Rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland sind an einer Demenz erkrankt, davon zwei Drittel an Alzheimer. Etwa 215.000 Menschen mit Demenz leben in Baden-Württemberg, diese Zahlen veröffentlicht die Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e.V. auf ihrer Internetseite.
Es gibt inzwischen vielen Angebote, sich über diese Krankheit zu informieren, eines, das sich am Hochrhein zu etablieren beginnt, ist „Friedas Gartencafé“ nach Aussage der Organisatoren eine „lokale Allianz für Menschen mit Demenz“. Träger des Projekts sind die evangelischen Kirchengemeinden Kadelburg und Klettgau.
Erfahrungsaustausch für Angehörige
Seit Beginn des Jahres 2023 gibt es diesen offenen Treff für Betroffene und pflegende Angehörige auch im Awo-Seniorenzentrum Sonnengarten in Wutöschingen und im Haus am Vitibuck der Diakonischen Dienste Hochrhein in Waldshut-Tiengen. Die Leiterinnen Martina Meier (Wutöschingen) und Anna Offermann-de Boor sprechen über ihre Erfahrungen.
„In der Gesellschaft existiert leider immer noch Unsicherheit im Umgang mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind“, berichtet die Leiterin des Haus am Vitibuck. Diesen Eindruck kann ihre Kollegin nur bestätigen: „70 Prozent der Pflege werden von Angehörigen zu Hause geleistet, die sind am Anschlag“.
Hemmschwelle ist noch immer hoch
Für sie soll „Friedas Café“ ein Ort zum Durchatmen, zur Pflege sozialer Kontakte und zum Austausch von Erfahrungen sein, erklären die beide Einrichtungsleiterinnen. Beide haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass die Eingangstür zur Pflegeeinrichtung für Menschen aus der Stadt oder der Gemeinde immer noch eine Hemmschwelle ist.
Weil Martina Meier mit Bewohnern ihrer Einrichtung schon in Waldshut in „Friedas Café“ war, kam die Anfrage von Miteinander Hochrhein, in Wutöschingen zum richtigen Zeitpunkt: „Wir waren sofort Feuer und Flamme hier etwas anzubieten.“
Anna Offermann-de Boor saß mit dem damaligen Oberbürgermeister Philipp Frank, Silke Padova, Leiterin des städtischen Kinder- und Jugendreferates, und Fridrich Schüle von der Initiative Miteinander Hochrhein zusammen: „Wir wollten für dieses Quartier in Tiengen etwas tun, um es bekannter zu machen.“
Erfahrungen mit dem Angebot
Organisiert wird „Friedas Gartencafé“ in Tiengen von Agnieszka Daszuta (Betreuungsteam). „Man muss den Umgang mit Demenzkranken üben“, das Café biete dafür eine ungezwungene Plattform. Menschen, die zu diesem Treffen kommen, seien neugierig und interessiert.
Martina Meier sieht noch Aufklärungsbedarf, denn bisher wird „Friedas Café“ in Wutöschingen nicht so angenommen, wie sie sich das erhofft hatte. Bei Kaffee und Kuchen in gemütlicher, fast familiärer Atmosphäre könnten sich pflegende Angehörige und Betroffene ungezwungen austauschen.
„Keiner zerreißt sich den Mund, keiner schaut komisch, selbst wenn schwerstpflegebedürftige oder Demenzkranke dabei sind. Jeder darf kommen – ob betroffen oder nicht.“ Manchmal wird auch gemeinsam gesungen, an anderen Tischen wird gespielt oder einfach erzählt oder Erfahrungen ausgetauscht, sagt Agnieszka Daszuta. Und sie betont: „Hier sehen die Leute, dass es in Ordnung ist, wenn nicht alles perfekt ist.“
Hürden überwinden
Anna Offermann-de Boor weiß, dass es gerade für Menschen außerhalb der Pflegeeinrichtung Hürden gibt, die überwunden werden müssen. Die Angehörigen würden spüren, dass beim Partner oder einem Familienangehörigen etwas nicht mehr so funktioniert wie bisher. „Daraus entwickelt sich ein Schamgefühl, genau dann muss man offen miteinander sprechen.“
Das sieht Martina Meier genauso: „Scham ist ein Riesending, die Hürden sind die Menschen dabei selbst. Besonders im ländlichen Raum ist das Thema Pflegebedürftigkeit noch immer ein Tabu. Kann man sich so zeigen – mit diesen Gebrechen?“ Der offene Treff für Menschen mit und ohne Demenz sei eine gute Gelegenheit, loszulassen und sich in einer entspannten Atmosphäre auszutauschen.
Ehrenamtliche ermöglichen das Angebot
Begeistert sind die Leiterinnen der beiden Einrichtungen, dass es gelungen sei, Ehrenamtliche dafür zu begeistern, die Sonntagsnachmittage in „Friedas Café“ mitzugestalten. Die evangelische Kirche, der Awo-Ortsverein Wutöschingen und das Team der Ehrenamtlichen seinen eine starke Gemeinschaft, sagt Martina Meier. Auch in Tiengen habe sich ein Team gefunden: „Aber wir können noch Unterstützung brauchen“, sagt Anna Offermann-de Boor.

Auch im Jahr 2024 wollen beide Pflegeeinrichtungen Termine für „Friedas Café“ reservieren. Im Haus am Vitibuck will man „vor die Tür gehen“, damit erkannt wird, dass hier etwas stattfindet. „Wir wollen mit diesem Angebot bekannter werden und dazu einladen, Demenz aus dem Blickwinkel der Zuversicht zu betrachten“, betont die Leiterin des Pflegeheims in Tiengen.
Damit möchte man zudem Menschen ansprechen, die kaum noch soziale Kontakte haben. Hier könnten sie mit anderen Leuten ins Gespräch kommen.
„Einfach vorbeikommen“
Martina Meier glaubt, dass es „einen langen Atem braucht“, um die Hemmschwellen abzubauen. Sie möchte verstärkt in der Tageszeitung auf das Angebot aufmerksam machen, Kontakte zu Ärzten und dem Pflegestützpunkt suchen und mit einem Kuchenverkauf auf diese Initiative aufmerksam machen. Sie macht allen Mut, ihre Vorbehalte abzulegen: „Einfach vorbeikommen – jeder ist sehr herzlich eingeladen und der Kuchen ist immer selbstgebacken.“