Patienten, Klinikärzte und Politiker am Hochrhein sind stinkesauer. Nachdem die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KV) mit Sitz in Stuttgart die beiden Notfallpraxen in Bad Säckingen und Schopfheim dicht gemacht hat, kommt es in den Kliniken zu chaotischen Zuständen.
Der Gipfel: Von Stuttgart aus hat die KV die beiden medizinischen Einrichtungen von einem Tag auf den andern geschlossen, ohne vorher jemand zu unterrichten, sagen Landrat Martin Kistler und Bad Säckingens Bürgermeister Alexander Guhl im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
„Es kann doch nicht sein, dass die KV im halben Land die Praxen zusperrt“, schüttelt Kistler den Kopf, „und das ersatzlos.“ Landrat Kistler hat deshalb zügig einen Runden Tisch initiiert mit regionalen Akteuren aus Politik, Medizin und Rettungsdienst. Von dieser Seite wird es eine deutliche Reaktion in Richtung Stuttgart geben, kündigt Kistler an. Ziel sei es, die KV-Notfallpraxis in Bad Säckingen wird zu öffnen.

In der Tat hatte die Kassenärztliche Vereinigung nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes am 25. Oktober zahlreiche hausärztliche Notfallpraxen im Land geschlossen – eben auch die in Bad Säckingen und Schopfheim. Hintergrund: Das Kassler Gericht hatte das landesweite System der hausärztlichen Notfallpraxen gekippt. Denn diese wurden teils mit einem Ärztepool betrieben, deren Teilnehmer nicht sozialversicherungspflichtig angestellt waren. Daraufhin kam es zu den Schließungen.
Die KV hat „nichts gebacken gekriegt“
Landrat Kistler ist angesichts der Schließung fassungslos. Er verweist darauf, dass der Fall die Gerichte über Jahre beschäftigte und die KV lange genug Zeit hatte: „Dann muss man doch einen Plan haben“, sagt Kistler, „aber die haben nichts gebacken gekriegt.“ Zumal, so der Landrat, im letzten Jahr 2300 Patienten in der Notfallpraxis Bad Säckingen behandelt wurden. Angesichts solcher Zahlen hat er kein Verständnis für die Schließung. „Diese Patienten muss man doch irgendwie behandeln“, fordert er.

Bad Säckinger Patienten sollen nach Waldshut gehen
Die KV in Stuttgart hat nach der Schließung auf unsere SÜDKURIER-Anfrage mitgeteilt, dass es sich um eine Übergangslösung handle. Die Versorgung der Patienten werde „nach besten Möglichkeiten in der Notbremse gewährleistet“. Und wie sieht diese „Übergangslösung“ aus? Diese sieht vor, dass die jährlich 2300 Bad Säckinger Patienten künftig zur Notfallpraxis nach Waldshut gehen – aber dies, ohne dort die Kapazitäten zu erhöhen.
Klinik und Rettungsdienst überfordert
Somit passiert dort genau das, was Landrat Kistler voraussagte. „Es kommt in den Kliniken und beim Rettungsdienst zur Überforderung.“
Entsprechende Recherchen unserer Zeitung beim Klinikum Hochrhein und der Kreisklinik Lörrach haben Kistlers Befürchtung bestätigt. Seit der Schließung der KV-Notfallpraxen schildern die Chefärzte teils chaotische Zustände.
Patienten sind verärgert
Landrat Kistler hat durchaus Verständnis, dass Betroffene verärgert sind. Allerdings treffe der Unmut in den Kliniken die Falschen. Die Klinik-Ambulanzen und die verbleibende KV-Praxis in Waldshut könne für den Zustand beileibe nichts. „Sie tun ihr bestes“, so Kistler und müssten mit dem Mangel auskommen.
Allerdings will der Landrat den Zustand nicht dauerhaft hinnehmen. Als Reaktion auf die von der KV zu verantworteten Situation hat sich der Runde Tisch zur Abstimmung getroffen. Die Teilnehmer sprächen mit einer Stimme, man sei sich einig, so Kistler. Denn es sei schlichtweg unmöglich, dass jährlich 5000 Patienten im Landkreis Waldshut künftig von nur einer KV-Notfallpraxis anstatt wie bisher von zweien behandelt werden. „Das geht so nicht“, sagte Kistler. Deshalb sei die klare Aufforderung, die Einrichtung in Bad Säckingen wieder zu öffnen.
Zum Gremium gehören neben Kistler auch Bad Säckingens Bürgermeister Alexander Guhl, Vertreter der DRK-Rettungsdienste Säckingen, Waldshut und Freiburg sowie Vertreter des Kreisärztevereins Waldshut und eine KV-Bezirksvertreterin. Die schriftliche Forderungen werden laut Kistler voraussichtlich kommende Woche nach Stuttgart gehen.
Selbstverwaltung der KV überprüfen
Wie sieht der Landrat die Chancen? Kistler: „So weitermachen können wir jedenfalls nicht.“ Der Zustand sei nicht haltbar. Es brauche eine Lösung. Die KV müsse jetzt reagieren. Denn Kistler macht nochmals klar, dass die hausärztliche Notfallversorgung zu den Aufgaben der KV gehöre. „Wenn sie ihre Aufgaben aber nicht erfüllt, muss man die Selbstverwaltung überdenken.“
Gesundheitsminister muss Rechtsaufsicht wahrnehmen
Bürgermeister Guhl sieht zudem den baden-württembergischen Gesundheitsminister Manfred Lucha in der Pflicht. Dieser müsse als Rechtsaufsicht eingreifen und die KV an ihre Pflichten erinnern. „Denn die KV erledigt ihren Job nicht“, so Guhl. In dem Zusammenhang ist Guhl dem Waldshuter Landrat für seine Initiative dankbar. Kistler habe den Runden Tisch in die Wege geleitet. Angesichts der klaren Ansage hofft Guhl auf eine Einsicht der KV. Denn außer dem Runden Tisch hätten sich auch alle Bürgermeister des Landkreises in einem gemeinsamen Schreiben bei der KV beschwert.