Die Lichtkegel der Stirnlampen tanzen über die Rebstöcke, während die Erntehelfer die Trauben von den Reben schneiden. „Plong“ macht es, als die gefrorenen Beeren in den Eimern landen. Die Männer und Frauen müssen sich beeilen. Die rund 750 Rebstöcke müssen abgeerntet sein, bevor die Sonne aufgeht und die Temperaturen steigen. Minus 7,9 Grad zeigen die Thermometer an, die einen Meter über dem Boden zwischen den Reben hängen. Minus sieben Grad ist die Mindesttemperatur für Eiswein, der an diesem frühen Morgen in den Reben des Klettgauer Weinguts von Lorenz und Corinna Keller gelesen wird.

„Das Eisweingeschäft ist ein einziges Pokerspiel, bei dem man viel gewinnen, aber auch alles verlieren kann“, sagt der Winzer Lorenz Keller aus Erzingen (Landkreis Waldshut). In diesem Winter hat er das Pokerspiel gewonnen – und das haushoch. 420 Liter Eiswein sind das Ergebnis der frühmorgendlichen Lese in eisiger Kälte und des anschließenden Pressens der gefrorenen Trauben. „Das sind etwas mehr als 1000 Flaschen“, freut sich Keller, der im Vorfeld mit weniger als der Hälfte des Ertrags gerechnet hatte. „Überragend – ich bin mehr als zufrieden“, zeigt sich der Weinbauer im Gespräch euphorisch.

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Lorenz Keller hat damit offenbar als erster Winzer in Baden Eiswein geerntet. Das bestätigte zumindest Peter Wohlfahrt unlängst: „Uns ist kein Weingut bekannt, dem die Eisweinlese geglückt ist,“ sagte er noch vor drei Tagen. Wohlfarth ist Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbands, dessen Anbaugebiete sich im Norden von Tauberfranken, den Oberrhein und Hochrhein entlang bis zum Bodensee erstrecken. In der Regel würden die Winzer eine Meldung an den Verband machen, erläuterte er. Lorenz Keller aus Klettgau im Landkreis Waldshut, dessen Weingut aus historischen Gründen dennoch zum Anbaugebiet Bodensee gehört, war damit bis Mitte dieser Woche noch der Einzige, der sich gemeldet hatte. Doch in der Nacht zum Freitag sackten die Temperaturen auch am Bodensee ab, und der Winzerverein Meersburg konnte ebenfalls eine Eiswein-Lese vermelden: die erste seit 15 Jahren, wie Geschäftsführer Martin Frank erläuterte.

Eiswein erst im dritten Anlauf

Bei Lorenz Keller hatte die Eisweinlese zuvor erst im dritten Anlauf geklappt. „Zweimal habe ich meine Helfer zwischen Weihnachten und Neujahr mit Fehlalarmen drangsaliert“, erzählt Keller. Aber aller guten Dinge sind drei, und in der ersten Woche des neuen Jahres war es dann endlich so weit: „Am Mittwochabend um 22 Uhr gab es einen massiven Temperatursturz“, erinnert sich der Weinbauer. Seine zwölf Helfer standen daraufhin „Gewehr bei Fuß“, wie er sagt. „Morgens um 4 Uhr habe ich sie dann aus dem Bett geklingelt“, so Keller. Innerhalb von viereinhalb Stunden wurden die Trauben gelesen, gepresst und der Traubenmost in 0,375-Liter-Flaschen abgefüllt.

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„Hätte ich die Spätburgundertrauben klassisch gekeltert, hätte es viel mehr Wein gegeben“, erzählt Lorenz Keller. Dazu hätte er die Weinbeeren – knapp 2000 Kilogramm – zur Hauptlese Anfang Oktober geerntet und daraus Rotwein gekeltert. Aufgrund des warmen Sommers kündigte sich jedoch „eine Weinqualität mit einem Spitzenertrag“ an, so Keller. Daraufhin ging der Weingutbesitzer das Risiko ein, einen Teil der Reben – eine Fläche von etwa 15 Ar – stehen zu lassen, um daraus Eiswein zu produzieren.

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Nicht immer geht das Wetter so gnädig mit den Winzern um wie im Weinjahr 2018. „In den vergangenen zwei Jahren ist uns durch Spätfrost im Frühjahr ein Teil der Reben erfroren und wir hatten im Schnitt 50 Prozent weniger Ertrag“, erinnert sich Lorenz Keller und fügt hinzu: „Für uns als Weingut ist es erfreulich, dass wir nun mit der guten Eisweinlese positiv über ein Frostereignis berichten können.“

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