Ein Bauschild steht schon, aber von Baggern ist noch nichts zu sehen. Dafür wirkt die Werbung im Internet erst mal vollmundig. Mit einer Investition ab knapp 200.000 Euro sollen Anleger ein „Hotel-Apartment“ erwerben können, versprochen wird eine „Garantierte Mietrendite“ von vier Prozent pro Jahr. Was in Niedrigzins-Zeiten verlockend geklungen hätte, wirft inzwischen Fragen auf: Wie solide ist das Konstrukt hinter dem Projekt „The Reed“, direkt am Bahnhof Wollmatingen? Und wird hier überhaupt noch gebaut?
„Fertigstellung für das zweite Quartal 2027 geplant“
Ja, die Pläne sind nach wie vor aktuell, erklärt Melanie Schmid, die für die Stuttgarter Firma E&G Immobilien die Öffentlichkeitsarbeit macht. E&G – die Abkürzung kommt vom früheren Namen Ellwanger und Geiger – bezeichnet sich selbst als „einen der führenden Immobilienmakler für exklusive private Wohnimmobilien in Süddeutschland“ und gehört zur Firmengruppe Grossmann&Berger. „Die Fertigstellung des Projekts ist für das zweite Quartal 2027 geplant“, so Schmid.
E&G ist bei dem Projekt aber nicht nur Makler, sondern auch selbst Bauherr. Bis zu einem Baustart, so die Investoren, müssen etwa 30 Prozent der Einheiten – geplant sind 89 Zimmer – verkauft sein. Denn anders als bei anderen Projekten soll das Geld für „The Reed“ nicht von Banken kommen. „Die Baukosten werden vollständig über Eigenmittel finanziert“, erklärt E&G.

Das Modell mit privaten Investoren erinnert in Konstanz viele an den Krimi rund um das damalige Projekt Car Emotion Center, wo mit großen Versprechungen für Einlagen in das Projekt an der Reichenaustraße geworben wurde, das am Ende nicht wie geplant umgesetzt wurde. Viele Anleger fühlten sich getäuscht und hatten auch Verluste zu tragen.
Steigenberger-Nachfolger soll das Hotel betreiben
Das soll bei „The Reed“ anders sein, denn die Bauherren haben nach übereinstimmenden Angaben bereits einen langfristigen Pachtvertrag mit einem der großen Unternehmen in der deutschen Hotellerie geschlossen: H World International, die frühere Steigenberger-Gruppe will das Haus unter ihrer Günstig-Marke Zleep betreiben.
Zleep kommt ursprünglich aus Dänemark, wirbt mit skandinavisch-zweckmäßiger Gastlichkeit und gilt als Antwort auf den zeitweise stürmischen Expansionskurs der Gruppe Motel One, die am Bodensee bisher ebenfalls nicht vertreten ist. H World International dagegen ist in Konstanz fest etabliert, denn das Unternehmen betreibt das Steigenberger Inselhotel.
Klar ist: Der Zeitdruck wird immer größer
Geplant ist, das Hotel gewissermaßen zimmerweise an Investoren zu verkaufen. Für 195.500 bis 408.500 Euro gibt es Zimmer zwischen 14,5 und 31,2 Quadratmeter Größe plus einen entsprechenden Anteil an den Allgemeinflächen. Gemanagt werden sie, so der Plan, von H World – und zwar einschließlich der bei Hotelzimmern beständig nötigen Erneuerungen zum Beispiel von Möbeln, Böden oder Bädern. Die versprochene Rendite, so Melanie Schmid, versteht sich nach Investitionspauschale. Die Eigentümer müssen Renovierungen also weder selbst koordinieren noch direkt bezahlen, was einen großen möglichen Konfliktpunkt in der Eigentümergemeinschaft ausräumt.
Unklar ist indessen noch, wie der weitere Zeitplan aussieht. Auf der Internetseite, auf der um Investoren geworben wird, ist von einer Eröffnung im Jahr 2026 die Rede, was angesichts der üblichen Bauzeiten kaum mehr realistisch erscheint. Nach dem Abriss des früher als Pizza-Bahnhof bekannten Gastronomiebetriebs 2023 hat sich zwei Jahre lang am Bauplatz direkt an der Schranke und neben der SÜDKURIER-Druckerei nicht erkennbar etwas getan. Auch wenn das Hotel überwiegend mit vorfabrizierten Teilen in Holzmodulbauweise errichtet werden soll, müsste ein Baubeginn bald bevorstehen, wenn das Haus zur Sommersaison 2027 in Betrieb gehen soll.

Wie lange die Bauherrschaft für ihr Projekt unterdessen überhaupt noch Zeit hat, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage nicht mit – die Baugenehmigung ist demnach erteilt. Doch die Frist, bis wann das Vorhaben umgesetzt werden muss, nennt auch E&G nicht. Klar ist nur, dass der Zeitdruck größer wird. Und das bei einem Projekt, das auch Fachleute als ambitioniert bezeichnen: Das Gebäude soll acht Stockwerke hoch sein und eine auffällige Fassade erhalten, entworfen von dem im Hotelbau erfahrenen Ermatinger Büro Tec Architecture.
Ansprechen soll das künftige Hotel insbesondere Fahrradtouristen – bei Anlegern wird mit der Lage direkt am „meistbefahrenen Radweg der Welt“, der Route um den Bodensee, geworben. Auch der Preis soll zur Zielgruppe passen. Obwohl nach hohen Nachhaltigkeitsstandards inklusive Photovoltaikanlage gebaut werden soll, soll die Übernachtung vergleichsweise günstig sein: „Nach aktueller Planung durch den Betreiber liegt der durchschnittliche Zimmerpreis bei circa 80 Euro pro Nacht – ein bewusst attraktives Preisniveau im Budget-Segment mit hohem Qualitätsanspruch“, erklären die Bauherren dazu auf SÜDKURIER-Anfrage.
Verträgt der Markt noch ein Hotel? Es kommt darauf an, sagen Experten
Ob das alles Wirklichkeit wird, liegt nun nach Lage der Dinge in den Händen der potenziellen Investoren. Ob es eine gute Idee ist, sich bei „The Reed“ einzukaufen, dazu halten sich Insider in der Konstanzer Hotellerie- und Tourismuswirtschaft mit Beurteilungen zurück. Nach den vielen Hotel-Neubauten der jüngsten Vergangenheit gilt einerseits der Markt zwar als weitgehend gesättigt, doch der Geschäftsidee Fahrradhotel geben Insider durchaus eine Chance.
Und einen besonderen Anreiz kann „The Reed“ auf jeden Fall bieten: Die Privatinvestoren sollen ein gewisses Zeitkontingent erhalten, in dem sie ihre Zimmer selbst nutzen können. Zum Beispiel für einen Städtetrip in die laut „The Reed“ Werbung „beliebteste Stadt am Bodensee mit 1,1 Millionen Übernachtungen jährlich“ – oder natürlich einen Radel-Urlaub.