Herr Straub, Tanne und Buche geht es offenbar besser als in den Vorjahren, nur die Kiefer weist einen verschlechterten Kronenzustand auf – woran liegt das und was kann dagegen unternommen werden?
Wenn man den Zustand der Kiefer mit dem der Buche und Tanne vergleichen will, muss man sich vergegenwärtigen, wo wir diese Baumarten finden. Während Buche und Tanne Baumarten der submontanen und montanen Höhenstufe sind, wir sie also vor allem an den Schwarzwaldhängen und seinen Höhenlagen finden, hat die Waldkiefer in Baden-Württemberg ihren Verbreitungsschwerpunkt in der Rheinebene. Gerade in den nordbadischen Hardtwäldern (Rastatt – Mannheim) bildet die Waldkiefer teilweise große Bestände und prägt dort das Landschaftsbild wie bei uns die Buche, Tanne und Fichte. Im Landkreis Waldshut kommt die Kiefer nur in kleinen Beständen, Gruppen oder nur als Einzelbäume vor. Sie spielt in Waldshut also nur eine bescheidene Nebenrolle. In der Rheinebene kommen derzeit mehrere Faktoren zusammen, die der Waldkiefer zunehmend Probleme bereiten.
Klimawandel: Der Klimawandel führt zu messbar höheren Tagestemperaturen und ausgedehnten Trockenperioden. Von ihrer Biologie her kommt die Kiefer sehr gut mit warmer Witterung und Trockenperioden zurecht. Ihre Nadeln sind mit einer starken Wachsschicht umhüllt, die sie vor zu starker Verdunstung schützt, ihre Borke ist im Stammbereich vergleichsweise dick und schichtweise aufgebaut, was sie ebenfalls vor Überhitzung schützt, und sie kann mehrere Meter tief wurzeln, um auch an schwer erreichbares Grundwasser zu gelangen. Allerdings kommen wir in der Rheinebene zunehmend in einen Temperaturbereich, in der selbst die Waldkiefer zu kämpfen hat. Diese kommt also in sogenannten „Trockenstress“ und reagiert darauf unter anderem mit dem Abwurf von Nadeln um die Verdunstung zu klein wie möglich zu halten.
Schädlinge: Vom milder werden Klima profitieren auch Insekten. Die Kiefer hat zum Leidwesen des Försters eine ganze Reihe von Fraßfeinden, die zu besonders schädlichen Massenvermehrungen in der Lage sind. Zu nennen währen hier zum Beispiel der Kiefernspinner, der Kiefernspanner, die Forleule oder die Kiefernbuschhornblattwespe. Neben den Insekten spielt die Kiefern-Mistel eine wichtige Rolle. Die Mistel ist ein sogenannter Halbschmarotzer und profitiert offensichtlich auch von steigenden Temperaturen. Sie betreibt zwar selbst Photosynthese, entzieht ihrem Wirt allerdings Nährstoffe und Wasser. Der Samen wird unter anderem durch die Mistel-Drossel verbreitet und keimt auf lebenden Ästen der Kiefer. Aus dem Samen geht ein Mistelsenker hervor, der in den lebenden Ast einwächst und diesen schwächt. Ein starker Mistelbefall schwächt den Baum derart, dass andere Schadorganismen leichtes Spiel haben und den Baum zum Absterben bringen können.
Grundwasserabsenkung: Die Rheinbegradigung unter Tulla führte zu einer ersten, Absenkung des Grundwasserspiegels. In den letzten Jahrzehnten kam folgende Entwicklung hinzu. Die Hochrheinschiene liegt mittig in der sogenannten „Blauen Banane“ und weist seit Jahren einen hohen Bevölkerungszugang und ein hohes Wirtschaftswachstum auf. Dies korreliert mit einem stark angestiegenen Wasserverbrauch durch die Bevölkerung und die Industrie. Der gestiegene Wasserverbrauch bedingt eine weitere Absenkung des Grundwasserpegels. Ein Wasseranschluss gestaltet sich aus diesen Gründen für die Kiefer zunehmend problematisch.
Eine derart zugespitzt Gemengelage wie bei der Kiefer findet sich weder bei der Buche noch bei der Tanne.
Hat der Klimawandel damit zu tun?
Der Klimawandel hat damit zutun. Die steigenden Temperaturen ziehen eine ganze Reihe von Effekten nach sich, die sich im Falle der Kiefer negativ auf die Vitalität dieser Baumart auswirken. Allerdings handelt es sich hier um eine komplexe Gemengelage, bei der auch der Faktor Mensch nicht zu vernachlässigen ist.
Gibt es regionale Unterschiede, etwa von der Rheinebene zum Schwarzwald?
Der Klimawandel wirkt sich auf alle Regionen des Landes aus. Aus menschlicher Sicht sind seine Effekte natürlich unterschiedlich zu bewerten, je nachdem, wie sich die derzeitige Lage darstellt. In ohnehin warmen Regionen kommen wir mit weiter steigenden Temperaturen in mediterrane Bereiche, in denen wir mit unserem forstlichen Erfahrungswissen nicht mehr auskommen werden. Dies zwingt uns zu einem Umdenken. Stimmen die derzeitigen Prognosen, können wir in den kommenden 100 Jahren in der Rheinebene mit einem Klima ähnlich dem von Norditalien rechnen. Es gilt also, sich an Naturräumen zu orientieren, die heute schon dem entsprechen, was die Klimaszenarien voraussagen. Die bisher kühleren Regionen Baden-Württembergs werden sich auch spürbar erwärmen. Allerdings werden wir kaum norditalienische Verhältnisse erreichen, sodass wir zwar von veränderten Umweltbedingungen ausgehen müssen, wir allerdings nicht den uns bekannten Bereich verlassen werden.
Wie geht es der Esche im Landkreis Waldshut? Gibt es auch bei ihr regionale Unterschiede?
Das sogenannte Eschentriebsterben ist deutschlandweit verbreitet und führt zu einem massiven Rückgang der Esche. Auslöser dieser Krankheit ist das falsche Weiße Stängelbecherchen. Ein Pilz, der zum ersten Mal im Osten Polens entdeckt wurde. Die Eschen im Landkreis Waldshut sind ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen. Wie die Kiefer spielt die Esche im Landkreis aber keine größere Rolle für die hiesigen Forstbetriebe und kommt nur lokal als Einzelbäume oder in kleineren Beständen vor. Problematisch ist das Eschentriebsterben im Kontext mit der Verkehrssicherung zu sehen. Befallene Eschen sterben in der Regel innerhalb weniger Jahre ab und werden zusätzlich von der Wurzel her von einer Stockfäule befallen. Diese bringt die Wurzel zum absterben und macht die stehenden Bäume innerhalb kurzer Zeit instabil. Eschenbestände entlang von öffentlichen Straßen stehen aus diesem Grund unter ständiger Beobachtung.
Die Förster im Kanton Aargau (Schweiz) wünschen sich einen kalten und nassen Sommer, damit sich die Schädlinge nicht ausbreiten können. Das wird aber angesichts des Klimawandels kaum eintreten. Haben auch Sie die Befürchtung, dass Borkenkäfer und Co. den Wäldern mehr als sonst zu schaffen machen?
In den letzten Jahren hatten wir in den Sommermonaten nach anhaltender Trockenheit immer wieder mehr oder weniger niederschlagsreiche Kälteeinbrüche. Die Temperatur-Rückgänge wirken sich immer negativ auf eine Borkenkäferpopulation aus. Zum einen verlangsamt sich die Entwicklung der Käfergenerationen, zum anderen gewinnt die Fichte durch kühlere Temperaturen und Niederschlag an Vitalität. Bei guter Wasserversorgung ist die Fichte durchaus in der Lage, Käferangriffe abzuwehren. Der sich einbohrenden Borkenkäfer wird kurzerhand im Harz ertränkt. Wichtig für uns ist, dass wir die Sturmschäden möglichst rasch beseitigen und das Holz aus dem Wald gefahren wird. Denn auch an der Waldstraße liegendes Holz ist für den Buchdrucker oft noch bruttauglich. Die vielen Einzelwürfe werden mit Sicherheit zu Folgeschäden durch den Buchdrucker führen. Allerdings besteht derzeit kein Grund zur Annahme, dass wir ein besonders ausgeprägtes Käferjahr bekommen werden. Wie sich das Wetter diesen Sommer entwickelt, ist schließlich nicht absehbar.
Es gibt Stellen in Wäldern, in denen immer noch Sturmholz liegt, also Bäume, die von den Stürmen im Januar "gefällt" worden sind. Ist das nicht nachlässig, gerade mit Blick auf Schädlinge?
Derzeit geht das Kreisforstamt von einer Sturmholzmenge von deutlich über 100.000 Festmeter aus. Die Aufarbeitung ist äußerst aufwendig, was an der Art der Schäden liegt. Hatten wir es bei Sturm Lothar vor allem mit großen Flächenwürfen zu tun, haben die Sturmtiefs Burglind und Friederike vermehrt zu kleinflächigen Schäden und Einzelwürfen geführt. Dies macht die Aufarbeitung beziehungsweise Beseitigung der Schäden äußerst aufwendig. Der Grund liegt unter anderem bei der aufwendigen Lokalisation der Schäden. Defacto muss jede Erschließungslinie auf mögliche Sturmschäden überprüft werden. Wie Sie richtig anführen, führt dieser Umstand zu einem erhöhten Risiko, mit in der Folge der Gefahr von Fichtenborkenkäferschäden. Bei der Aufarbeitung wird auch priorisiert. Sofern umgefallene Bäume noch mit der Wurzel Bodenkontakt haben, also wasserversorgt sind, kann die Aufarbeitung zugunsten anderer Bäume zurückgestellt werden. Derzeit sind allerdings schon alle verfügbaren Arbeitskräfte, ob eigene Waldarbeiter oder Lohnunternehmer, im Einsatz, um die Schäden zu beseitigen. Eine rasche Aufarbeitung war bis vor Ostern aufgrund der Schneelage in weiten Teilen nicht möglich. Deswegen werden die Aufräumarbeiten voraussichtlich noch bis Anfang Herbst andauern.
Gibt der Waldzustandsbericht Ihnen Anlass zu einer Reaktion, und wenn ja, welche? Muss etwas in den hiesigen Wäldern geändert werden?
Wälder haben eine herausragende Rolle für die Daseinsvorsorge, daher ist ein intensives Monitoring wichtig. Die Durchführung des nationalen Waldschadens-Monitoring entspricht internationalen Standards und wird jährlich veröffentlicht. Der Waldzustandsbericht spielt also durchaus eine Rolle bei unserer Arbeit. Er zeigt eindeutige, nachprüfbare und baumartenspezifische Entwicklung auf, auf deren Basis sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Wichtig ist die Richtung der langjährig beobachteten Entwicklungen und nicht ein einzelner Jahresbericht, dessen Ergebnisse durch zufällige Ereignisse überlagert werden können.
In den vorangegangen Jahrzehnten fand der sogenannte ökologische Waldumbau statt. Der standortsgerechte Mischwald war das angestrebte Ideal. Standortgerecht bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die an einem bestimmten Ort wachsenden Baumarten gut mit dem vorherrschenden Klima und den Böden zurechtkommen. Viele Wälder, in denen nur wenige oder gar nur eine einzige Baumart vorkam, wurden von der Forstverwaltung und den Waldbesitzern in Jahre langer Arbeit mit heimischen Mischbaumarten wie zum Beispiel der Rotbuche und der Weißtanne angereichert. Auslöser für dieses Vorgehen war unter anderem die Erfahrung, dass Reinbestände sich äußerst anfällig gegenüber biotischen und abiotischen Schäden erwiesen haben und sich teilweise negativ auf das Ökosystem Wald auswirken.
Nachdem wir in den letzten Jahrzehnten den ökologischen Waldumbau weitestgehend abgeschlossen haben, befinden wir nun uns nun in der Phase des klimabedingten Waldumbaus. Ziel ist, nachkommenden Generationen einen möglichst klimastabilen Wald zu hinterlassen. Mit Sicherheit würde die Natur auch einen Weg finden, sich an die Klimaveränderung anzupassen. Das Problem ist, dass der anthropogen verursachte Klimawandel sich so schnell vollzieht, dass natürliche Prozesse wie zum Beispiel das Einwandern neuer Baumarten, schlichtweg viel zu langsam ablaufen. Hier sind die Forstwissenschaft und das Fachpersonal auf der Fläche gefordert, diese Entwicklung ernst zu nehmen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Konkret bedeutet das zum Beispiel das Einbringen klimastabiler Baumarten, frühzeitiger Umbau labiler Bestände oder auch die entsprechende gerichtete Beratung des Privatwaldes.