Als Orkan Lothar am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometern pro Stunde über Frankreich, die Schweiz und Südwestdeutschland hinwegfegte, blieben vielerorts die Küchen kalt. Denn der gewaltige Sturm führte zu Stromausfällen wegen zerrissener Leitungen – ausgerechnet zur Mittagszeit, als gekocht wurde.

Todtmoos tagelang ohne Strom

Nicht alle, die davon betroffen waren, hatten das Glück, nach wenigen Stunden wieder Strom aus der Steckdose zu bekommen. Es gab Orte, zum Beispiel in der Gemeinde Todtmoos, wo es mehrere Tage dauerte, bis die Stromversorgung wieder intakt war.

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Das zerstörerische Potenzial von Orkan Lothar zeigte sich aber insbesondere in den regionalen Wäldern. Diese zerlegte er stellenweise derart massiv, dass sie nur noch wie große Mikados aussahen. Die Folgen waren nicht minder dramatisch: Durch die enormen Mengen an Holz, die in der Zeit des Aufräumens auf den Markt kamen, sackte der Holzpreis in den Keller.

Bruch: Beim damaligen Kaufhaus Blum in der Rheinfelder Innenstadt gingen Schaufensterscheiben zu Bruch.
Bruch: Beim damaligen Kaufhaus Blum in der Rheinfelder Innenstadt gingen Schaufensterscheiben zu Bruch. | Bild: Heidemarie Rombach ARCHIV

Die Sägewerke waren komplett ausgelastet, die Holzlager wurden voll und voller. Lothar hatte nach Angaben des Ministeriums für ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Land Baden-Württemberg insgesamt rund 25 Millionen Kubikmeter Schadholz hinterlassen.

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Was Lothar anrichtete und warum die Vorhersage schwierig war

Markus Rothmund, seit 2017 Leiter des Forstbezirks West des Kreisforstamtes, beziffert den Schaden in den Wäldern des Landkreises Waldshut auf circa 736.000 Festmeter (Raummaß für ein Kubikmeter feste Holzmasse). Im Staatswald fielen insgesamt 270.000, im Kommunalwald 245.000 und im Privatwald 221.000 Festmeter Sturmholz an.

Schock: Im Gewann Breitenhaag zwischen Jestetten und Lottstetten begutachten der damalige Jestetter Bürgermeister Alfons Brohammer, ...
Schock: Im Gewann Breitenhaag zwischen Jestetten und Lottstetten begutachten der damalige Jestetter Bürgermeister Alfons Brohammer, Förster Ralf Göhrig und der Büroleiter des ehemaligen Forstamts Jestetten, Walter Ritter (von links) die Schäden. | Bild: Ralf Göhrig

„Die Schadensschwerpunkte lagen damals in den Forstämtern Bad Säckingen mit 160.000 und Stühlingen mit 190.000 Festmetern“, berichtet Rothmund. Zu den am schwersten betroffenen Revieren im Landkreis Waldshut gehörten Berau-Brenden (61.000 Festmeter), Jestetten-Lottstetten, Mettenberg und Ühlingen (je circa 35.500 Festmeter) sowie Rickenbach (33.200 Festmeter).

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Werner Gebhardt erlebte den Orkan Lothar als Rickenbacher Revierförster als „prägendes Ereignis“. Viele Wälder waren lange Zeit unzugänglich, zur gefährlichen Aufarbeitung des Sturmholzes mussten ausländische Holzarbeiter angefordert werden. Und dann ging auch noch der Holzpreis „im wöchentlichen Schnitt um 2 bis 3 D-Mark runter“, so Gebhardt.

Unternehmen aus Belgien hilft beim Aufräumen

Unmittelbar nach dem Orkan mussten die öffentlichen Straßen frei gemacht werden, danach wurden die kleineren Waldflächen aufgearbeitet. Bei Egg, einem Ortsteil von Rickenbach, wo Lothar von Öflingen her kommend die größten Schäden verursachte, waren bis zu 40 Mann von einem belgischen Unternehmen von Mitte Januar bis September 2000 im Einsatz.

Wand voller Baumstämme: Am Energiemuseum in Hottingen wurde das Sturmholz gelagert. Im Vordergrund ist das Auto von Berichterstatter ...
Wand voller Baumstämme: Am Energiemuseum in Hottingen wurde das Sturmholz gelagert. Im Vordergrund ist das Auto von Berichterstatter Peter Schütz zu sehen. Er machte dieses Bild, um die Dimension des Schadens zu zeigen. | Bild: Peter Schütz

Der Staat hielt sich vorerst mit dem Verkauf des Nutzholzes zurück, gab den Besitzern der Privatwälder quasi Vortritt. „Wir deponierten das Holz“, berichtet Werner Gebhardt, „und damit es nicht an Qualität verlor, richteten wir Nasslager ein“. So, wie beim Kraftwerk an der Murg bei Hottingen. Dort war die Zufahrt lange Zeit von haushohen Stapeln gesäumt. Das Holz blieb auch deshalb liegen, weil Hackschnitzelanlagen damals noch nicht angesagt waren.

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In den Jahren nach Orkan Lothar sahen sich die Waldbesitzer mit einem Phänomen konfrontiert, das bis heute große Sorgen bereitet: die Borkenkäferplage. Wobei die Forstexperten nicht unbedingt Lothar die Schuld daran geben. Markus Rothmund: „In den Folgejahren nach Sturm Lothar fielen keine größeren Käferholzmengen an. Erst im Anschluss an das Trockenjahr 2003 kam es zu einem enormen Anstieg von Käferholz. Der Schwerpunkt lag hier in den Jahren 2004 bis 2006.“

Trockenheit begünstigt Vermehrung

Werner Gebhardt sieht es ähnlich: „Käferholz direkt nach Lothar? Nein. Ab 2003 haben wir viel Käferholz gekriegt“, sagt er. Gebhardt weiter: „Natürlich gibt es immer nach einem Sturm Käferholz. Aber es braucht die klimatischen Voraussetzungen wie lang anhaltende Trockenheit, damit es eine Massenvermehrung gibt.“

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