Wetterextreme, Trockenheit, Schädlinge: Es ist ein regelrechter Dreiklang des Schreckens, der sich aktuell in den Wäldern in Baden-Württemberg Bahn bricht und verheerende Folgen nach sich zieht. Die meisten dieser Faktoren sind auf den Klimawandel zurückzuführen oder sie werden dadurch begünstigt. Und sie haben vor allem eines zur Folge: dringenden Handlungsbedarf, der möglicherweise über Generationen anhält, wie Thomas Emmerich, Leiter des Forstbezirks Südschwarzwald beim Forst BW, sagt.
Der erste Blick täuscht häufig
Nicht zuletzt den einstmals geschlossenen Waldgebieten verdankt der Schwarzwald seinen Namen. „Heute klaffen in den Wäldern große Löcher, wo Bäume eingeschlagen werden mussten oder abgestorben sind“, sagt Emmerich bei einem Vor-Ort-Termin mit unserer Zeitung. In Einzelfällen seien Kahlflächen von 100 Hektar Größe entstanden.
Dass diese verhältnismäßig schnell wieder mit Gras und Sträuchern zuwuchern, vermittle aus der Ferne den Eindruck, als sei die Natur eigentlich intakt und als löse sich das entstandene Problem im Grunde von allein. Aber das täusche. Denn weder sei es im Sinne des Ökosystems eine vorteilhafte Entwicklung, noch sei die aktuelle Entwicklung in irgendeiner Form nachhaltig.
Klima macht Bäume krank

„Es ist eher ein großes Drama, das vor fünf Jahren massiv sichtbar wurde und uns auf unbestimmte Zeit vor Herausforderungen stellen wird.“
Aber was genau ist eigentlich das Problem? Im Grunde laufe es darauf hinaus, dass der vorhandene Baumbestand in den Wäldern mit den klimatischen Veränderungen nicht zurecht komme, bringen es die Experten von Forst BW auf den Punkt. Trockenheit und lange Hitzeperioden machen einheimischen Bäumen zunehmend krank. Sie versetzen das Ökosystem Wald gewissermaßen in eine Form von anhaltenden Stressmodus.
Unmittelbare Folge ist eine stärkere Anfälligkeit für Schädlinge oder auch Bruchgefahr bei extremen Wettereignissen. Besonders deutlich wird die Tragweite alles dessen, was gerade passiert an der Baumart deutlich, die im Schwarzwald am meisten verbreitet ist – die Fichte.
Schicksal der Fichte ist beispielhaft
„Die Fichte ist an sich ein toller Baum, der gerade für private Waldbesitzer viele Vorteile bietet.“ Nicht nur seien die Bäume pflegeleicht und durchsetzungsfähig in der Aufzucht. Wegen der stacheligen Nadeln sind sie relativ sicher vor Wildfraß. Sie gelten als robust und vielseitig einsetzbar – nicht zuletzt im Baubereich.
Gerade die Robustheit habe dazu geführt, dass im Lauf der Jahrzehnte der Fichtenanteil auf 55 Prozent gestiegen sei. Und ohne gezielte Steuerungsmaßnahmen der Forstbeamten in den vergangenen Jahrzehnten wäre dieser Anteil wohl noch deutlich höher.
Doch der Baum mit seinem flachen Wurzelwerk wird gleichzeitig von den inzwischen langfristigen Trockenphasen und der Hitze stark in Mitleidenschaft gezogen. Gerade Schädlingen haben die geschwächten Bäume nicht viel entgegenzusetzen. Das gilt besonders für Borkenkäfer, genauer: den Buchdrucker, der ausschließlich Fichten befällt.
Kleiner Schädling, verheerende Wirkung

Die Käfer nisten sich in der Schicht zwischen Stamm und Rinde ein, fressen und legen ihre Larven. Gesunde Bäume reagierten darauf, indem sie Harz absondern, so Emmerich. Trockenheit und Krankheit führen allerdings dazu, dass die Bäume nicht mehr genügend Reserven dafür mobilisieren könnten und Schädlingsbefall weitgehend schutzlos gegenüberstehen.
Gleichzeitig begünstigen die klimatischen Verhältnisse, vor allem Wärme und Trockenheit die Entwicklungen der Käferpopulationen. „Früher hat sich in einem Sommer eine Käfergeneration entwickelt, inzwischen sind es bis zu drei.“
Daraus resultiert einer geradezu explosionsartige Vermehrung der Schädlinge, denn pro Generation erhöhe sich der Bestand der Tiere um den Faktor 20. Hunderte Millionen Nachkommen kämen somit alle acht Wochen hinzu. Kurz: „Bei Borkenkäferbefall drängt die Zeit“, so Tomas Emmerich.
Da der Einsatz von Lockstoff-Fallen mit der schieren Menge an Schädlingen nicht mithalten könne und der Einsatz von Chemikalien so gering wie möglich gehalten werden solle, bedeutet dies den zügigen Einschlag befallener Bäume und deren Entrindung. Nach wie vor sei dies die effektivste Form der Bestandsbekämpfung.
Aktuell steht Risikostreuung im Fokus

Krankheitserreger, Schädlinge, aber auch die Beschaffenheit der Böden und am langen Ende wiederum das Klima hätten auch dazu geführt, dass bestimmte Baumarten hier nicht heimisch wurden, andere wie die Esche oder die Bergulme bereits wieder am Aussterben sind.
Die Devise für die absehbare Zukunft – darunter verstehen Forstexperten einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten – lautet daher „Risikostreuung“, wie es Thomas Emmerich bezeichnet. Klimastabile Mischwälder seien die wirkungsvollste Antwort auf die aktuellen Herausforderungen. Ziel müsse es sein, den Baumbestand möglichst breit aufzustellen.
Denn auch wenn Prognosen von steigenden Temperaturen ausgehen, könne der Forst BW nur auf Basis der aktuellen Klimabedingungen arbeiten. Dazu gehören auch bisweilen frost- und schneereiche Winter in gewissen Höhenlagen. Derartige Überlegungen müssten auch bei Projekten wie dem SÜDKURIER-Zeitungswald angelegt werden, denn auch die beiden Waldgebiete bei Ühlingen-Birkendorf befinden sich auf einer Höhe von 800 Metern.
Zeit drängt

„Im Grunde experimentieren wir auf Basis der aktuellen Bedingungen in die Breite, in der Hoffnung, dass sich davon etwas dauerhaft etabliert“, fasst es Emmerich zusammen. Erfolg oder Misserfolg des Ganzen zeige sich voraussichtlich erst in einigen Jahrzehnten.
Das ändere aber auch nichts daran, dass jetzt die Zeit drängt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden müssten. Gerade deswegen komme Projekten wie dem „Zeitungswald“ des SÜDKURIER, bei dem 30.000 Bäume gepflanzt werden sollen, eine so wichtige Bedeutung zu. Denn allein könnte der Forst BW die ganzen Maßnahmen gar nicht stemmen, die dringend notwendig seien, daran lässt Emmerich keinen Zweifel.