Seit 19. April gelten in Baden-Württemberg härtere Coronaregeln, einige Tage später wurden diese durch die „Bundesnotbremse“ nochmals verschärft. Den umgekehrten Weg geht seitdem die Schweiz, die sich ebenfalls ab 19. April für deutliche Lockerungen entschied und beispielsweise die Außengastronomie, Kinos und Fitnessstudios öffnete. Beim Blick auf die aktuellen Corona-Zahlen am Hochrhein stellt sich somit die Frage: Macht sich die unterschiedliche Corona-Politik nach zwei Wochen in den Infiziertenzahlen bemerkbar? Muss die Schweiz für ihren Sonderweg einen Tribut zollen?
Ein Blick zurück
Noch Mitte März lagen die Inzidenzwerte der Grenzkantone und Landkreise am Hochrhein eng beisammen. Im Landkreis Lörrach und Waldshut, in der Stadt Basel, dem Baselland, dem Aargau oder in Schaffhausen wurden jeweils unter zwischen 65 und 100 Infizierte innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner gezählt. Seitdem sind die Zahlen überall gestiegen, in der Schweiz allerdings stärker als in Deutschland. Beide Basel liegen seit zwei Wochen konstant und deutlich über 150. Der Aargau stieg bis Mitte April stark an, liegt mit einer Inzidenz von 132 nun aber wieder hinter Waldshut (146). Lörrach liegt nach einem zwischenzeitlichen Anstieg wieder unter dem 100-er-Grenzwert.

Sind dies die Folgen der unterschiedlichen Lockdown-Regeln auf beiden Seiten des Rheins?
Die Antwort lautet definitiv: Nein. Denn die neuen Regeln traten erst am 19. April in Kraft. Betrachtet man ausschließlich diesen Zeitraum, ergibt sich nämlich ein völlig anderes Bild:

Alle betrachten Landkreise und Kantone entwickeln sich seit dem 19. April vergleichsweise stabil. Ein eindeutiger Trend mit den befürchteten steigenden Zahlen in der Schweiz oder den erhofften sinkenden Zahlen in den beiden deutschen Kreisen ist aktuell nicht zu erkennen.
Beide Basler Kantone erlebten zwar in den ersten Tagen nach den Öffnungen einen leichten Anstieg, konnte diesen aber schnell wieder bremsen. Schaffhausen und der Aargau konnten die Inzidenzzahlen seit den Lockerungen sogar deutlich senken, während der Kreis Waldshut sogar einen Anstieg erlebte. Der Landkreis Lörrach befindet sich dagegen seit drei Tagen wieder unter dem Grenzwert von 100 und darf – sollte sich diese Entwicklung fortsetzen – am Wochenende auf erneute Lockerungen hoffen.
Was lässt dies für Rückschlüsse auf die verordneten Maßnahmen zu?
Die aktuellen Zahlen deuten zum einen darauf hin, dass die in der Schweiz geöffneten Bereiche wie die Außengastronomie nicht zu den gefürchteten Infektionstreibern gehören. Auf der anderen Seite haben die deutschen Einschränkungen, wie die Schließung des Einzelhandels, bislang nicht zu einem deutlichen Absinken der Infektionszahlen im Kreisen Waldshut geführt. Im Gegenteil: Der Landkreis befindet sich aktuell auf dem hohen Niveau von Mitte Januar.
Waldshut und Lörrach gegen den Trend
Dies ist selbstverständlich lediglich eine regionale Betrachtung und kann in anderen Landkreisen völlig anders aussehen. Auffällig ist nämlich, dass sich die Infektionszahlen in den beiden deutschen Hochrhein-Landkreisen – und hier vor allem Waldshut – aktuell atypisch entwickeln. Zur besseren Vergleichbarkeit betrachten wir dabei die Zahlen des Robert-Koch-Instituts:
Beide Landkreise liegen seit Wochen deutlich unter dem Landesschnitt, der bis Mitte vergangener Woche auf fast 200 anstieg. Besonders paradox, weil dem Trend entgegen laufend, ist die Entwicklung der Infektionszahlen im Kreis Waldshut: Just seitdem der Landesdurchschnitt am vergangenen Montag seinen Zenit überschritten hatte, stieg die Inzidenz in Waldshut innerhalb weniger Tage von 97 auf 140 und hält sich seitdem auf diesem hohen Niveau. Neidvoll dürften Einzelhändler und Gastronomen aus dem Landkreis über den Rhein blicken, wo trotz Öffnungen die Fallzahlen sinken.