Der Wald ist ein schwerkranker Patient, er liegt im Sterben. „Eine Katastrophe solchen Ausmaßes habe ich im Wald noch nie gesehen“, sagt Wolfgang Walz, Förster im Bezirk Albbruck und Dogern. Und das sagt einer, der es wissen muss. Denn der 58-Jährige ist seit den 80er Jahren im Geschäft. Es seien die schwerwiegendsten Waldschäden seit Beginn der Forstwirtschaft vor 200 Jahren, sagt Walz.

Darin ist er sich übrigens einig mit Experten wie Michael Müller, Professor für Waldschutz an der TU Dresden. Kein Sturm Lothar, kein Waldsterben früherer Jahhrzehnte sei mit dem zu vergleichen, was heute im Wald geschehe. „Der Wald, so wie wir ihn kennen“, sagt Walz, „wird in dieser Form nicht überleben.“ Der Klimawandel und in seinem Gefolge der Borkenkäfer machen ihm den Garaus.

Die Schadensbilder gerade im Landkreis Waldshut scheinen solche Prognosen zu bestätigen. Vielerorts sieht man große braune Flächen im Wald. Besonders stark betroffen ist der mittlere Teil des Landkreises Waldshut zwischen Laufenburg und Waldshut bis nach Grafenhausen, beschreibt Walz die Situation: „Wir verlieren die Fichte bis hinauf in höhere Lagen von 800 Metern.“

Förster Wolfgang Walz mit Überresten aus dem Wald im Revier Albbruck. Sie taugen nur noch als Hackschnitzel.
Förster Wolfgang Walz mit Überresten aus dem Wald im Revier Albbruck. Sie taugen nur noch als Hackschnitzel. | Bild: Gerber, Andreas

Der Förster betreut ein Waldgebiet von 1700 Hektar, darunter das Revier Albbruck/Dogern sowie ein Waldgebiet bei Todtmoos. Im Revier Albbruck sterben die Fichten ab einem Alter von 40 Jahren komplett ab. Nur in die jüngeren Fichten geht der Borkenkäfer bislang nicht. Bei einem Gang durch sein Revier zeigen sich diese Schäden eindrücklich. Die noch sehr dünnen Fichten mit 40 sind kaum dem Jugendalter entwachsen, sie sind noch grün, geben für die Ernte aber noch nichts her. Denn Erntezeit ist erst zwischen 80 und 120 Jahren, so Walz. Jedoch ist von diesen Bäume nichts mehr übrig.

Schaden viel schlimmer als das Waldsterben der 80er Jahre

Das sichtbare Ausmaß der Vernichtung ist immens, Gebiete mit einer Größe von jeweils mehreren Fußballfeldern zeigen eindrücklich die Dimension der Schäden. Teilweise stehen die toten Bäume noch, teilweise wurde sie in anderen Revieren des Landkreises großflächig geräumt. Dort sind riesige Brachflächen im Wald entstanden. In Walz‘ Revier ist die Fichte dominant, deshalb fallen die Schäden auch so gravierend aus, berichtet er. Schon die Jahre 2018 und 2019 seien schlimm gewesen, „aber in diesem Jahr verlieren wir die Restbestände an Fichten über 40 Jahre.“

So dramatisch sieht es in Teilen des Landkreises Waldshut aus. Auf dieser Fläche nördlich von Oberalpfen wuchs ein Fichtenwald. Heute ...
So dramatisch sieht es in Teilen des Landkreises Waldshut aus. Auf dieser Fläche nördlich von Oberalpfen wuchs ein Fichtenwald. Heute wird diese mehrere Fußballfelder große Brachfläche mit vielen kleinen Jungpflanzen mühsam wieder aufgeforstet. | Bild: Gerber, Andreas

Weil dieser Nadelbaum eben in vielen Revieren noch die dominierende Baumart sei, zeige sich Verlust nach Außen so extrem. Seit langem sei die Forstwirtschaft mit dem Umbau des Waldes beschäftigt. „Aber das geht nicht eben mal so auf die Schnelle“, gibt Wolfgang Walz zu bedenken, Wald sei eine Generationensache.

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Hier werden Prozesse durch das Wachstum der Bäume bestimmt, und gehen damit Jahrzehnten oder auch schon mal ein Jahrhundert. „Jetzt werden wir beim Umbau des Waldes von der Entwicklung regelrecht überrollt“, schildert Walz die Situation. „Die klimatische Veränderung, die uns die Forschung für 2050 vorausgesagt hat, ist bereits jetzt eingetreten. Das Tempo überrascht uns alle.“

Klimawandel ist Ursache

Was sich im Moment im Wald abspiele sei das Ergebnis des Klimawandels und der Erderwärmung. Und an Klimawandel-Leugner gerichtet, sagt der Förster: „Wer wissen will, wie der Klimawandel aussieht, der kann zu mir in den Wald kommen.“

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Der Borkenkäfer sei dabei nur ein Symptom, die Hauptursachen seien Trockenheit und Hitze. Die Fichten seien dadurch so geschwächt, dass sie sich gegen den Käfer nicht mehr wehren können, so Walz. Früher habe der Wald vor dem Schädling wenigstens im Winter Ruhe gehabt, bei den heutigen Temperaturen sei er rund ums Jahr aktiv, berichtet der Fachmann.

Der aktuelle Zustand des Waldes sei mit dem Waldsterben in den 80er Jahren überhaupt nicht mehr zu vergleichen, schüttelt Walz den Kopf. Die Schäden in den 80er Jahren seien nur ein kleiner Teil dessen, was sich heute im Wald abspiele.

Größflächiges Baumsterben: Nicht einzelne kleine Nester im Wald sind betroffen, im mittleren Bereich des Landkreises Waldshut, wie hier ...
Größflächiges Baumsterben: Nicht einzelne kleine Nester im Wald sind betroffen, im mittleren Bereich des Landkreises Waldshut, wie hier bei Ay stirbt der Wald großflächig ab. Fast am kompletten Hang sind die Fichten braun. | Bild: Gerber, Andreas

Versuche mit neuen Baumsorten

„Wir sind hier auf forstlichem Neuland unterwegs“. Die Forstwirtschaft könne nicht auf frühere Erfahrungen zurückgreifen, bedauert Walz, denn eine solche Situation gab es praktisch noch nie. Die grundsätzliche Lehre sei, künftig Bäume anzupflanzen, die die zunehmende Hitze und Trockenheit besser vertragen.

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„Mittlerweile gehen uns aber die heimischen Baumsorten langsam aus“, sagt Walz. So sei die Buche vielfach auch schon geschädigt – nicht durch den Käfer, sondern direkt durch Hitzen und Trockenheit. Oft seien bereits im Hochsommer Herbstsymptome an den Buchen und auch anderen Laubbäumen zu beachten.

Teilweise greife man nun auf mediterrane Sorten zurück. Letztlich sei es dann aber eine Art „ausprobieren“, ob es funktioniert. Nur das mit „Ausprobieren“ sei in der Forstwirtschaft eben eine Sache von Jahrzehnten. Die Crux dabei: Solche Zeiträume habe man in Zeiten des rasenden Klimawandelns nicht mehr.

Totes Holz: Im Bereich Indlekofen und Weilheim sind vom Fichtensterben ebenfalls große Flächen betroffen. An diesem Hang sieht man tote ...
Totes Holz: Im Bereich Indlekofen und Weilheim sind vom Fichtensterben ebenfalls große Flächen betroffen. An diesem Hang sieht man tote Bäume bis hinauf zur Kuppe. | Bild: Gerber, Andreas

Förster Walz und sein Modellprojekt zum Umbau des sterbenden Waldes

Walz hat für sein Revier jetzt ein Modellprojekt begonnen. Grundsätzlich gebe es für die Wiederaufforstung von Totholz-Flächen unterschiedliche Konzepte – einmal den Kahlschlag und anschließende Aufforstung auf der Brachfläche. Oder andererseits: Die Aufzucht des neuen Jungwaldes im Schutz der toten Bäume.

Beides habe Vor- und Nachteile, sagt Walz, er wolle im Albbrucker Revier die zweite Variante anwenden. Denn die Aufforstung von Brachflächen sei schwieriger und kostenintensiver. Die Brachflächen seien praller Sonneneinstrahlung ausgesetzt und verlieren ihr Waldklima, so Walz.

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Im toten Fichtenwald sei das anders. Er liefere weiter Beschattung, das sei vorteilhaft für den Wasserhaushalt im Boden, zudem seien die Jungpflanzen geschützter. Die Nachteile dieser Methode sieht aber auch Walz: Die betroffene Waldfläche müsse innerhalb eines Jahres für den neuen Aufwuchs vorbereitet sein.

Denn dann steige die Unfallgefahr für die Waldarbeiter, aber auch für Wanderer, Pilzsammler oder andere Waldbesucher. Dazu müsste entsprechend gesperrt werden. Für Walz steht dennoch fest: Er will in seinem Revier keine großen Brachflächen haben.

Im Schatten der toten Bäume wächst der Jungwald

Beim Gang durch sein Revier zeigt Walz, wie er sich das vorstellt. Auf einer großen Schadfläche stehen jede Mengen tote Fichten. Sie sind braun, haben keine einzige Nadel mehr. „Im Januar waren die noch grün“, beschreibt der Förster die rasende Entwicklung.

Im Moment ist die Statik der Bäume noch stabil und sie liefern noch Beschattung. Am Boden wachsen bereits aus natürlicher Aussamung im Unterwald kleine Fichten, Douglasien und Weißtannen und einige kleine Laubbäume, zeigt Förster Walz.

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Die kleinen Fichten werden weichen müssen, die Zukunft in diesem Waldstück soll den robusteren Weißtannen und Douglasien in einer Mischung mit Traubeneichen, Esskastanien und Linden gehören. Das bedeutet aber: Die Forstarbeiter müssen die Fläche noch vor dem Winter herrichten, damit sich die favorisierten Jungbäume durchsetzen können und in den nächsten zehn Jahren auf dieser Fläche den neuen Wald begründen.

In zehn Jahren dann, werden sich auch die in den letzten Monaten gestorbenen Fichten allmählich in ihre Bestandteile aufgelöst haben. Dann ist – wenn Förster Walz‘ Rechnung aufgeht – ein neuer, ein anderer Wald entstanden. „Die Fichte wird in diesen Lagen verschwunden sein“, sagt Walz, „dieser Kampf ist jetzt schon verloren.“