Heiße Sommer, nasse Winter: Der Klimawandel wird auch für die Hochrhein-Fußballclubs zur Herausforderung. Daher setzen sie immer mehr auf Kunstrasenplätze. Umweltfrevel oder Segen? Inflationär oder angemessen? Am Kunstrasen scheiden sich die Geister. Alle Infos zum Thema in zehn Fragen und Antworten.
1. Wie viele Kunstrasenplätze gibt es im Kreis Waldshut aktuell?
Der Liste des Badischen Sportbunds Freiburg (BSB) nach sind es im Kreis Waldshut aktuell 32.
2. Wann hat das mit Kunstrasenplätzen eigentlich begonnen?
„Die gibt es teils schon ewig, oben auf der Baar im Schwarzwald zum Beispiel“, sagt Beatrix Vogt-Römer, beim BSB für den Sportstättenbau zuständig. Richtig losgegangen sei es um 2000, weiß sie. Manche Vereine hätten damals ihre nicht mehr gefragten Hartplätze in Kunstrasenplätze umgewandelt.
3. Täuscht es oder sind es in der jüngsten Zeit viel mehr geworden?
Laut BSB-Liste stammen die ältesten Anlagen im Kreis Waldshut von 2008 und die Baujahre verteilen sich relativ gleichmäßig auf die Jahre danach. Die jüngsten Anlagen wurden 2023 in Stühlingen und Görwihl verwirklicht. In Stühlingen bekam der FC Weizen einen Kunstrasenplatz, in Görwihl der Verein Eintracht Wihl.
4. Welche Projekte laufen aktuell?
Aktuell laufen Arbeiten zum Bau von Kunstrasenplätzen in Ühlingen-Birkendorf, wo der SV Berau Bauherr ist. Auch die Gemeinden Murg, Küssaberg und Wehr investieren als Bauherren gerade in den Neubau und die Sanierung von Kunstrasenplätzen. Murg-Niederhof und Küssaberg wandeln Rasenplätze aus den 70ern in Kunstrasenvarianten um. In Wehr wird der Kunstrasenplatz neben dem Frankenmattstadion 15 Jahre nach Bau saniert, für 305.000 Euro.
5. Wie werden Kunstrasenplätze begründet?
Größter Verein im Dorf mit vielen Kindern und Jugendlichen – klassisch das Hauptargument pro Kunstrasenplatz. Ohne drohe die Gefahr, dass Eltern den Kickernachwuchs ab- und im Nachbarverein anmelden, sofern der schon über einen Kunstrasenplatz verfügt, wird argumentiert. Kunstrasen sei heute einfach Standard, gerade bei der Jugend.
6. Wie viel kosten neue Kunstrasenplätze?
„Zwischen 500 000 und einer Million Euro, das hängt vom Untergrund und von der Qualität des verwendeten Materials ab“, so Vogt-Römer. Mit 470 000 Euro rangiert der Platz des SV Berau noch unter günstig. In Murg wird es laut Bauamtsleiter Karlheinz Peter rund 900 000 Euro teuer. Für Küssaberg gibt Bürgermeister Manfred Weber die Gesamtkosten mit voraussichtlich 850 000 Euro an. In Murg und Küssaberg sind in die Kosten auch noch LED-Flutlichtanlagen einberechnet.

7. Und wer trägt die Kosten?
Sind die Vereine selbst Bauherren, können sie beim BSB einen Zuschuss beantragen, 30 Prozent der Gesamtkosten, aber höchstens 120 000 Euro. Der Fonds stammt überwiegend aus Toto-Lotto-Wettgeld. In aller Regel schießen dann die Standortgemeinden weiteres Geld zu – Ühlingen-Birkendorf für Berau etwa 90000 Euro. Nur 10 000 Euro hätte das kleine und eher finanzschwache Wutach lockergemacht, wo der SV Ewattingen auch einen Kunstrasenplatz will, mit dem geringen kommunalen Zuschuss das mehr als 500.000 Euro teure Projekt aber wohl begraben muss.
Sind die Gemeinden selbst Bauherren, bekommen sie Fördergeld vom Land, aus der Kommunalen Sportförderung, Steuergeld. Auch hier liegt der Höchstanteil bei 120 000 Euro. Aber auch hier tragen die Gemeinden nicht sämtliche Kosten, sondern nehmen die nutznießenden Vereine finanziell mit in die Pflicht. Die stemmen ihre Anteile via Sponsoring, Eigenleistungen, Erspartes und Kredite. Oft dient ein symbolischer Parzellenverkauf, Bandenwerbung und anderes Marketing dazu, Einnahmen zu erzielen. Der SC Niederhof/Binzgen, der den neuen Kunstrasenplatz in Murg bespielen wird, hat beispielsweise schon 200 000 Spenden gesammelt, und das binnen sechs Monaten, wie Co-Vorsitzende Jenniffer Eckert mitteilt.
8. Wie lange sind Plätze haltbar?
Auf im Schnitt 15 Jahre beziffert Vogt-Römer ihre Lebensdauer. Somit läge die Anlage in Wehr im Trend. Eine Teilsanierung der Plätze in Waldshut, Tiengen und Eschbach war indes schon sieben und acht Jahre nach Bau erforderlich. Dort hatte sich das Granulat verklebt und überraschend schnell verflüchtigt, aber nicht schnell genug, als dass die Gewährleistung noch gegolten hätte. 130 000 Euro wurden 2022 berappt, das Granulat wieder aufzufüllen.
9. Was sind die heutigen Standards an die Plätze?
In den Anfangsjahren bestand das Granulat oft noch aus geschredderten Autoreifen oder anderem Kunststoff mit hohen Anteilen an Mikro- und Nanoplastik, das mit den Kickschuhen in die Umwelt gelangte. Inzwischen sind Kork und Quarzsand Standard und zwingend, um Zuschüsse zu bekommen, weil wohl nachhaltiger und umweltschonender.
10. Was ist besser, Naturrasen oder Kunstrasen?
Als großes Plus von Kunstrasen gilt seine ganzjährige Bespielbarkeit. Regengüsse oder Schneefall machten ihm nichts aus, heißt es. Das beschert den Vereinen Sicherheit für Training und Spiele. Sie müssen beim Bau zwar viel Geld aufbringen, sparen dann aber bei Unterhalt und Pflege. Beides ist beim Naturrasen hoch. Er braucht Wasser, gerade in den zunehmend heißeren Sommern, Spritzmittel und Dünger, muss gemäht und vertikutiert werden. Aber Stichwort heiße Sommer: Zunehmend werden auch Kunstrasenplätze bewässert, um die bis auf 70 Grad aufgeheizten Plastikhalme auf ein erträgliches Maß abzukühlen. Bei der Entsorgung punktet der Naturrasen, der als Grüngut gilt, während der Kunstrasen in die Müllverbrennung oder ins Recycling muss und so auch am Ende seiner Lebenszeit nochmals Kosten verursacht.