Im Gewann Wacht an der östlichen Albhalde sieht aus wie auf einem Schlachtfeld. Der schwarze Boden ist zerwühlt. Äste, Zweige, Rindenstücke liegen knöchel- bis knietief umher oder sind zu übermannshohen Scheiterhaufen aufgetürmt. Einzelne Bäume stehen auf der mehrere Fußballfelder großen Fläche, die vor kurzem noch ein Waldstück war, verloren im Wind. Entlang des Wegs liegt Festmeter um Festmeter Fichtenholz, mehrere hundert Kubik. Die bereits einheitlich auf Industrieholzmaß gebrachten Stämme sind stumme Zeugen des auf der Wacht diesen Sommer geführten Kampfs mit dem Borkenkäfer.
Das kaum 5 Millimeter große Insekt hat auch Armin Arzner dieses Jahr bereits hunderte zusätzlicher Arbeitsstunden abverlangt. „Ich war praktisch ständig im Wald„, berichtet der 44-jährige Land- und Forstwirt aus Oberalpfen. Er ist einer von 18.000 Privatwaldbesitzern im Landkreis Waldshut.

Im Unterschied zu den meisten davon leben Arzner und seine Familie vom Wald. Er ist neben Ackerbau und Milchwirtschaft das dritte Standbein des Familienbetriebs. 1000 Festmeter Käferholz hat Arzner dieses Jahr aufarbeiten müssen. Das sei – gerade mit Schutzkleidung in der Sommerhitze – natürlich nicht nur körperlich sondern vor allem auch psychisch sehr anstrengend.
„Bei Sturmholz hat man irgendwann einmal den letzten Baum geschafft. Aber beim Käferholz wurde man dieses Jahr nie fertig.“Armin Arzner, Privatwaldbesitzer
Das lag zu einem Gutteil am milden April. Ab 12 bis 15 Grad fühlt sich der Buchdrucker, wie die häufigste Borkenkäferart genannt wird, wohl im Wald. Sechseinhalb Wochen dauert die Entwicklung vom Ei zum geschlechtsreifen Insekt. In warmen Jahren wie diesem reifen bis zu drei Käfergenerationen heran, im Rheintal waren es 2018 sogar vier. Der Buchdrucker befällt vor allem Fichten, aber auch andere Nadelbäume, in deren Rinde er sich bohrt. Fraß und abgelegte Larven schädigen die Nährstoffbahnen der Bäume. Ein Käferweibchen kann über 100.000 Nachkommen in die Welt setzten. Bei entsprechenden Voraussetzungen – Trockenheit, Hitze und dadurch geschwächte Bäume – können aus einem einzigen Käferbaum bis zum Herbst 400 geworden sein.
Um die Ausbreitung des Schädlings effektiv einzudämmen, müssen die befallenen Bäume möglichst schnell identifiziert und vor dem Ausschwärmen der Käfer dem Wald entnommen werden. Zwar habe die Oberalpfener Revierförsterin alle privaten Waldbesitzer angeschrieben und auf die Borkenkäfergefahr aufmerksam gemacht, sagt Arzner.
Doch viele Kleinwaldbesitzer seien aus Alters- oder Zeitgründen nicht in der Lage, ihren Forst so zu pflegen, wie es nötig ist. Oft wohnten sie auch gar nicht am Ort.
„Wir haben Menschen, die auf einem anderen Kontinent leben, aber über Erbschaft bei uns in Oberalpfen Wald besitzen.“
Armin Arzner
Zwar könne jeder Fremdunternehmen mit dem Durchforsten beauftragen. Doch wegen der infolge des Überangebots an Käferholz stark gefallenen Preise rechne sich das für die Eigentümer nicht. „In Bayern zahlt das Land Geld für die Aufarbeitung von Schadholz. Bei uns kommt das vielleicht 2020, das hätten sie aber ruhig schon jetzt machen können“, schlägt Arzner vor.
Elf Kilometer südwestlich von Oberalpfen und 250 Höhenmeter tiefer liegt Binzgen. Hier und in Grunholz besitzt Herbert Denz 14 Hektar Wald. Er besteht zu 80 Prozent aus Fichte, traditionell Brotbaum der Forstbranche und gleichzeitig Leibspeise des Borkenkäfers. Besonderer Stolz des 76-jährigen Rentners und Nebenerwerbslandwirts waren seine vier Hektar Wald auf dem Gewann Gertschenbühl. „Schauen sie nur, wie es hier ausschaut“, sagt er.

Wie auf der Oberalpfener Wacht hatte sich auch hier der Borkenkäfer breitgemacht und mussten Bäume im großen Stil gefällt werden. Wie Arzner hatte auch Denz seit dem Frühjahr rund 1000 Festmeter Käferholz zu verzeichnen – das aber auf einer kleineren Fläche. Denn je tiefer und südlicher exponiert der Wald ist, umso größer ist auch das Borkenkäfer-Risiko.
Denz hat sich in größerem Umfang Hilfe bei Fremdunternehmen geholt. Die Niederhöfer Firma Baier half ihm die Käferbäume zu fällen, zu entasteten und brachte sie auf die vom Käufer gewünschte Länge. Die Firma Matt aus Hochsal transportierte die Stämme zu den Lagerplätzen und errichtete dort Polder für die Holzaufkäufer.

Das Schwachholz vermarktet Denz über die Forstbetriebsgemeinschaft Vorderer Hotzenwald. Deren Hauptabnehmer in diesem Segment sei die Firma Gutex in Gurtweil, die daraus Holzfaserplatten herstelle. Die Wipfelstücke verkauft Denz selbst. Seine Abnehmerin ist hier die Firma Kammerer aus Niederhof, die daraus Hackgut für Holzschnitzelheizungen macht. Auch um die Vermarktung der Stämme kümmert sich Denz selbst, obwohl er auch dies der Forstbetriebsgemeinschaft überlassen könnte. Die Stämme nimmt ihm das Sägewerk Jehlin aus Hänner ab.
Im Augenblick ist Denz dabei, das Entastholz der gefällten Bäume zusammenzulesen und zu verbrennen. „Allgemein wird im Wald viel zu wenig aufgeräumt“, sagt er. Doch es ist nicht reine Ordnungsliebe, die ihn triebt. „Schauen sie!“, sagt er und zeigt auf den Boden. Überall sprießen dort kleine grüne Nadelpflanzen. „Weißtannen!“ Denz setzt auf seinen leergeräumten Käferholzflächen auf Naturverjüngung.
„Mal sehen, was da wächst. Man weiß eh nicht mehr, was man pflanzen soll.“Herbert Denz, Privatwaldbesitzer
Wegen des erwarteten Klimawandels sehen viele Forstwirte die Fichte als Problembaum und raten, sie durch die Douglasie oder andere Bäume zu ersetzen, die besser mit Hitze und Trockenheit umgehen können.
Markus Jehlin hält nichts von dieser Strategie. Der 44-Jährige betreibt vier Kilometer nördlich von Binzgen in Hänner eines von nur noch vier größeren Sägewerken im Landkreis. Außerdem besitzt er selbst 24 Hektar Wald.

„Fichte. Für mich gibt es nichts anderes. Der Baum wird sich schon akklimatisieren“, widerspricht Jehlin der Auffassung der meisten Forstwirte. Er hält die Fichte für unverzichtbar. Er selber will in seinem Wald die vom Borkenkäfer vernichteten Bestände nachpflanzen.
„Irgendwann wird uns all das Holz, das wir jetzt geschlagen haben, fehlen. Vor allem im Landkreis Waldshut. Das ist das größte Problem, das ich sehe.“Markus Jehlin, Betreiber eines Sägewerks
Völlig unzufrieden ist Jehlin mit der Entwicklung des Preises. Vor der Käferplage habe der bei 90 Euro für den Kubikmeter Fichtenstammholz gelegen, Mitte 2018 seien es noch 60 Euro gewesen und mittlerweile gerade einmal noch 30 Euro. „In Bayern zahlen sie teilweise 25 Euro.“ Von dieser Entwicklung profitierten die Sägereien mitnichten, so Jehlin. Trotz gestiegener Preise für Löhne, Energie und Transport erhalte er jetzt für den Kubikmeter Schnittware 70 bis 80 Euro weniger. So sei der Preis für Kantholz von einst 260 auf jetzt 190 Euro gefallen.
Wie geht es weiter mit der Borkenkäfergefahr? Forstfachleute geben keine Entwarnung. Kommt ein milder Winter und ein warmes Frühjahr, droht 2020 das dritte Käferjahr in Folge.