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Fasnachtssprüche der Zünfte am Hochrhein und im Südschwarzwald gehören dazu. Doch bei der Übersetzung ins Hochdeutsche* offenbart sich, was Dialektsprecher schon immer wissen: Manches lässt sich auf Alemannisch einfach besser formulieren und klingt auch nur halb so derb.

1. Bad Säckingen

„Früher wurden in Bad Säckingen am Fasnachtssamstag viele Narrensprüchle mit Kindern der Stadt einstudiert und aufgesagt“, sagte der ehemalige Bad Säckinger Zunftmeister Wolfgang Butz vor einiger Zeit.

Narrenzunft Bad Säckingen
Narrenzunft Bad Säckingen | Bild: Archiv

Heute sei dieser Brauch etwas in Vergessenheit geraten. Nur noch in kleinen Runden würden die Sprüche von wenigen Narren aufgesagt werden. Zum Beispiel diese:

Annele,
Susannele,
wie macht mer denn de Käs?
Mer duet en in a Kübeli,
und drucket
en mit em Füdeli,
drum isch de Käs so räs! Narro!

Narri und Narro
schlag Chüchetür zu
es giege drei Esel
und danzet dazue!

‚S goht en Wälder in Garte
und schiesst, putzt‘s Füdle mit Nessle
Ei, ei wie des biesst.

2. Laufenburg

In den beiden Laufenburg, der „minderen“ (deutsche Seite) und der „mehreren“ Stadt (Schweizer Seite), werden beim Narrolaufen am Fasnachtsdienstag Wecken, Würste und Orangen geworfen.

Narro-Alt-Fischerzunft Laufenburg
Narro-Alt-Fischerzunft Laufenburg | Bild: Archiv

Die Narronen laufen rückwärts die Stadt hoch und die Kinderschar folgt. Die dabei gerufenen Fasnachtssprüche nehmen Bezug auf historische Laufenburger Persönlichkeiten, wie den „letzten Salmenfischer“ Götti Rueb und den Metzgermeister Adolf Meyer.

Fahr ufe, fahr abe,
Fahr Laufeburg zue,
Wie tanze die Wälder,
Wie chläppere die Schueh!

Luschtigisch de GöttiRueb
Wenn er Samba tanze tuet!

Luschtigisch de Metzger Meyer
Frisst am Friitig Speck statt Eier!

Es hocke drei Narreuf s‘
HanselisCharre,
Wie lache die Narre,
Narri! Narro!

3. Waldshut

„Hüt goht d‘ Fasnacht a, mit de rote Pfiife!“ ist der bekannte Ruf der Waldshuter Geltentrommler. In dem Rhythmus des Spruchs klopfen die Mehlmasken tragenden Weißhemden auf ihren hölzernen Gelten.

Narro-Zunft Waldshut
Narro-Zunft Waldshut | Bild: Herbst

Über die mit Lumpen-Flicken bekleideten Hansele proklamieren die Geltentrommler: „Blätz am Füdle, Blätz am Loch, Hungerliider sin er doch!“ und schlagen wieder im Sprüchletakt auf die Bottiche. Allgemein handeln die Narrensprüchen von Armut und der Forderung nach Gaben.

Wie machet‘s denn die Wirte?
Die Wirte machet‘s so:
Sie brünsle in ä Fässliie
Und
säget‘s wär vom beschte Wii.
So machet sie‘s!

Wie machet‘s denn die Becke?
Die Becke machet‘s so:
Sie schiißet in ä Ecke
Undsäget‘s wären Wecke.
So machet sie‘s!

Blätz am Füdle, Blätz am Loch
Hungerliidersin er doch!

Wie sich die Sprüche anhören? Hier gibt es ein Video aus Waldshut.

4. Tiengen

Wenn die Surianer in der Innenstadt Guzele verteilen, müssen die Kinder die Narrensprüche bereits aufsagen können. Die früher auch „Bettelsprüche“ genannten Reime werden deshalb zuvor in den Kindergärten und Grundschulen gelehrt.

Narrenzunft Tiengen
Narrenzunft Tiengen | Bild: Archiv

Auf dem Häs der Katzenrölli sind Abbildungen der Narrensprüche zu sehen.

Alte Wieber und Ente
Schnadderedufm See
und wenn mo se will ertränke
dann sind se nieneme.

Mändig, Zieschdig, Mittwoch,de Karli flüegt is Mischtloch,Drei Meter isch er gsunkePfui Teufel, hät de gschtunke.

Buure, Buure,Buure fressed Würschtund wenn sie gnueg gfresse händann lön se große Pfürz.

5. Bonndorf

Die Necksprüche der Bonndorfer Pflumeschlucker nehmen traditionell Bezug auf örtliche Persönlichkeiten.

Pflumeschlucker Bonndorf
Pflumeschlucker Bonndorf | Bild: BERND SCHUMACHER- PHOTODESIGN

So findet sich beispielsweise tatsächlich noch heute die im Narrenspruch erwähnte Bäckerei Jost, die auch in anderen Orten der Region Filialen betreibt, in der Brunnenstraße. In den unterschiedlichen Ortschaften richten sich die neckischen Sprüche an die dortige Prominenz.

Z´Bonndorf in de Brunnestroß,
do wohnt en dicke Beck,
de hängt ´s Fidle zum Fenster us,
mermeint des wären Weck.
Des isch kein Weck, des isch kein Weck, des isch de Arsch
vom Joschde Beck.

Isri Magd un´s Nochbers Magd
die gen mitnandgo seiche
isri macht enKiebl voll,
s´Nochbors anderthalbe.

Die Bolli-Bollizei,
hät ´s Fidle voller Blei,
hät ´s Fidle voller Lumpe,
jetzt ka sie nimmigumpe.

Alles nur Spaß!

Ist man nicht in der Fasnacht beheimatet, können sich die derben Sprüche beleidigend anhören. Doch laut Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), solle niemand durch Fasnachtsprüche beleidigt werden.

Ganz im Gegenteil: „Ein Fasnachtsspruch ist als Gruß gemeint und wird von demjenigen, an den er gerichtet ist, auch als solcher verstanden. Es handelt sich um nette Dialoge, die meistens eher liebevoll gedacht sind“, sagte er vor einiger Zeit. Auch Schimpfwörter aus dem alltäglichen Sprachgebrauch würden nicht als Beleidigung angesehen.

*Anmerkung der Autorin: Wenn man es genau nimmt, werden die Narrensprüche in diesem Artikel nicht ins Hochdeutsche übersetzt, sondern ins Standarddeutsche, umgangssprachlich auch „Schriftsprache“ genannt. Hochdeutsch bezeichnet in der Sprachwissenschaft nämlich eine Gruppe von Mundarten in Mittel- und dem Norden Süddeutschlands. Der Begriff „Hochdeutsch“ wird in diesem Artikel dennoch synonym für „Standarddeutsch“ verwendet: Der Sprachwissenschaftlerin in mir blutet das Herz, aber zugunsten der besseren Verständlichkeit sei diese dialektologische Unschärfe verziehen.