Die seit Mitte Dezember geltenden Lockdown-Bestimmungen machen Handel und Gewerbe in der Region massiv zu schaffen. Daran ändern auch die Lockerungen wenig, die es Kunden ermöglichen, Waren vorzubestellen und abholen zu lassen. Denn, dieses Angebot sei zwar „besser als nichts“, aber bei weitem kein vollwertiger Ersatz für den Normalbetrieb, wie Händler aus Waldshut und Bad Säckingen übereinstimmend darstellen. Aktuell sei die Stimmung in der Region nach Einschätzung der IHK Hochrhein-Bodensee „gedämpft, nicht selten nachgerade verzweifelt“ – und dennoch gebe es berechtigte Gründe zur Hoffnung.
Massive Einbrüche im Weihnachtsgeschäft
War der sogenannte „Lockdown-Light“ mit der Schließung der Gastronomie ab Anfang November bereits mit herben Einschnitten Einzelhandel einhergegangen, so hat sich die Lage mit dem Komplett-Lockdown mitten im Weihnachtsgeschäft erheblich zugespitzt. In diesem Punkt sind sich Vertreter des Werbe- und Förderungskreises Waldshut, des Stadtmarketingvereins Pro Bad Säckingen und der IHK Hochrhein-Bodensee einig.
Durchschnittlich mache das Weihnachtsgeschäft über 20 Prozent des Jahresumsatzes im Einzelhandel aus, rechnet IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx vor. Aufgrund der Ausfälle, die in vielen Fällen zu einem satten Negativergebnis geführt hätten, stünden vor allem kleinere Unternehmen „am Rande ihrer Leistungsfähigkeit“. Dass es bislang noch nicht deutlich mehr Insolvenzen gegeben habe, erklärt sich Claudius Marx vor allem durch die Änderung im Insolvenzrecht. Es gebe auf jeden Fall keinen Grund zur Entwarnung: „An der tatsächlichen prekären wirtschaftlichen Lage der betroffenen Unternehmen ändert dies nichts.“ Glimpflicher wäre es vielleicht dann gekommen, wenn die harten Maßnahmen früher und konsequenter umgesetzt worden wären, vermutet Marx. Da Bund und Länder eine andere Strategie gewählt hätten, sei der Eindruck entstanden, dass man mit allen Maßnahmen der tatsächlichen Entwicklung hinterherlaufe.
„Vielen steht das Wasser bis zum Hals“
„Die Hilfen sind beantragt, aber es fließt noch kein Geld. Vielen steht das Wasser bis zum Hals, Dispokredite und Kredite müssen aufgenommen werden, um die täglichen Kosten zu decken“, bringt die Pro Bad Säckingen-Vorsitzende Elisabeth Vogt die Lage auf den Punkt. Aber auch bei den Geschäften, die aktuell geöffnet haben, seien Umsätze eingebrochen und Maßnahmen wie Kurzarbeit an der Tagesordnung.

Thomas Wartner, stellvertretender Vorsitzender des Werbe- und Förderungskreises Waldshut, konstatiert: „Der harte Lockdown hat vielen Händlern doch noch ein sattes Minus von bis zu 40 Prozent eingebracht.“ Das sei besonders am Ende eines Jahres bitter, das ohnehin Mindereinnahmen gebracht haben, die sich in einigen Bereichen des Handels auf bis zu 70 Prozent summieren.
Etliche Geschäfte befänden sich folglich bereits in Existenznöten, schildert Wartner, der selbst Geschäftsführer des Modegeschäfts Stulz in der Waldshuter Kaiserstraße ist: „Im Textilhandel zum Beispiel werden mit den Einnahmen aus dem Weihnachtsgeschäft normalerweise die Wareneinkäufe für das Frühjahr finanziert.“ Dieses Polster sei nun schlicht nicht vorhanden.
Click & Collect: Kein vollwertiger Ersatz, aber immerhin gibt es wieder Umsatz
Dem stationären Einzelhandel mit „Click & Collect“ einen Online-Vertrieb während des Lockdowns zu ermöglichen, war eine der dringenden Forderungen der IHK, beschreibt es Claudius Marx. Denn nur auf diesem Weg ließen sich die Folgen der Corona-Maßnahmen wenigstens teilweise abmildern.
Und eine aktuelle IHK-Umfrage zeigt: Diese Möglichkeit werde tatsächlich auch rege genutzt. Waren Anfang 2020 noch 37 Prozent der Einzelhändler Multikanal-Händler, verkauften inzwischen 75 Prozent der Händler ihre Waren über verschiedene Kanäle. Corona und die Beschränkungen hätten also dem Einzelhandel wie vielen anderne Bereichen des Wirtschaftslebens einen erheblichen Entwicklungsschub gebracht, wobei ein erheblicher Teil der Händler nicht unbedingt einen eigenen Online-Shop betreibe, sondern andere Plattformen oder Einkaufsgemeinschaften nutze.
Wie lukrativ diese Vertriebsformen sind, hänge aber vornehmlich von der Organisation des Vertriebskanals und der Warengattung ab. Bis lang seien die Umsätze jedenfalls nicht mit den Zuständen während der normalen Geschäftsöffnung zu vergleichen, sagt Thomas Wartner. Aber: „Wenigstens habe wir wieder Umsätze.“
Es zeige sich aber auch: Wer etwas verkaufen wolle, müsse bereit sein, einen gewissen Mehraufwand zu betreiben, was freilich auch höhere Kosten bedeute: „Es genügt nicht, am Telefon zu warten. Kunden wollen etwas sehen, egal ob im Schaufenster oder auf dem Internetauftritt.“ Und dann werde es in Summe für viele Betriebe schon wieder kritisch.
Das sieht auch Elisabeth Vogt so. Dennoch seien viele Händler froh über die Möglichkeit, „Click & Collect“ nutzen zu können. Denn jedes verkaufte Stück sei besser als alles im Geschäft zu belassen. Positiv ist, dass die Händler die Portokosten, die bei Lieferung anfallen, sparen können. Was für die meisten Händler aber im Vordergrund steht ist der Service an ihren Kunden und denen auch ein Stück „Normalität“ möglich zu machen und den Kontakt zum Kunden auch weiter aufrecht zu erhalten.
Wie lange hält der Einzelhandel die Beschränkungen noch durch?
„Wenn die zugesagten Hilfsmittel vom Herbst gekommen wären, um die laufenden Kosten zu überbrücken, ginge es wahrscheinlich weiten Teilen des Handels und Gewerbes besser“, zeigt sich Thomas Wartner überzeugt. Denn de facto seien die Fixkosten das eigentliche Problem, das viele Betriebe belastet: „Man kann natürlich Kosten reduzieren so weit irgendwie möglich. Man kann auch Investitionen zurückfahren. Aber man kann nicht den kompletten Betrieb auf Null zurückfahren“, so Wartner weiter.

Elisabeth Vogt zeichnet für Bad Säckingen ein ganz ähnliches Bild: „Wenn die staatliche Hilfe nicht bald flächendeckend ausgeschüttet wird, machen wir uns um einige Betriebe große Sorgen.“ Es mangle aktuell an Perspektiven und der Frust sei grß, denn seit fast einem Jahr können die Händler nichts anderes tun, „als auf Entscheidungen, die zumeist massive Einschränkungen bedeuten, in kürzester Zeit bestmöglich zu reagieren.“
Auch Claudius Marx hält es für eine wichtige Maßgabe, den Betrieben zu signalisieren, dass sie nicht allein da stehen – indem Hilfen gewährt werden, so lange die Restriktionen gelten, und die Gelder auch schnell ausbezahlt werden. Hier seien die zuständigen Kammern engagiert am Werk, damit bei den Hilfspaketen, die häufig „über Nacht“ entworfen worden seien und entsprechend Lücken aufwiesen, schnell und praxistauglich nachgebessert werde, betont Marx.
Und die Perspektiven?
Die Zukunftsaussichten sind nach Einschätzung der IHK überraschend positiv. Langfristige Nachteile seien bislang nicht zu erwarten, sofern Hilfsmittel fließen und die Liquidität der Unternehmen gewahrt bleibe. Sogar die Mehrheit der aktuell von Schließungen und mangelnder Nachfrage betroffenen Unternehmen im Handel gehe davon aus, dass sich die Lage nach dem Winter wieder deutlich entspannen werde, so Marx weiter.
Die erhoffte Wirkung der verschärften Maßnahmen, das kommende Frühjahr und die gestarteten Impfungen stützen diese Erwartung. Studien gäben außerdem Anlass zur Hoffnung auf einen Aufschwung, denn bei vielen Menschen sei eine Art Nachholbedarf zu erwarten, was das Konsumverhalten anbelangt. Es gebe also weitaus bessere Gründe für Hoffnung als für Hoffnungslosigkeit, lautet Marx‚ Einschätzung für die kommenden Monate. Gleichwohl sei die Zeit bis zum Normalbetrieb noch sehr herausfordernd und anstrengend.
Zumindest in Teilen sehen das auch die Verbände am Hochrhein so. Doch mit gewisser Sorge betrachten die Händler durchaus das veränderte Einkaufsverhalten, das sich bereits in den ersten Wochen der Pandemie grundlegend zu Lasten der Innenstädte gewandelt habe. Wie nachhaltig dies sei, bleibe abzuwarten, so Wartner. Gleichzeitig ist er überzeugt, dass einige der eingeleiteten Veränderungen auf jeden Fall bleiben – insbesondere was den Onlinehandel anbelangt.