Daniel Neudecker aus Murg fuhr mit seiner Familie Anfang September eine Runde Boot auf dem Bergsee. Plötzlich entdeckt er einen ganzen Schwarm Quallen im Wasser. Er konnte es kaum glauben, schließlich sei der Bergsee kein natürlicher See und aus Süßwasser. Auch der Tretboot-Verleiher habe Neudecker seine Entdeckung erst geglaubt als dieser ihm Fotos von den Quallen zeigte. „Wie ist das überhaupt möglich?“, fragte der Familienvater daraufhin unsere Redaktion. Und damit war der Auftrag geboren, herauszufinden, was es mit den ungewöhnlichen Tieren in den Gewässern am Hochrhein auf sich hat.

Daniel Neudecker und seine Familie entdecken auf einer Bootstour Quallen im Bergsee.
Daniel Neudecker und seine Familie entdecken auf einer Bootstour Quallen im Bergsee. | Bild: Daniel Neudecker

Nicht nur Neudecker ist erstaunt. Auch Dagmar Metzger postete im Sommer auf Facebook ein Foto einer Schildkröte im Bergsee mit der Frage, ob diese vielleicht ausgesetzt wurde.

Dagmar Metzger fotografierte diese Schildkröte im Sommer 2021 im Bergsee in Bad Säckingen. Dominic Hahn vom BUND-Landesverband geht ...
Dagmar Metzger fotografierte diese Schildkröte im Sommer 2021 im Bergsee in Bad Säckingen. Dominic Hahn vom BUND-Landesverband geht davon aus, dass es sich um die nicht-heimische Rotwangen-Schmuckschildkröte handelt. Sie wurde wohl hier ausgesetzt. | Bild: Dagmar Metzger

Eindringlinge könnte man zu ihnen sagen, im Fachjargon nennt man sie Invasoren oder Neozogen. Die Rede ist von seltenen Tieren im Ökosystem von Bergsee und Hochrhein, die hier eigentlich gar nicht heimisch sind. Doch wo kommen sie eigentlich her? Und was richten sie an? Eine Spurensuche. Unterstützt werden wir vom Fischereiverein Bad Säckingen, der die Gewässer im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe genommen hat.

Invasoren verdrängen einheimische Arten

Am Hochrhein und im Bergsee gebe es immer wieder seltene oder invasive Arten, in unser Ökosystem eingewandert oder unrechtmäßig ausgesetzt wurden, erklären Markus Frei und Manuel Frost, die Gewässerwarte des Fischereivereins Bad Säckingen. „Deren Überleben und ihre Reproduktion wird im Zuge des Klimawandels und Dank immer höherer Temperaturen auch in unseren Gewässern ermöglicht und stark gefördert.“ Das große Problem dabei: „Diese invasiven Arten bedrohen und verdrängen einheimische Arten aus ihren angestammten Lebensräumen.“

Bergsee: Sonnenbarsch, Quallen und Schildkröten

Im Bergsee in Bad Säckingen sei laut den beiden Gewässerwarten etwa der Nordamerikanische Sonnenbarsch ein solcher „fremder“ Bewohner, der ursprünglich als Zierfisch für Gartenteiche importiert wurde, und vermutlich illegal im Bergsee ausgesetzt wurde. Er erreiche dort eine Größe von rund zwölf Zentimeter habe sich mittlerweile sehr stark vermehrt. „Der Sonnenbarsch betreibt Brutpflege und gilt als starker Laichräuber in unseren Ökosystemen“, erklären Markus Frei und Manuel Frost.

Beim Hegefischen am Bergsee geht der Fischereiverein Bad Säckingen immer wieder auf die Jagd nach dem Sonnenbarsch, der als Bruträuber ...
Beim Hegefischen am Bergsee geht der Fischereiverein Bad Säckingen immer wieder auf die Jagd nach dem Sonnenbarsch, der als Bruträuber den Bestand anderer Fischarten gefährdet, wie hier im Juli 2010. Auf dem Bild sind Thomas Weis (links) und Christoph Joachimi (rechts). | Bild: Archivbild: Miloslavic Hrvoje

In den vergangenen zwei Jahren sei immer wieder die Sichtung von Quallen im Bergsee gemeldet worden. Dabei handle es sich laut Frei und Frost vermutlich um die rund zwei Euro große Süßwasserqualle, die vermutlich im Ballastwasser großer Transportschiffe aus dem chinesischen Fluss Jangtse nach Europa kam, und sich bis in den Rhein bei Weil am Rhein ausbreiten konnte. Die Gewässerwarte vermuten, dass sie von Wasservögeln von dort in den Bergsee eingeschleppt worden sei. Um sich zu entwickeln und zu überleben, benötige diese Art ruhige Gewässer, die über eine längere Zeit eine Wassertemperatur von 25 Grad erreichen. Das dann höhere Planktonaufkommen nutze sie als Nahrung.

Süßwasserquallen wie auf diesem Symbolbild könnten durch Vögel in den Bergsee gelangt sein.
Süßwasserquallen wie auf diesem Symbolbild könnten durch Vögel in den Bergsee gelangt sein. | Bild: Petra Teiber-Sießegger

Auch Schildkröten wurden öfters im Bergsee gesichtet. Die Wasserwarte gehen von der Europäischen Sumpfschildkröte aus. Diese ist laut Domenic Hahn, Referent für Naturschutz beim BUND-Landesverband, allerdings inzwischen so selten, dass sie nur noch in Oberschwaben vorkomme. Ihr Lebensraum wären eigentlich die Auen am Rhein, die es jedoch kaum noch gibt. Auch nach Sichtung der Fotos der Tiere gehe Hahn stark davon aus, dass es sich bei den Schildkröten in Bad Säckingen sowie im Rhein um die amerikanische Schmuckschildkröte handle und könne es sich kaum vorstellen, dass dies die Sumpfschildkröte sei. Die beiden Arten würden oft verwechselt, so der BUND-Experte.

Dies ist ein Symbolbild, schicken Sie uns gerne Bilder der Schildkröte am Bergsee, wenn Sie welche haben: an ...
Dies ist ein Symbolbild, schicken Sie uns gerne Bilder der Schildkröte am Bergsee, wenn Sie welche haben: an saeckingen.redaktion@suedkurier.de. | Bild: Karl Braun

Hochrhein: Räuberische Welse und fiese Krebse

Auch am Hochrhein leben laut Markus Frei und Manuel Frost mehrere nicht einheimische Arten. Dazu zähle unter die Schwarzmeergrundel. Diese sei, so vermuten die beiden, in Ballasttanks von großen Handelsschiffen aus dem Schwarzen Meer nach Europa eingeschleppt und konnte im Jahr 2011 erstmals im Rhein bei Basel nachgewiesen werden. Von dort aus verbreite sie sich explosionsartig auch im Hochrhein. Sie gilt als starker Laichräuber
und verdrängt die einheimischen Kleinfische wie Groppe oder Gründling. Mit einer Durchschnittgröße von rund zehn Zentimeter könne sie auch in Kleinstgewässer eindringen und sich so großflächig verbreiten.

Peter Maier aus Dangstetten wirkt selbst bei 1,90 Meter Körpergröße klein gegen seinen stolzen Fang im September 2020. Mit 2,25 Meter ...
Peter Maier aus Dangstetten wirkt selbst bei 1,90 Meter Körpergröße klein gegen seinen stolzen Fang im September 2020. Mit 2,25 Meter Länge war es der größte Wels, den der begeisterte Angler bisher gefangen hat. | Bild: Privat

Ein weiter Bewohner des Hochrheins ist der Wels. Er habe sich aus den unteren Rheingebieten, wo er durch Besatz angesiedelt wurde, bis in den Hochrhein und Bodensee ausgebreitet. „Er lebt räuberisch und ernährt sich haupt-
sächlich von andern Fischen“, erklären Markus Frei und Manuel Frost. Der Wels könne im Hochrhein Längen von über zwei Metern und ein Gewicht bis
zu 100 Kilo erreichen.

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Signalkrebs besonders gefährlich

Als besonders gefährlich gilt der Signalkrebs. Das Tier stammt ursprünglich aus Nordamerika und verbreitet sich in ganz Europa. Mit einer Durchschnittsgröße von 12-16 Zentimetern lebe er auch im Hochrhein und verdrängt den einheimischen Edelkrebs aus seinem Lebensraum, so die Gewässerwarte. Auch Domenic Hahn vom BUND-Landesverband macht die Gefahr, die vom Tier ausgeht deutlich. Der Signalkrebs gelte als Überträger der Krebspest, gegen die er selbst immun ist, aber er trage diese jedoch die Flüsse hoch und stecke damit viele heimische Krebse an. „Damit sterben sie in den Gewässern aus“, erläutert Hahn die massiven Folgen.

Ein Signalkrebs liegt in einer Fischkiste: Die invasive Art stellt eine Gefahr für ihre streng geschützten einheimischen Verwandten dar ...
Ein Signalkrebs liegt in einer Fischkiste: Die invasive Art stellt eine Gefahr für ihre streng geschützten einheimischen Verwandten dar – auch im Hochrhein. | Bild: Markus Scholz/dpa

Kaliko-Krebs macht alles nieder

Und dann gebe es da noch den Kaliko-Krebs. Auch er tritt nun als Neozon infolge von Aquarien-Aussetzungen im Rhein auf, wie Domenic Hahn vom BUND erklärt. „Er ist wirklich verheerend, wo er einwandert, sieht es aus wie eine Wüste, er macht an heimischen Pflanzen alles nieder“, so Hahn. Allerdings sei er aktuell noch in der Region Karlsruhe unterwegs und noch nicht am Hochrhein angekommen. „Aber er könnte langfristig auch am Hochrhein zum Problem werden“, mahnt Hahn.

Menschen setzen Tiere aus – Die Folgen sind verheerend

Eine der größten Ursachen solcher „Fremdlinge“ in unseren Gewässern sei, dass Menschen ihre Tiere aus dem eigenen Fischteich oder Aquarium auslagern würden, meint Irene Blaha, Vorsitzende des BUND-Kreisverbands Hochrhein. Auch in ihrem Heimatort Grenzach-Wyhlen würden im Biotop bei der Kiesgrube Goldfische ausgesetzt, wodurch sich nun die einheimische Flora nicht entwickeln könnte. „Das ist ein großes Problem, denn es mischt die Ökosysteme auf“, so Blaha.

„Unbedacht werden Tiere ausgesetzt, ohne über die Folgen nachzudenken“, mahnt Hahn. Und: „Es geht den meisten heimischen Tieren nicht so gut, dass sie das verkraften können“, erklärt der Referent für Naturschutz.

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