Frau Hartung, wann ist Pilzsaison?
Grundsätzlich wachsen Pilze das ganze Jahr über: Zu den essbaren Arten gehören im Winter beispielsweise Samtfußrüblinge sowie Austern-Seitlinge und im Frühjahr die Morcheln und Maipilze. Im Sommer wachsen unter anderem Sommer-Steinpilze. Pilz-Hauptsaison ist jedoch im Herbst, wenn genügend Feuchtigkeit vorhanden ist. Dann findet man im Wald Maronen-Röhrlinge, Fichten-Steinpilze, Pfifferlinge, Birken-Rotkappen und viele weitere Pilzarten. Damit sie wachsen, braucht es ordentlich Regen, da reichen 20 Liter pro Quadratmeter nicht aus. Und wenn es geregnet hat, dauert es circa vierzehn Tage, bis man etwas sieht.
Und wo im Wald finden Sammler Pilze?
Viele Pilze sind sogenannte Mykorrhiza-Pilze, die eine Symbiose mit Bäumen eingehen. Außer dem Ahorn haben in unserer Region alle Waldbäume einen Pilz als Symbiose-Partner. Daher findet man sie in fast jedem Wald. Beispielsweise wachsen Steinpilze in der Nähe von Eichen und der Birkenpilz bei Birken. Mykorrhiza-Pilze wachsen nicht nur direkt beim Baum, sondern überall dort, wo seine Wurzeln hinreichen, also bis zu zwanzig Meter vom Baum entfernt.
Wie ein Birkenpilz aussieht, erklärt der passionierte Wehrer Pilzsammler Klaus John hier im Video:
Neben den Mykorrhiza-Pilzen gibt es noch die Folgezersetzer wie den violetten Rötelritterling, die auf Laub oder Moos wachsen, und die Parasiten, die kranke Bäume befallen. Einzelne Parasiten sind auch essbar, etwa der Hallimasch. Wer diesen noch nie gegessen hat, sollte zuerst nur eine kleine Portion probieren. Denn wie der Ursprung seines Namens – „Hal im Arsch“ – andeutet, kann der Hallimasch eine stark abführende Wirkung haben (“hal“ bedeutet „schlüpfrig“, Anm. d. Red.).
Ein weiterer außergewöhnlicher Pilz ist der Strubbelkopfröhrling. Auch wenn er schön ausschaut, essen sollte man ihn nicht:
Welches sind denn die häufigsten Pilzarten in unserer Region?
Das ist schwierig zu sagen. In Europa gibt es insgesamt 6000 bis 8000 Großpilzarten, wovon nur circa 120 essbar sind. Unter den Speisepilzen gibt es in unserer Region sehr viele Röhrlinge. Der häufigste Giftpilz ist der Grüne Knollenblätterpilz, der einen gelblich-grünen Hut, weiße Lamellen und einen weißen, leicht genatterten Stil hat. Er ist hochgiftig und greift die Leber an.
Das Perfide ist, dass die Vergiftung zeitversetzt in drei Phasen abläuft. Erst vier bis sechs Stunden nach dem Verzehr setzen Übelkeit, Erbrechen und Durchfall ein. Danach hat man aber zwei bis vier Tage Ruhe, hat keinerlei Symptome. Doch das Gift arbeitet weiter und in der dritten Phase tritt die Gelbsucht ein. Für eine Behandlung ist es dann bereits zu spät. Das Gift hat die Leber inzwischen so stark geschädigt, dass einen nur noch eine Lebertransplantation vor dem Tod retten kann.
Können Laien giftige Pilze erkennen?
Kaum, denn Gift riecht nicht und man schmeckt es in der Regel auch nicht. Ohne Artenkenntnis ist es schwierig, die essbaren Pilze zu erkennen. Wenn man sich unsicher ist, sollte man einen Pilzsachverständigen aufsuchen, der von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie geprüft ist. Allerdings sind bei uns weniger Giftpilze ein Problem, als vielmehr alte und überständige Pilze. Diese lösen eine Eiweiß-Vergiftung aus.
Geprüfte Pilzsachsverständige in Ihrer Region finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Mykologie und unter folgendem Link: Pilzsachverständige finden
Wie schwierig es ist, giftige von ungiftigen Pilzen zu unterscheiden, erklärt Klaus John anhand des Perlpilzes:
Was halten Sie von Handy-Apps, die bei der Pilz-Bestimmung helfen sollen?
Sich nur auf Apps zu verlassen halte ich für sehr unsicher. Laien fällt es oft schwer, Merkmale von Pilzen zu erkennen. Beispielsweise kam kürzlich eine Frau zu mir in die Beratung. Sie hatte einen Karbol-Champignon dabei, den Pilzsachverständige bereits am Geruch erkennen. Dieser giftige Pilz löst Magendarmbeschwerden aus und hat einen tintenähnlichen Geruch. Aber die Frau konnte das einfach nicht riechen.
Wie sollten Pilze gepflückt und gesammelt werden?
Pilze muss man aus dem Boden herausdrehen. Dort, wo der Pilz stand, sollte der Boden mit Moos und Erde bedeckt werden, damit die Pilzwurzeln nicht austrocknen. Ist der Hut des Pilzes weich, sollte er nicht gepflückt werden, da er dann zu alt ist und die Eiweißzersetzung bereits eingesetzt hat. Auch von jungen Pilzen würde ich die Finger lassen, da noch nicht alle Merkmale ausgebildet sind und Verwechslungsgefahr besteht. Zum Sammeln eignen sich Weidekörbe.
In Plastiksäcken schwitzen die Pilze, wodurch die Eiweißzersetzung beschleunigt wird, und in Stoffsäcken werden viele Pilze matschig. Unbekannte Pilze sollten für die Bestimmung getrennt gesammelt werden. Befindet sich etwa ein Grüner Knollenblätterpilz unter den anderen Pilzen, müssen alle Pilze vernichten werden. Es kann immer sein, dass irgendwo ein Stück des giftigen Pilzes haften bleibt, was für eine Vergiftung ausreicht.
Wie lange sind Pilze haltbar?
Gesammelte Pilze sollten noch am selben Tag verarbeitet werden. Gegarte Pilze kann man dann ein bis zwei Tage im Kühlschrank lassen. Danach sollten sie aber gegessen werden.