Die beiden christlichen Kirchen verlieren immer mehr an Zustimmung. Laut Statistik traten im vergangenen Jahr 359.338 aus der katholischen und 280.000 aus der evangelischen Kirche in Deutschland aus. Die Folge ist, dass immer öfter bei Hochzeiten und Bestattungen auf den kirchlichen Segen verzichtet wird.
Simone Schneider aus Eggingen im Wutachtal ist Trauerrednerin und kann aus ihrer Erfahrung sagen, dass der Bedarf an freien Rednern sowohl für Trauerfeiern als auch für Trauungen steigt. Als Konkurrenz zu den christlichen Kirchen sieht sie ihre Tätigkeit aber keinesfalls, eher als Alternative.
Leidenschaft und Empathie
„Leidenschaft und Empathie müssen schon dabei sein, für mich ist es meine Berufung“, erzählt Simone Schneider in ihrem gemütlich eingerichteten Wintergarten. Hier empfängt sie die Angehörigen von Verstorbenen am liebsten.

Die manchmal beklemmende Nähe zum Trauerhaus würde Gespräche hemmen, in ihrem Haus sei jene Distanz vorhanden, bei der sich Menschen öffnen. „Manchmal wird auch gelacht, weil sich die Angehörigen an schöne Momente oder originelle Geschichten mit dem Verstorbenen erinnern“, erzählt die Trauerrednerin. Sie erlebe immer wieder „spezielle Momente“.
Der Umgang mit Menschen liege ihr. Erst kümmerte sie sich als Erzieherin in Kindergräten um die Kleinsten, später begleitete sie Trauernde nach Verlusten. Ein Zufall brachte sie auf die Idee, Trauerrednerin zu werden. Ihr Mann wurde von einer Bekannten angesprochen, ob seine Frau auch Trauerrednerin sei. Ein Aufkleber auf dem Wagen wies darauf hin, dass Simone Schneider Trauerbegleiterin ist.
Das war für sie vor gut eineinhalb Jahren der Impuls für ihre heutige Tätigkeit. Seither begleitet sie Menschen nicht nur bei Trauerfällen, sie gestaltet mit viel „Fingerspitzengefühl“ auch die Beisetzung inklusive individueller Rede am Grab.
Online-Kurs bei einer Akademie
Bevor sie ihre Dienste als Trauerrednerin anbot, belegte sie einen mehrwöchigen Online-Kurs bei einer Akademie. Leiterin war eine Rednerin, die am Bodensee lebt und arbeitet. „Eigentlich kann diese Tätigkeit jeder machen, allerdings scheuen sich viele vor dem Thema Tod, es wird oft verdrängt“, sagt Simone Schneider. Bis vor einigen Jahren war der Gang zu einer Beerdigung auch für sie „ganz schlimm“.
Inzwischen habe sich ihre Sicht darauf völlig verändert. Einfühlsam, verständnisvoll und zurückhaltend müsse ein Trauerredner sein. Schon während ihrer Ausbildung kamen die ersten Anfragen. Mit den inzwischen gemachten Erfahrungen sagt sie, dass sie lieber Reden bei Trauerfeiern als bei Hochzeiten hält. Kollegen sähen das ähnlich. Trauerreden hätten „mehr Tiefgang“.
Kontakt über Bestatter
Der Kontakt zu ihr läuft meist über Bestatter, die sie vermitteln. Freie Trauerfeiern werden meist von Familien nachgefragt, die mit den Formalien von christlichen Beisetzungen nichts anfangen können. „Sie schätzen, dass freie Trauerfeiern individueller sind, weil die Einzigartigkeit dieses Menschen im Vordergrund steht.“
Ihr gehe es aber auch darum, zu vermitteln, dankbar zu sein, den Verstorbenen eine Zeitlang in seinem Kreis gehabt zu haben. Eine Beerdigung sei deshalb nicht nur ein trauriger Moment, sie sei ein letztes, stilles Fest. In diesem Bewusstsein, mache das den Trauerprozess manchmal einfacher.
Simone Schneider erzählt von ihrer ersten Trauerrede, die sie an ihre Lehrgangsleiterin zur Korrektur geschickt habe. Die Verbesserungen habe sie ignoriert, weil sie sich darin nicht wiederfand. „Man muss bei dieser Aufgabe authentisch sein. Um die richtigen Worte zu finden, braucht es oft viele Stunden, abends bin ich am Kreativsten“, erzählt sie.
Über die Kosten für ihre Dienste mag sie nicht reden, sie berichtet allerdings, dass ihre Aufgaben sehr zeitintensiv sind. Bei ihr gebe es zum Beispiel zusätzlich eine Erinnerungsmappe mit der Trauerrede. Und sie betont, dass Geld bei diesem Angebot „zweitrangig“ sein müsse. Künftig möchte sie mit einem Hospizdienst kooperieren, das stecke allerdings noch in den Anfängen.
Das sagen Pfarrer zu Trauerrednern
David Brunner, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Wutachtal, sieht in Trauerrednern keine Konkurrenz zur evangelischen Kirche „da sie eine andere Zielgruppe adressieren.“ In den meisten Fällen würden Trauerredner von Angehörigen aufgesucht, die nicht (mehr) in der Kirche sind. „Das ist die logische Weiterentwicklung dessen, dass die evangelische Kirche nicht mehr das Standing bei den Menschen hat, wie sie es einmal hatte.“
Der Pfarrer habe guten Kontakt zu einer Trauerrednerin, von der er glaubt, dass sie „hervorragende Arbeit“ macht. Ein wesentlicher Punkt für die gestiegene Nachfrage nach freien Trauerfeiern „sind natürlich die Kirchenaustritte“. Darüber hinaus glaube er nicht an eine Abnahme der Religiosität in unserer Gesellschaft: „Menschen sind auf der Suche nach Antworten auf die letzten Dinge oder das Übernatürliche“, gleichzeitig jedoch sei eine immer größere Distanz zur institutionalisierten Religion wahrzunehmen.
Er ist aber der festen Überzeugung, dass der christliche Glaube gerade im Angesicht des Todes Antworten auf Fragen gibt wie „Was ist nach dem Tod?“, „Gibt es Himmel und Hölle?“ oder „Gibt es ein Leben nach dem Tod?“, denn er stehe und falle mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Auferstandenen, der den Tod besiegt hat. „Das ist ein Trost, der in freien Trauerfeiern nicht zum Ausdruck kommen kann.“
Pfarrer Veit Rutkowski von der katholischen Seelsorgeeinheit Klettgau-Wutöschingen kennt freie Trauerredner aus seiner Zeit in Mannheim. In dieser Stadt leben viele Kulturen und Religionen nebeneinander, da seien solche Angebote nichts Außergewöhnliches gewesen. Er habe sehr gute Erfahrungen mit ihnen gemacht und Trauerredner hätten eine Berechtigung in unserer Gesellschaft. „Ich habe freie Redner in der Trauerhalle getroffen und viele nette, sympathische Menschen kennengelernt.“
Es gebe Menschen, die die katholische Liturgie eben nicht haben möchten. Die Zusammenarbeit mit den Trauerrednern bezeichnet Veit Rutkowski als kooperativ. Freie Redner stellten bei einer Beisetzung den Verstorbenen und sein Leben in den Mittelpunkt ohne die Verbindung zu Gott und die Wiederauferstehung Jesu einzubeziehen, sagen Veit Rutkowski und Frank Malzacher, Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Klettgau-Wutöschingen.
Sie sehen die katholische Kirche in einer Vertrauenskrise, wie es sie in der Kirchengeschichte immer wieder gegeben habe. „Schönrederei ist bei diesem Thema heute aber nicht möglich“, betont Veit Rutkowski. Deshalb böten sich die Dienste von Trauerrednern an: „Eine würdevolle Rede ist besser als nichts zu sagen!“