Allein einen Frauenarzt im Kreis Waldshut ans Telefon zu bekommen, ist schon eine Herausforderung. Ständig ist besetzt. Erreicht man jemanden, sieht es für die Patientinnen oft nicht besser aus. Wer schon einen Frauenarzt hat, wartet oft mehrere Monate auf einen Termin. Wer einen neuen Arzt braucht, wird oftmals als Patientin abgewiesen. Die Frauenärzte in der Region scheinen also alles andere als unterbeschäftigt zu sein. Dennoch dürfte sich laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) nur noch „ein halber Frauenarzt“ im Kreis niederlassen. So besagt es die Statistik und damit das Gesetz.

Mit 108,1 Prozent wird die frauenärztliche Versorgung, also ein Verhältnis von Ärzten zur Einwohnerzahl, im Landkreis Waldshut beziffert. Das bedeutet, mit den 21 ansässigen Frauenärzten gibt es acht Prozent mehr als der Region eigentlich zustünden. In anderen Landkreisen sind diese Zahlen noch höher: in Lörrach sind es 113,6 Prozent, im Schwarzwald-Baar-Kreis 126,8 Prozent. „Mit den neuesten Zahlen, also Stand vor neun Wochen, gibt es in Waldshut statistisch gesehen mehr Frauenärzte als vorgesehen“, erklärt Kai Sonntag, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Doch er betont zudem auch: „Das sind statistische Berechnungen, die möglicherweise mit der gefühlten Situation vor Ort nicht übereinstimmen.“

Die gefühlte Situation der Patientinnen ist laut Debora Zöller-Olbei aus Wutöschingen tatsächlich ganz anders. Die Schwangere ist wie einige ihrer Freundinnen, die ebenfalls ein Kind erwarten, Patientin in der gynäkologischen Praxis in Tiengen, die zur Medicum GmbH des Spitals gehört. Beratung, Vorsorgeuntersuchungen, Kontrolltermine – eine aufregende Zeit für die Frauen. „Die Probleme haben angefangen, als eine Ärztin die Praxis verlassen hat“, sagt die 27-Jährige und ergänzt: „Zu meiner Freundin hieß es dann, sie soll sich einen neuen Arzt suchen, aber sie hat nirgends einen gefunden. Weil sie zwei Monate vor der Geburt war, durfte sie dann doch in der Medicum-Praxis bleiben.“

Bei ihr selbst lief es später ähnlich. „Das Personal wurde immer weniger, Termine verschoben und Telefonzeiten eingeschränkt“, beschreibt sie ihre Erfahrung. Ursprünglich sei sie bei Farrokh Farhadian gewesen, er habe dann aber nur zwei Untersuchungen bei ihr vorgenommen, die anderen Termine wurden verschoben oder von Frauenarzt Gottfried Mutzke übernommen. „Irgendwann habe ich mir Sorgen gemacht, weil auch die Helferinnen gesagt haben, sie wissen nicht, wie es weitergeht“, sagt Debora Zöller-Olbei. Also machte auch sie sich auf die Suche nach einem neuen Arzt. Sie habe alle angerufen und überall Absagen kassiert. „Hier im Landkreis hatte ich keine Chance. ‚Wir können doch nicht die ganzen Schwangeren aufnehmen’, solche Sprüche musste ich mir anhören“, sagt sie. Dass die Untersuchungen bei Schwangerschaft zum dringenden Behandlungsbedarf gehören und Praxen damit eigentlich zur Behandlung verpflichtet sind, wie auch KV-Sprecher Kai Sonntag betont, brachte sie ebenfalls nicht weiter.

„Teilweise wurde einfach geantwortet, dass das eben nicht geht und dann aufgelegt“, beschreibt die gelernte Zahnarzthelferin.

Nun hangele sie sich von Termin zu Termin, wie es langfristig weitergeht, wisse sie nicht. Farrokh Farhadian soll sie mittlerweile verlassen haben. Bei der Kassenärztlichen Vereinigung weiß man davon nichts. Es sei nicht bekannt, dass die beiden Ärzte nicht mehr angestellt seien, heißt es. Den Frauen, die auf der Suche nach einem Frauenarzt sind, könne nur empfohlen werden, den Umkreis der Suche zu erweitern, sagt KV-Pressesprecher Kai Sonntag: „Klar, dass das für viele Patientinnen kein Ratschlag ist, den sie gerne hören. Aber wir haben keinen anderen.“

Auch Debora Zöller-Olbei hat eine Notlösung gefunden. Sollte sie hier keinen Termin mehr bekommen, hat sich ein Frauenarzt in Singen bereit erklärt, sie zu behandeln. Dann müsste die 27-Jährige, die im siebten Monat schwanger ist, mehr als 50 Kilometer zur Untersuchung fahren. Für sie sei es eine Frechheit, wie mit den Patientinnen umgegangen werde. Und doch ist ihr wichtig zu betonen: „Die, die noch in der Praxis in Tiengen arbeiten, geben sich wirklich Mühe.“

Auch dass Doktor Mutzke noch ein paar Frauen übernommen habe, sei toll. Dennoch fällt ihr Fazit drastisch aus: „Als Versorgung kann man die Situation hier im Landkreis nicht bezeichnen.“ Die Verantwortlichen des Spitals waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Das Medicum

Die Gesellschaft ist ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Standorten in Waldshut und Tiengen. Zum Medicum gehört neben dem Frauenarzt auch eine radiologische Praxis. Die Ärzte sowie die Mitarbeiter dieser Praxen sind bei der Medicum GmbH angestellt. Die Gesellschaft ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Spitäler Hochrhein GmbH. Zum Medicum gehörte früher auch eine Hals-Nasen-Ohren-Praxis, die nach Ausscheiden des vormaligen HNO-Arztes im Herbst 2015 nicht mehr nachbesetzt wurde, sowie eine hausärztliche und internistische Praxis, die mittlerweile selbstständig in Tiengen betrieben wird. Im Mai vergangenen Jahres wurde bekannt, dass die Gesellschaft aufgelöst werden soll. Von Seiten der Verantwortlichen des Landratsamtes und der Spitäler GmbH war keine Aussage zur Zukunft des Medicums zu erhalten.