Herr Halmer, spielen Sie den emeritierten Philosophieprofessor in „Trapps Sommer“ so überzeugend, weil Sie sich gut in diese Figur einfühlen können?
Günther Maria Halmer: Mich selbst zu charakterisieren, ist schwierig. Meine Frau könnte das besser. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass es für einen alten Menschen, der sich in seiner großen Wohnung ausgebreitet hat, eine Herausforderung ist, wenn fremde Leute kommen und Ordnung schaffen.
Wie behagt es Ihnen, dass Griesgrame, die im Laufe der Handlung das sensible Innere unter ihrer harten Schale offenbaren, zur Paraderolle geworden sind?
Halmer: Wenn man mal in einer bestimmten Richtung gut war, etwa als grantliger Alter mit goldenem Herzen, passiert es in unserer Branche leider oft, dass man fast nur noch Ähnliches angeboten bekommt. Altersbedingt sind bei mir nun auch demente Charaktere hinzugekommen. Gerade heute habe ich wieder ein solches Drehbuch bekommen, und das ärgert mich, die Reduktion älterer Menschen auf Klischees.
Momentan spielen Sie jedoch auch am Münchner Residenztheater.
Halmer: Genau, die „Gschichtn vom Brandner Kaspar“, bis Oktober sind alle Vorstellungen ausverkauft. Das ist mal eine andere Figur. Ein Bauer mit mürrischen Zügen, der seine Tochter als Flittchen bezeichnet, aber auch ein fröhlicher Alter, nur nicht bis zum Schluss.
Haben Sie schon selbst Stoffe vorgeschlagen oder Drehbücher geschrieben?
Halmer: Nein. Ich sage es ungern, aber dafür bin ich zu faul. Ich freue mich über Angebote, sage zu oder lehne ab. Frauen ergreifen da öfter die Initiative.
Das dürfte damit zusammenhängen, dass interessante Rollen für reifere Frauen seltener sind.
Halmer: Stimmt, aber da ist einiges in Bewegung. Mir fällt auf, wie oft ich schon mit Regisseurinnen zusammenarbeite. Dagegen finde ich es bedauerlich, dass viele Autoren die Figuren, die ich spiele, als 70-Jährige bezeichnen, weil sie wissen, dass Redaktionen sich scheuen, einem 80-Jährigen eine Hauptrolle zu geben. Das Risiko ist ihnen zu groß, dass so einer die Dreharbeiten nicht zu Ende bringen könnte. Ich verstehe sie aber auch, da ich erlebte, wie ruinös es war, als Hannelore Elsner während „Lang lebe die Königin“ verstarb. Umso mehr bin ich überrascht und erfreut, dass mir das Residenztheater einen Vertrag bis 2027 gegeben hat.

Wo liegen die Herausforderungen?
Halmer: Beim Filmen legt man sich die Rolle zu Hause zurecht und merkt sich den Text portionenweise vor den Drehtagen, während man Theaterstücke sechs Wochen probt und mit dem Regisseur oder der Regisseurin diskutiert. Nach den langen Theaterferien muss wieder alles sitzen, um die 850 Besucher überzeugen zu können. Beim „Brandner Kaspar“, da weißt du, was du zu stemmen hast, auch physisch.
In welcher Hinsicht?
Halmer: Du stehst zwei Stunden auf der Bühne, musst sogar klettern, und ich fahre zwei Stunden hin und zurück, da wir auf dem Land wohnen. Wenn wir mehrere Abende nacheinander spielen, ist das anstrengend. Da bin ich dem Schicksal dankbar, dass ich noch so fit bin, körperlich dank dreimal Krafttraining pro Woche, aber auch im Kopf.
Wie gelingt es Ihnen überhaupt, sich so viel Text einzuprägen?
Halmer: Ob ich ihn laut spreche oder nur leise vor mich hinsage, ist ein riesiger Unterschied. Wenn ich mich laut höre, kann ich ihn viel besser verinnerlichen, und Sätze kommen aus mir raus, als hätte ich sie gerade erst formuliert. Dafür gehe ich auf einen zwei Kilometer langen Spaziergang durch die Natur, wo mich niemand hört! (lacht)
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Lehre als Hotelkaufmann am Bodensee?
Halmer: Zuerst war ich im Bayerischen Hof in Konstanz, wo ich alle unangenehmen Küchenarbeiten machen musste, etwa den Herd putzen oder Kisten aus dem Kühlraum nach oben schleppen. Im Inselhotel in Lindau arbeitete ich an der Rezeption. Da musste ich ein dickes Journal führen, in dem ich alle Ausgaben und Einnahmen auflisten musste. Wehe, wenn am Ende des Tages nicht alles stimmte! Dann musste ich die halbe Nacht suchen, wo der Pfennig verloren gegangen war.
Das hatten Sie sich anders vorgestellt?
Halmer: In der Tat hatte die Realität wenig mit der Welt zu tun, die mich in „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ und „Menschen im Hotel“ fasziniert hatte. Ich hatte übersehen, dass man immer der Diener ist. So brach ich die Lehre ab. Geblieben ist mein Respekt vor dem, was das Personal leistet.