Borkenkäfergeplagte Privatwaldbesitzer im Landkreis Waldshut dürfen auf Unterstützung hoffen, werden sich aber noch gedulden müssen. So zumindest fällt ein Resümee des Besuchs von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in Ühlingen-Birkendorf aus. Mit Landesforstminister Peter Hauk, den Bundestagsabgeordneten Felix Schreiner (CDU) und Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) sowie der Landtagsabgeordneten Sabine Hartmann-Müller (CDU), Landrat Martin Kistler und Waldshut-Tiengens Oberbürgermeister Philipp Frank hat Kretschmann sich am Dienstag persönlich ein Bild von der verheerenden Borkenkäferplage am Hochrhein gemacht.

Mittlerweile sind im Landkreis Waldshut mehr als eine halbe Million Festmeter an Käferholz angefallen. Der finanzielle Schaden liege laut Landrat Martin Kistler bereits bei 25 Millionen Euro. Viele Privatwaldbesitzer resignieren, da die Aufarbeitungskosten befallener Bäume durch die sinkenden Preise aufgrund des Überangebots nicht mehr vom Verkaufsertrag gedeckt werden. Bei einem groß angelegten Forum soll Anfang September gemeinsam mit sämtlichen Beteiligten über Sofortmaßnahmen und mittelfristige Lösungen zur Bewältigung der Krise beraten werden.

„Das Land wird Sie nicht in der Trockenheit stehen lassen“, versprach Kretschmann. Man müsse schauen, dass man alle Kapazitäten bekommt, um das käferbefallene Holz aus dem Wald herauszubekommen und erarbeiten, wie man den Privatwaldbesitzern helfen kann, sagte der Ministerpräsident und stellte Hilfen von Land und Bund in Aussicht. In Panik und Aktionismus verfallen dürfe man allerdings nicht. „Wir werden uns im Nachgang an die Anregungen vertieft damit beschäftigen“, so Kretschmann. Er wünschte Betroffenen gute Nerven und einen verregneten Sommer – das Wetter, in dem sich der Borkenkäfer am langsamsten vermehrt.

Nerven werden sie wohl auch brauchen, denn trotz des verregneten Ausflugs ist derzeit keine Besserung der Lage in Sicht. Ob bereits in diesem Jahr Soforthilfen ausgezahlt werden können, wisse der zuständige Forstminister Peter Hauk derzeit nicht. In vielen der noch stehenden, befallenen Fichten, aber auch in den noch nicht abtransportierten Holzlagern entwickelt sich derweil die nächste Käfergeneration. „Wir sind schwer dran, die Liquiditätsprobleme in den Griff zu bekommen“, versicherte Hauk. Im Nachgang des Forums am 2. September werde es einen Waldgipfel auf Bundesebene geben. In den Wintermonaten sollen die erarbeiteten Lösungsansätze dann vertieft werden. Auch bei der anschließenden Aufforstung werde man großzügige Unterstützung leisten, so Hauk.
Gemeinsam mit Edgar Probst, einem Privatwaldbesitzer, der an dieser Stelle 40 Prozent seines Waldbestands verloren hat, pflanzten Kretschmann und Hauk im Gewann Erlenberg eine Buche und eine Douglasie, symbolisch für eine schnelle und klimastabile Wiederaufforstung.
An den drei Stationen informierten mehrere Experten über die Ursachen, das Ausmaß und die Folgen der Borkenkäferplage, darunter Borkenkäfermanagerin Elena Kummer, Forstamtsleiter Helge von Gilsa und Norbert Schwarz, Geschäftsführer der Waldgenossenschaft Südschwarzwald.

„Wir sind auf Unterstützung von Land und Bund angewiesen“, sagte Landrat Martin Kistler während der Busfahrt durch die betroffenen Waldgebiete. Nicht nur brauche es Ressourcen und finanzielle Unterstützung, sondern auch Beratung und Betreuung. Es müsse dafür gesorgt werden, dass der Wald klimastabiler wiederaufgebaut wird. Neben dem finanziellen sei auch der ökologische Schaden gewaltig, mahnte der Landrat und ergänzte: „Wir werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir den Wald, wie wir ihn heute haben, verlieren werden. Der Wald, der eigentlich Klimaretter ist, ist das erste Klimaopfer.“

„Wir stehen ein Stück weit mit dem Rücken zur Wand“, beklagte auch Ühlingen-Birkendorfs Bürgermeister Tobias Gantert, als er auf die herbstliche Färbung der Bäume in seiner Gemeinde zeigte. Gerade die kleinteilige Parzellierung von durchschnittlich rund 1,8 Hektar der hier ansässigen rund 700 Privatwaldbesitzer sei eine große Herausforderung. Für die Wiederaufforstung brauche es vor allem entsprechende Beratung, so Gantert.
Fehlende Infrastruktur und die Nähe zur Schweiz machten den Absatz von Holz extrem schwierig, berichtete Norbert Schwarz, Geschäftsführer der Waldgenossenschaft Südschwarzwald. „Wir haben über Jahrzehnte nachhaltig gearbeitet, aber nun müssen wir die Nachhaltigkeit neu erfinden“, so Schwarz. Aufgrund der fehlenden Verarbeitungskapazitäten werde mittlerweile sogar nach Südostasien exportiert. Dennoch könne das Überangebot kaum aufgearbeitet werden. Das schwierige Gelände mache oft Spezialunternehmen notwendig, die fehlende Infrastruktur verschärfe die bereits geringen Transportkapazitäten. Von der Politik forderte er zeitnah klare Zeichen. Privatwaldbesitzer bräuchten gerade jetzt eine Motivation, um weiter gegen den Käferbefall vorzugehen, denn: „Der geregelte Holzmarkt ist am Ende und verzweifelte Waldbauern gehören mittlerweile zu unserem Tagesgeschäft“, sagte Schwarz.

„Wir sind Getriebene und können trotz aller eingeleiteten Maßnahmen leider nur noch zuschauen“, bestätigte Forstamtsleiter Helge von Gilsa. Zwar sei eine Gefährdung durch Stürme und Borkenkäfer im Schwarzwald normal, so etwas wie in diesem Jahr habe man hier aber noch nicht erlebt. Besonders die Hitze und die Trockenheit der vergangenen Jahre seien für die jetzige Situation ursächlich.

Nach Stationen im Bereich Hagnau und Erlenberg endete die Begehung an der Wieleckhütte, wo Professor Konstantin von Teuffel von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg über mögliche Zukunftsszenarien für die Wälder im Land informierte. „Wir haben es mit einer Verschiebung von Wald- und Ökosystemgrenzen zu tun“, erklärte der Experte, der der Fichte in den kommenden Jahrzehnten kaum Überlebenschancen in den heimischen Breiten bescheinigte. Die klimastabile Wiederaufforstung müsse sich deshalb vermehrt auf Mischwälder mit resistenten Arten wie Buchen und Douglasien konzentrieren.

Oberbürgermeister Philipp Frank zeigte sich im Anschluss an den Politiker-Besuch zuversichtlich: „Es ist wichtig, dass der Ministerpräsident da war“, so Frank. Nun sei es wichtig, dass die Politiker auch lieferten und bei den anstehenden Haushaltsberatungen genug Hilfen herauskämen.

Die Waldstruktur
Im Landkreis Waldshut gibt es derzeit rund 56 000 Hektar Waldfläche. Zwei Drittel sind Nadelhölzer, mehr als die Hälfte sind Fichten. Ungefähr 44 Prozent des Waldbestands im Landkreis gehören rund 10 000 Privatwaldbesitzern. Die meisten von ihnen sind derzeit von der Borkenkäferplage betroffen. Der Schädling befällt derzeit vor allem durch die Hitze und die Trockenheit der vergangenen Jahre geschwächte Fichten und zerstört die Nährstoffbahnen unter ihrer Rinde. Das Überangebot an Käferholz, mittlerweile rund eine halbe Million Festmeter im Landkreis, hat den Markt für Fichtenholz praktisch zusammenbrechen lassen. Das Ergebnis: Privatwaldbesitzer können durch den Verkauf des Holzes in den meisten Fällen nicht mehr die Kosten des Einschlags decken.