Es ist der Super-Gau für die Stromnetzbetreiber: Ein flächendeckender Stromausfall, der auch das Kraftwerksnetz zusammenbrechen lässt. Die Ursachen für einen solchen Blackout können vielfältig sein: Wetter- oder Naturkatastrophen, Hackerangriffe oder technische Defekte.
In Computermodellen wird der Netzausfall bei den Stromversorgern zwar immer wieder simuliert – die Möglichkeiten auszuprobieren, wie das Stromnetz im Ernstfall tatsächlich wieder hochgefahren werden kann, gibt es aber nur selten.
Die Annahme: Stromausfall in ganz Süddeutschland
Die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW haben nun gemeinsam mit der Schluchseewerk AG den Netzwiederaufbau des Stromnetzes in Süddeutschland praktisch geprobt.
In dem Versuch Ende April testeten die Unternehmen ihre Konzepte dafür, nach einem Netzzusammenbruch die Stromversorgung in Süddeutschland wiederherzustellen. Und das nicht als Simulation im Computermodell, sondern sozusagen im Echtbetrieb.
Die fünf Kraftwerke der Schluchseewerk AG waren dafür für einen Tag vom Stromnetz getrennt – und damit auch rund 800 Kilometer des Stromnetzes. Die Verbraucher haben davon nichts mitbekommen, der Test lief völlig geräuschlos parallel zum weiter bestehenden Netzbetrieb.
Die Übertragungsnetzbetreiber haben in dem Test zwei so genannte Hochfahrnetze in Deutschland aufgebaut und diese anschließend zusammengeschaltet, die die technische Grundlage dafür sind, die Versorgung nach einem Netzzusammenbruch wiederherzustellen.
Den Strom dafür lieferten die fünf Pumpspeicherwerke der Schluchseewerk AG. Mit den insgesamt 20 Maschinensätzen stellt das Unternehmen eine maximale Leistung von 1836 MW im Turbinenbetrieb bereit.
Netzbetreiber mit positivem Fazit
„Der erfolgreiche Praxistest ist ein echter Meilenstein für unsere systemrelevante Infrastruktur“, sagte Hendrik Neumann, Technischer Direktor bei Amprion.
Der Versuch zeige, dass die Modelle und Notfallpläne der Netzbetreiber den anspruchsvollen technischen Anforderungen gewachsen seien. „Der Test belegt auch, dass wir im komplexen System des europäischen Übertragungsnetzes effektiv zusammenarbeiten und auf kritische Situationen wie den Netzwiederaufbau vorbereitet sind.“
„Obwohl ein großflächiger Ausfall der Stromübertragungsnetze äußerst unwahrscheinlich ist, ist es Teil unserer Verantwortung, uns darauf vorzubereiten“, stellt Michael Jesberger, technischer Direktor der Transnet-BW, fest. Bei diesem Praxistest konnten die Unternehmen unter realen Bedingungen ihr Vorgehen erproben. „Beide Übertragungsnetzbetreiber
haben einen Teil des Netzes aus dem Verbundnetz herausgelöst, komplett heruntergefahren und erfolgreich von null wieder aufgebaut“, so Jesberger.
Ein Test in drei Schritten
Der Praxistest fand in drei Phasen statt. Nachdem ein Teil des Netzes komplett heruntergefahren wurde, starteten die Pumpspeicher der Schluchseewerk AG den Wiederaufbau, indem sie aus eigener Kraft hochfuhren.
Als schwarzstartfähige Kraftwerke garantieren sie den Übertragungsnetzbetreibern TransnetBW und Amprion, dass sie im Fall eines Netzzusammenbruchs Energie liefern können. „Der Praxistest verdeutlicht einmal mehr die Systemrelevanz von Pumpspeicherkraftwerken, die schnell und in großen Mengen Strom bei Bedarf ins Netz leiten oder – bei Überschuss – aus dem Netz ziehen können“, betont Schluchseewerk-Vorstand Nicolaus Römer.
Peter Steinbeck, Pressesprecher des Unternehmens, ergänzt: „Das Kavernenkraftwerk in Wehr ist auch bei Computersimulationen immer wieder ein wichtiges Herzstück beim Wiederhochfahren des Stromnetzes.“
Auch die Wissenschaft nutzt die Erkenntnisse des Tests
Der Aufbau des Versuchs unter der Projektleitung von Amprion erstreckte sich – auch bedingt durch die Corona-Pandemie – über vier Jahre. Die Unternehmen wurden dabei vom Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiemanagement der TU Kaiserslautern unterstützt.
Dabei war die intensive Abstimmung zu technischen und organisatorischen Fragen zwischen den beteiligten Häusern nur ein Teil der Arbeit. Zusätzlich waren Verteilnetzbetreiber und andere Netznutzer in die Vorbereitung eingebunden, damit der Praxistest die Versorgung an keiner Stelle einschränkte. Darüber hinaus bereiteten die Netzbetreiber auch eine intensive analytische Begleitung des Hochfahrnetzes vor.
Die Möglichkeit, ein Hochfahrnetz zu erproben, eröffnete auch die Chance, entsprechend aufwendige Messungen in einem solchen Netz zu machen. So sammelten die Unternehmen in allen Teilen des Netzes Daten, die nun gemeinsam mit dem Lehrstuhl Elektrische Energiesysteme der Universität Duisburg-Essen analysiert und aufbereitet werden.