Kurzer Prozess vor dem Amtsgericht in Waldshut. Wenige Minuten Beweisaufnahme reichten, und Staatsanwältin Sandner, Verteidiger Thomas Weinmann und Richterin Lea Uttner waren sich einig: Eine 63-Jährige aus dem Südosten des Kreises Waldshut ist vom Vorwurf der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen freizusprechen.

Die leidenschaftliche Naturliebhaberin hatte auf ihrem Facebook-Account die Daten über den Kohlendioxyd-Ausstoß verschiedener Nationen veröffentlicht und diese kommentiert mit „Deutschland erwache“.

Verwendung der Parole steht unter Strafe

Dies ist aber auch der Titel eines Sturmlieds, das der – laut Internetlexikon Wikipedia – überzeugte Nationalsozialist Dietrich Eckart 1920 geschrieben hat. Weil es die SA im Dritten Reich als Parole nutzte, ist es heute als Kennzeichen verfassungswidriger Organisation verboten. Seine Verwendung wird unter Strafe gestellt.

Das, so sagte die Angeklagte vor Gericht, habe sie nicht gewusst, als sie den Post abgesetzt hatte. Entsprechend sei sie aus allen Wolken gefallen, als ihr eine Polizistin am Telefon vom strafbaren Zitat und den rechtlichen Folgen berichtet habe. Sie habe das erst überhaupt nicht ernst genommen, so die Angeklagte. Auch aus den Akten der Polizei geht hervor, dass die Angeklagte von der Beamtin erst einmal über die Unrechtmäßigkeit ihres Tuns aufgeklärt werden musste.

Angeklagte löscht Facebook-Konto

„Ich beschäftige mich nicht Nationalsozialisten“, sagte die 63-Jährige vor Gericht und beteuerte, dass es ihr einzig um den Schutz des Klimas gegangen sei. „Menschheit erwache“, so sagt die Frau heute, wäre wohl die bessere Kommentierung der veröffentlichen Statistik gewesen. Eine Lehre hat die Frau aus dem Fall bereits gezogen. Ihren Facebook-Account hat sie gelöscht.

Als Richterin Lea Uttner die Staatsanwältin und den Verteidiger fragte, ob sie sich eine Einstellung des Verfahrens vorstellen können, sagte Anwalt Thomas Weinmann: „Wir haben gute Karten für einen Freispruch.“ Und auch die Staatsanwältin wollte das Verfahren nicht einstellen. Sie nämlich plädierte ebenfalls auf Freispruch. Die Annahme aus dem Strafbefehl lasse sich nicht mehr aufrechterhalten. Die nationalsozialistische Parole habe ausschließlich dem Klimaschutz gegolten. Es sei der Angeklagten nicht nachzuweisen, dass ihr der Bezug zur nationalsozialistischen Propaganda bewusst gewesen sei.

Danach hätte es der Verteidiger mit seinem Satz bewenden lassen können: „Auch ich beantrage Freispruch.“ Hilfsweise fügte er aber noch an, dass Kurt Tucholsky 1930 ein antifaschistisches Gedicht überschrieben hatte mit „Deutschland erwache“.

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„Ich schreibe den Satz nie mehr“, antwortete die Angeklagte auf den abschließenden Rat der Richterin, solche Themen fortan lieber mit ihren Freundinnen zu besprechen und nicht im Netz zu posten.