Herr Ehm, von der Pfarrhofinitiative, zum Verein Kulturraum Klettgau, zur Gründung der Genossenschaft Klettgeno, mit der das Gasthaus ‚Linde‘ in Grießen gekauft wurde und möglicherweise auch der Pfarrhof in Erzingen erworben werden soll. Können Sie diese Entwicklung erklären?
Wir beobachten seit einigen Jahren, dass die öffentlichen Treffpunkte immer weiter zurückgehen, besonders im ländlichen Raum. Gaststätten werden geschlossen. Gebäude und Grundstücke werden an Privatpersonen oder Investoren verkauft, die Kirche zieht sich immer weiter zurück.
Zeitgleich wird der Bedarf an Kontaktmöglichkeiten für unsere Gesellschaft immer wichtiger. Treffpunkte, an denen sich alle Bewohner willkommen fühlen. Mit dem damaligen Gerücht, dass der Pfarrhof verkauft werden soll, wurde uns bewusst, dass dies nun auch bei uns, direkt in unserer Gemeinde passieren wird.
Damit wir eine Stimme erhalten und Stimmen aus der Bevölkerung bündeln, haben wir den Verein KulturRaum Klettgau 2022 gegründet. Es war aber schon damals geplant, langfristig eine Struktur zu schaffen, die Genossenschaft, welche die Liegenschaft erwirbt und eine andere, die die Liegenschaft zum Leben erweckt, der Verein.
Welche Funktion hat der Verein Kulturraum im Zusammenhang mit dem Gasthaus „Linde“ und dem Pfarrhof?
Ein Verein hat andere Möglichkeiten als eine Genossenschaft. Die Genossenschaft muss als wirtschaftlicher Betrieb angesehen werden, der jedoch in der Organisationsstruktur anders aufgebaut ist. Der Verein hat aus finanzieller Sicht andere Vorteile als die Genossenschaft.
So kann der Verein in seiner gemeinnützigen Tätigkeit beispielsweise Spendengelder anwerben. Genauso steht es mit der Möglichkeit Fördergelder zu bekommen. Weiter bedeutet das Engagement des Vereins, dass Veranstaltungen, bei denen wir satzungsgemäß keine wirtschaftlichen Interessen verfolgen, bedeutend einfacher umsetzen können. Die jedoch bedeutsamste Funktion des Vereins sind die Veranstaltungen, bei denen jeder Bürger teilnehmen kann.
Die Grießener „Linde“ wurde im Frühjahr gekauft. Wie sehen die Pläne aus?
Die Genossenschaft plant, die „Linde“ wieder zu einem Ort der Begegnung werden zu lassen, mit Gastzimmern und Räumen, die man mieten kann, auch für eine eigene Veranstaltung, eine Feier oder für Kurse.
Es finden jetzt schon Kurse aus der Bevölkerung, initiiert durch die IG Zukunft Grießen, statt. Gleichzeitig gibt es große Unterstützung ansässiger Handwerker und aus der Bevölkerung, die mit viel Herzblut dabei sind, es sind bereits über 560 ehrenamtliche Stunden geleistet worden.
Ein ungleich größeres Projekt ist der Pfarrhof. Der Kaufpreis dürfte im sechsstelligen Bereich liegen. Glauben Sie, dass Sie die Kaufsumme mit Genossenschaftsanteilen zusammen bekommen?
Die Genossenschaft hängt stark von der Unterstützung ihrer Mitglieder ab. Wir vertreten somit die Meinung großer Teile der Bevölkerung. Ein deutliches Zeichen setzte ein Klettgauer, der 200.000 Euro, dies ist beglaubigt, in den Pfarrhof investieren wird. Möchten die Klettgauer ihren Pfarrhof retten, bieten wir von der Genossenschaft Klettgeno die Struktur, den Rahmen an, dies zu tun.
Wir haben in unserer Gemeinde circa 5000 Personen, die potenziell als Genosse infrage kommen könnten und vielleicht auch die finanziellen Mittel haben. Würde jeder dieser 5000 Personen im Schnitt einen Anteil kaufen, könnten wir das Projekt sehr gut stemmen.
Aber wir hoffen auch auf weitere Unterstützung aus den anderen Teilen unseres gesellschaftlichen Lebens, aus der Politik in Form von Fördergelder, der Gemeinde, aber auch von der Kirche. Wenn alle diese Gruppen und Organisationen auf Augenhöhe zusammenarbeiten würden, wäre unsere Vorstellung von einem Erhalt des kulturellen Gemeinschaftsortes Pfarrhof schon in naher Zukunft umsetzbar.
Wie laufen die Verhandlungen mit der katholischen Kirche als Eigentümerin?
Die Kirche hat uns die Option eingeräumt, eine Entscheidung bis zum Jahresende zu treffen. Wir haben mit dem Verein eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Hierbei beteiligt sich die Kirche mit dem Bistum Freiburg, der Seelsorgeeinheit Klettgau-Wutöschingen und die Gemeinde Klettgau zu gleichen Teilen an den Kosten.
Das Ergebnis der Umsetzbarkeit hängt mit dieser Studie zusammen und wird in nächster Zeit mit den Beteiligten detailliert besprochen und dann fällt die Entscheidung. Jedoch würden wir gerne in die Gespräche mit dem Rückhalt der Bevölkerung gehen. Unsere Verhandlungsposition wäre deutlich besser, wenn wir über die Absichtserklärungen eine gewisse Summe vorweisen könnten.
Die Sanierung wird sicherlich eine gewaltige Summe verschlingen.
Das ist korrekt, ein jahrzehntelanger Sanierungsstau kann nicht so einfach behoben werden. Jedoch birgt die Pfarrschür auch ein besonderes Potenzial. Als eines der ältesten Gebäude in unserer Gemeinde hat sie geschichtlich einen besonderen Stellenwert und sollte allein schon aus historischer Sicht wieder in eine angemessene Nutzung gebracht werden.
Man sollte sorgsam mit historischen Schätzen umgehen, insbesondere dann, wenn viele Begeisterte aus der Bevölkerung bereit sind, sich dafür einzusetzen. 800 gesammelte Unterschriften sind meines Erachtens ein deutliches Zeichen.
Liegt schon ein Nutzungskonzept vor?
Das Konzept sieht drei Schritte vor. Im ersten Schritt soll im Pfarrhaus ein Quartierscafé und mietbare Räume entstehen, die für Veranstaltungen, Geschäftsideen, Kurse, Seminare, Arbeiten etc. bereitstehen. Für den 26. September laden wir deswegen alle ein, die an solchen Räumen einen konkreten Bedarf haben.
Im zweiten Schritt wird die denkmalgeschützte Zehntschür mithilfe Fördergeldern und Bürgerengagement saniert: Veranstaltungssaal, Probenräume, Teeküche und WCs. Im letzten Schritt gibt es auf dem Grundstück Übernachtungsmöglichkeiten der besonderen Art, zum Beispiel Schlafen im Fass, speziell auf Fahrradtouristen ausgelegt. Im „Waschhüsli“ könnte es einen kleinen Klettgau-Markt geben, mit Produkten aus unserer Region.
Der Pfarrhof ist vermutlich für viele Bürger von großer Bedeutung. Dennoch hegen Viele Zweifel, dass das ambitionierte Projekt für die Genossenschaft finanziell zu stemmen ist. Wie sehen Sie das?
Wir brauchen hier die Unterstützung von allen Seiten. Die Genossenschaft bietet den Rahmen für einen möglichen Kauf. Die finanziellen Mittel werden durch die Genossen zur Verfügung gestellt. Bekommen wir genügend Genossen zusammen, welche für den Gegenwert des Begegnungsortes Pfarrhof bereit sind, Geld zu investieren, halte ich die Umsetzung in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und der Kirche als durchaus machbares Projekt.
Werden Sie von der politischen Gemeinde unterstützt? Wie positioniert sich die Pfarrgemeinde dazu?
Wir bieten der Gemeindeverwaltung immer wieder die offene Hand an, sich bei diesem wunderbaren Projekt zu beteiligen. Jedoch haben wir in diesem Rahmen noch kein konkretes Angebot zur Unterstützung bekommen, weder aus dem Gemeinderat noch aus der Verwaltung. Es war für uns schon ein wichtiger und bedeutsamer Schritt, unser Projekt dem Gemeinderat vorstellen zu dürfen.
Der einstimmig gefasste Beschluss des Gemeinderates bezüglich der Machbarkeitsstudie hat uns positiv bestärkt, die nächsten Schritte anzugehen. Zudem haben wir einige Mitglieder aus der Politik in unserem Verein, die uns tatkräftig unterstützen. Der Kontakt zur Pfarrgemeinde ist ausreichend, könnte aber deutlich besser sein.
Dies ist aber schon von der aktuellen Größe der Seelsorgeeinheit nicht einfach. Durch die Konstellation Klettgau-Wutöschingen, sind natürlich auch die Interessen der Beteiligten sehr unterschiedlich aufgestellt.
Wo und wie können sich Interessierte informieren?
Interessierte können sich auf unserer Homepage informieren. Dort sind auch immer die aktuellen Termine unseres Vereines abgebildet. Es findet am 26. September um 19 Uhr eine Infoveranstaltung zum Thema „Zukunft Pfarrhof“ statt.
Hier sind alle eingeladen, die für ihr Projekt Räumlichkeiten brauchen. Als Ansprechpartner stehen selbstverständlich alle Vorstände des KulturRaum Klettgaus 2022 als auch der Klettgeno zur Verfügung. Die Kontaktdaten sind auf den jeweiligen Homepages zu erfahren: www.kulturraum-klettgau.de oder www.klettgeno.de.