können, und ihr 60-jähriges Organistenjubiläum am Sonntag wird ebenfalls Corona zum Opfer fallen. Aber Maria Rüd blickt dennoch positiv in die Zukunft.
Vorfreude
„Wenn das alles hier vorbei ist, darf ich wieder an die Orgel“, erklärt die gebürtige Görwihlerin mit einem Lächeln und ergänzt: „Der Pfarrer hat es mir versprochen, auch wenn die alte Görwihler Orgel mittlerweile allerhand Mucken hat. Aber unsere Mucken haben wir alle selbst ja auch.“
Ohne echten Orgelunterricht
60 Jahre Organistin, das ist ein wirklich seltenes Ereignis. Dabei hatte Maria Rüd in ihrem ganzen Leben nicht eine reguläre Orgelstunde. Am Weißen Sonntag hatte sie von den Eltern ein Harmonium bekommen, das war 1956. Unterricht bekam sie von einer guten Bekannten der Mutter, die damals in der Kapelle in Tiefenstein die Orgel spielte. „Mit 14 wurde ich dann ins kalte Wasser geworfen“, erzählt Maria Rüd schmunzelnd.
Sie springt ein
In Görwihl sollte eine von auswärtigen Patres geleitete Besinnungswoche stattfinden. Die Religionslehrerin, die normalerweise dabei die Orgel gespielt hätte, musste aufgrund einer Risikoschwangerschaft aussetzen. Die vierzehnjährige Maria, noch Schülerin damals, war in der Woche zuvor zum ersten Mal an der Kirchenorgel gesessen, nun musste sie die ganze Woche musikalisch begleiten.
Nur wenige Aussetzer
Der bis 1961 als Organist bestellte Tierarzt Gurdan war zu der Zeit bereits schwer erkrankt, seine Tochter Christa erklärte ihr die wichtigsten Grundbegriffe der Registrierung und des Pedalspiels. Von da an spielte sie Orgel – von den wenigen krankheitsbedingten Aussetzern bis heute. „Beim Amtsantritt von Pfarrer Stahlberger hatte ich gerade meine Hand in Gips“, erinnert sie sich. Nach der Operation stand ihr rechter Daumen nach innen, war steif geworden, an ein Orgelspiel war so nicht zu denken. In der Klinik in Freiburg wurde ihr geholfen. Heute kann sie den Daumen wieder so weit abspreizen, dass sie eine Oktave greifen kann.
Neuer Anlauf für einen Kurs
Einmal noch machte sie den Anlauf, Orgelstunden zu nehmen. Im Jahr 1961 begann sie eine Lehre als Apothekenhelferin und besuchte die kaufmännische Berufsschule in Waldshut. Dort wollte sie am Nachmittag zum Unterricht bei einem Organisten, aber eine Woche, nachdem sie sich angemeldet hatte, bekam sie einen neuen Stundenplan für die Schule. Von da an war auch der Nachmittag belegt und diese Chance wieder zunichte gemacht.
Keine Probleme
„Ich bin trotzdem eigentlich immer gut zurecht gekommen, auch mit den vielen Kirchenchorleitern und Pfarrern, mit denen ich in diesen 60 Jahren zu tun gehabt habe“, stellt sie mit Nachdruck fest. Nur einmal habe sie beinahe hingeworfen, aus spontaner Verärgerung über einen unbedacht als abfällig missverständlichen Kommentar des damaligen Pfarrers Frei, der sie mit einem ausgebildeten Kirchenmusiker verglichen hatte – nach immerhin damals bereits 40-jähriger Praxis.
Erinnerungen
Unzählige Gottesdienste hat sie begleitet. „Früher war sonntags noch dreimal Gottesdienst. Um halb acht die Frühmesse, um halb zehn der Hauptgottesdienst und am Nachmittag um zwei noch mal eine Andacht. Bei allen drei Gottesdiensten war ich gefordert. Erst danach konnte ich mit meiner Familie den Sonntag verbringen“, berichtet sie. Als die Kinder groß genug waren, hat sie sie oft mit auf die Empore genommen, gezwungen hat sie sie aber nie dazu. Ihre Mutter, berichtet sie, sei sehr fromm gewesen, der sonntägliche Kirchgang daher unabdingbar. Ihre Kinder sollten selbst entscheiden.
Höhepunkte
Neben der Begleitung des Gemeindegesangs und einzelner Lieder des Kirchenchors an besonderen Festtagen hat Maria Rüd auch viele Chormessen auf der Orgel gespielt. Einer der Höhepunkte war für sie die D-Dur-Messe von Mozart, sogar mit Orchester. Daran erinnert sie sich mit großer Freude. Einen ähnlichen Höhepunkt durfte sie beim Kultursommer 2018 erleben, als die „Missa brevis“ von Gounod unter Mitwirkung der anwesenden Künstler aufgeführt werden sollte. Ausgerechnet der dafür vorgesehene Organist erkrankte, und sie sprang für ihn ein. „Diese Messe ist einer meiner großen Lieblinge, bei einer anderen hätte ich vermutlich wegen der kurzen Vorbereitungszeit absagen müssen, aber die hatte ich sowieso in den Fingern“, sagt sie strahlend. Es sei ein ganz großartiges Erlebnis gewesen, mit den Profis zu arbeiten.