Wie baut man einen 500 Jahre alten, sanierungsbedürftigen Hof zu einem Zuhause um? Geraldine Ortlieb-Schüle (32) und Patrick Ortlieb (35) leben mit ihren beiden Kindern in einem kleinen Weiler im Osten des Landkreises Waldshut. Auf Instagram nimmt das Paar mehr als 370.000 Menschen in seinen Alltag zwischen Hofsanierung, Familienleben und Landwirtschaft mit.
Der Weg in den Landkreis
Geraldine Ortlieb-Schüle ist in der Nähe von Freiburg ausgewachsen. Durch das Leben in einer Schaustellerfamilie zog es die 32-Jährige bereits mit 17 Jahren hinaus in die Welt auf eine viermonatige Reise alleine nach Indien. Die Lehren dieser und ihrer weiteren Reisen nach Kairo, Palästina, in den Libanon, Istanbul, Mexiko und Costa Rica hält die gelernte Zirkustrainerin in einem Buch fest. Im Alter von 24 Jahren formt sich der Wunsch, anzukommen und gemeinsam mit ihrem Mann Patrick Ortlieb etwas Eigenes aufzubauen.
„Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und ein naturverbundener Mensch“, erzählt Geraldine Ortlieb-Schüle. Das sei ihr besonders während ihres Ethnologie- und Geografiestudiums in Köln bewusst geworden. „Danach hat es mich so dringend raus aufs Land gezogen“, verrät die 32-Jährige.

Eigentlich sei es nicht der Plan gewesen, so weit entfernt von der Familien im Raum Freiburg entfernt zu ziehen, gesteht Gerladine Ortlieb-Schüle. Doch der Hof im Landkreis Waldshut und sein hohes Alter von 500 Jahren hat es dem Paar angetan. Nach langer Suche seien sie über eine Anzeige im Internet auf den Hof aufmerksam geworden. „Die Kriterien waren, dass der Hof so unverbastelt wie möglich ist. Hier herrscht Sanierungsstau seit den 1920ern. Das hat uns begeistert. Die Eichenbalken, die Sandsteinwände, die Natursteinmauern – es gibt so viel, was Substanz hat und uns gefällt“, erzählt Geraldine Ortlieb-Schüle und blickt sich zufrieden um. Den Kaufpreis von rund 200.000 Euro für Hof und Umland habe das Paar zur Hälfte in Eigenleistung und zur Hälfte aus einem Privatkredit gestemmt, wie sie erzählen.

In dem kleinen Weiler, auf dem der Hof liegt, leben zusammengezählt 17 Menschen. Das Einleben sei gerade deshalb gut gelungen, meint Geraldine Ortlieb-Schüle. „Wir sind jetzt fast zwei Jahre da. Wenn man so weit außerhalb wohnt, weiß jeder, dass man aufeinander angewiesen ist. Man hilft einander“, berichtet die gelernte Zirkustrainerin.

Sanierung und Landwirtschaft – man lernt unterwegs
Hilfe bekommt das Paar besonders bei der Sanierung des alten Hofs und bei ihrer kleinen Landwirtschaft von acht Hektar Grünland, Obstbäumen, Schafen und Kühen. „Nur zu zweit würden wir das gar nicht alles schaffen“, räumt Geraldine Schüle ein. Auch, weil die Beiden sich das meiste selbst beibringen. Ob bei der Sanierung oder der Landwirtschaft, das Motto der beiden sei: Machen und unterwegs lernen.

Vorerfahrung hat vor allem Patrick Ortlieb. Er ist gelernter Zimmerer, hat Architektur studiert und ist in der Landwirtschaft aufgewachsen. Gemeinsam hat das Paar bereits ein sanierungsbedürftiges historisches Gebäude ausgebaut. Und auch in der Landwirtschaft würde man mit der Zeit wachsen. „Wir haben mit drei Schafen angefangen. Man lernt dazu und irgendwann fühlt man sich bereit für Kühe“, erzählt Geraldine Ortlieb-Schüle.

Die Landwirtschaft sei auch der Grund dafür, dass der Wohnbereich der jungen Familie noch nicht renoviert sei. „Viele Menschen denken sanieren heißt, dass man sich um schöner wohnen kümmert. Aber wenn man Landwirtschaft hat, geht es erst darum, sich um die Tiere zu kümmern und Infrastruktur zu schaffen“, meint sie.

Vom Handyboykott zur Influencerin
Den Ausbau des Hofs dokumentieren Geraldine Ortlieb-Schüle und Patrick Ortlieb auf ihrem Instagram Account. „Ich hab gemerkt, dass die täglichen Geschichten vom Land spannend sind für die Menschen. Besonders seit dem Umzug auf dem Hof ist der Kanal gewachsen. Jetzt sind wir bei 370.000 Menschen. Das hätten wir beide niemals gedacht“, erzählt Geraldine Ortlieb-Schüle. Seit Kurzem ist das Paar auch auf YouTube vertreten.
Mittlerweile betreiben die beiden ihr Instagram Profil hauptberuflich und finanzieren dadurch die Sanierung des Hofs. „Es ist ein eher neuerer Job und es gibt viele falsche Vorstellungen davon, was der Job bedeutet. Leute im Netz fragen manchmal, was wir denn beruflich machen, während sie eigentlich bei unserer Arbeit zuschauen“, erzählt Geraldine Ortlieb-Schüle. „Wir haben eine Managerin, die unsere Termine koordiniert und die Verhandlungen mit Unternehmen führt. Das ist ein Riesenapparat, der da hintendran steckt, bis man diese paar kurzen Videos hat.“
Zuvor hatte Geraldine Ortlieb-Schüle, wie sie erzählt, auf ihren Reisen nur ein Tastentelefon dabeigehabt und moderne Smartphones und die sozialen Medien boykottiert. „Für mich war das, das echte Leben. Spüren und wirklich präsent sein. Ich habe mir vorgestellt, dass ich das mit einem Smartphone verliere. Und ich hab mir das so doof vorgestellt, wenn man alles googelt und Probleme nicht mehr selber löst“, erzählt sie.

Der Wechsel zur Karriere als Influencerin sei mit der Chance auf die Zusammenarbeit mit einem großen deutschen Verlag für ihr erstes Buch gekommen. „Für die war es obligatorisch, dass man als junge Autorin einen Social-Media-Account hat. Dann hab ich mir ein Smartphone gekauft und Instagram heruntergeladen“, erzählt Geraldine Ortlieb-Schüle weiter. Trotz Boykott hätten die sozialen Medien die junge Buchautorin aber doch schon immer gekitzelt. „Ich bin Geschichtenerzählerin. Ich dachte, wenn ich Social Media hätte, dann hätte ich auch was zu erzählen“, erzählt sie schmunzelnd. Der Sprung über den eigenen Schatten sei aus ihrer heutigen Sicht genau das Richtige gewesen.
Schattenseiten des Berufs
Dennoch sei es teilweise auch herausfordernd, Tausende Menschen tagtägliche Einblicke in das eigene Leben zu geben, berichtet die 32-Jährige. „Man hat nie frei. Man ist nie offline, weil man immer im Hinterkopf mitdenkt. Ich glaube aber, das ist in jeder Selbstständigkeit Thema.“
Auch müsse man laut Geraldine Ortlieb-Schüle lernen, mit negativen Kommentaren umzugehen: „Irgendwann merkt man, dass die Kommentare mehr mit der Person zu tun haben, die sie geschrieben hat als mit unserer Realität. Wenn man das begriffen hat, kann man auch dazu stehen, dass man Fehler macht.“
Der Weg ist das Ziel
Fehler oder ungeplantes wird bei den weiteren Arbeiten rund um den 500 Jahre alten Hof sicher noch auf das Paar zukommen. Geraldine Ortlieb-Schüle und Patrick Ortlieb blicken aber gelassen in die Zukunft: „Wir freuen uns darauf, dass man jeden Tag ein bisschen sieht, wie es weitergeht. Und wir freuen uns, dass einfach der Weg das Ziel ist.“