Der Mörder ist immer der Gärtner. Wer würde bei einer Krimilesung in der Stadtgärtnerei Waldshut in der Reihe „Radieschen von unten“ nicht unwillkürlich daran denken? Krimistimmung kann auch aufkommen, wenn man zu Hause auf dem Sofa einen Kriminalroman schmökert. Besonders lesernah sind dabei die Regionalkrimis. Ob Schwarzwaldkrimis, Hotzenwald- oder Hochrheinkrimis – sie haben alle ihre Anhänger.
Schlaicher und Dr. Watson ermitteln im Wiesental
Großer Beliebtheit erfreuen sich die sieben Wiesental-Krimis von Ralf Dorweiler um den Testdieb Schlaicher und den Basset „Dr. Watson“. Der Autor hat dieses Kapitel aber abgeschlossen und ist ins historische Fach gewechselt. Aber auch das kann ja spannend sein.
Hunkeler ermittelt in Basel
Tatort Schweiz und das Ermittlungsgebiet Laufenburg oder Rheinfelden: Man erfährt wohl gern von Verbrechen direkt vor der eigenen Haustür. Basel und der Hochrhein sind offenbar ein besonders beliebtes Pflaster für die „kriminelle Phantasie“ der Autoren mit genügend Leichen im Keller. Alt-Kommissär Peter Hunkeler, der „Wallander der Schweiz„, hat erst kürzlich in seinem zehnten Fall einen Toten im Basler Kannenfeldpark entdeckt. Hunkeler-Erfinder Hansjörg Schneider, der wohl bekannteste Schweizer Krimiautor, der seit vielen Jahren eine große Lesergemeinde hat, lässt seinen knorrigen, unverwechselbaren Kult-Kommissär im Rheinfelder Solbad oder im Basler Rotlichtmilieu auf Spurensuche gehen. Andere Ermittler treten in Hunkelers große Fußstapfen.
Friedrich Nietzsche und Melchior Fischer ermitteln in Basel
Sogar Friedrich Nietzsche ermittelt. Der frisch an die Universität Basel berufene Philologie-Professor nimmt sich eher unfreiwillig eines Falles an. Anfang September 1869, am vierten Kongress der Internationalen Arbeiter-Association mit dem Anarchisten Bakunin, einem Reisenden in Sachen Umsturz (später auch „Satan der Revolte“ genannt), wird am Rhein ein Geheimpolizist erschlagen.
In Wolfgang Bortliks im Frühjahr, mitten im Lockdown erschienenen Kriminalroman „Allzumenschliches“ – der Titel spielt auf Nietzsches bekannte Aphorismensammlung „Menschliches- Allzumenschliches“ an -, wird der 24-jährige, eben zum Griechisch-Professor ernannte Universalgelehrte zum Detektiv wider Willen. Mit seiner neuen „Criminalgeschichte“ macht der in Riehen lebende Münchner Schriftsteller, Sozialhistoriker, Rockmusiker und Kolumnist eine Reise in die Vergangenheit: in das Basel vor 150 Jahren.
Während er in dem neuen zeitgeschichtlichen Kriminalroman den Fall mit einer Liebesgeschichte und historischen Figuren verknüpft, ist Bortliks bisherige Krimiserie um den eigenbrötlerischen Gelegenheitsdetektiv Melchior Fischer im Hier und Jetzt in der Stadt am Rheinknie angesiedelt. Im vierten Band (“Uferschnee“, 2019) geht es um Drogen, einen toten Kokainschmuggler und das Geschäft mit dem „Stoff“, in „Spätfolgen“ (2015) um die Anti-Atomkraft-Bewegung. Aber mindestens so wichtig wie die eigentliche Krimihandlung sind Bortlik Themen wie Mietpreiswucher, Bausünden oder der Literaturbetrieb. Das zeichnet seine Basel-Krimis aus, die einen realen Kern und Hintergrund haben und aktuelle Probleme aufgreifen. Der nächste Fall spielt nach Corona 2020 und wird die „Klima-Jugend“ zum Thema haben. Bortliks Meinung nach sollte ein Krimi immer ein bisschen politisch sein.
Kommissarin Iris Terheyde ermittelt in Waldshut, Bad Säckingen und Lörrach
Diese Ansicht teilt auch Petra Gabriel. Die in Laufenburg und Berlin lebende Schriftstellerin und frühere Redakteurin dieser Zeitung bewegt sich seit Jahren erfolgreich zwischen historischen Romanen und Kriminalgeschichten mit aktuellen Plots. Ihr letzter Hochrheinkrimi (“Tod im Rheintal“, 2018) spielt in Bad Säckingen, Waldshut und Lörrach und dreht sich um den Raub von Rhinozeros-Hörnern und die Tücken des Golfspiels. Tatort: das Obersäckinger Wild Life-Museum auf dem Areal der Golfwelt Hochrhein. Mitermittler ist ein echter Ex-Bürgermeister, der namentlich in die Ermittlungen eingebunden ist und wesentlich zur Aufklärung des ominösen Nashorn-Falls beiträgt: Günther Nufer. Es ist der fünfte Fall für die Laufenburger Kommissarin Iris Terheyde, die als Undercover-Ermittlerin unterwegs ist.
Petra Gabriel, die bereits auch sechs Berlin-Krimis herausgebracht hat, verbindet Zeitkritisches und wahre Verbrechen mit fiktiven Elementen. Während „Eingesargt in Mitte“ (2019) im Szene-Berlin spielt, leben die bisher fünf „Badischen Krimis„ vom Lokalkolorit und pittoresken Handlungsorten, die den hiesigen Lesern vertraut sind. In „Tod am Hochrhein„ geht es um eine Unbekannte, die sich in Laufenburg von der Brücke in den Rhein stürzt; in „Alemannischer Totentanz“ um die Beerdigungsindustrie und illegale Geschäfte mit Leichen; in „Hotzenwaldblues“ um eine politische Geschichte, einen Umweltskandal im Hotzenwald; in „Hochrheingold“ um Wirtschaftskriminelle, Rechtsradikale, eine Sekte und die Grenzsituation.
„Was ich nie schreiben werde“, sagt Petra Gabriel, „sind die blutigen, grausamen Krimis„. Sie mag lieber die psychologischen Geschichten, in denen Täter und Ermittler umeinander kreisen. Selbst in ihren historischen Romanen über Barbarossa, in „Waldos Lied“ oder in der in Laufenburg spielenden „Gefangenen des Kardinals“ finden sich Krimi-Elemente, so dass man sogar ihre historischen Bücher unter „Hochrhein„ subsumieren könnte.
Laufenburg wird zum Schauplatz mehrerer Morde
Das Fricktal und das Aargau werden ebenfalls zum Schauplatz von rätselhaften Todesfällen. In den Thrillern von Martin Willi aus dem Schweizer Laufenburg, wie dem jüngst vorgestellten „Skelett des Grauens“ über einen schrecklichen Fund und Kindesmissbrauch in einem abgelegenen Bauernhof, läuft es auf Wirkung raus. Das Vorgängerbuch (“Das Ende des Laufstegs“) handelt von einer jungen toten Frau im Wald bei Laufenburg und der skrupellosen Model-Branche. Die Kantonspolizei Aargau ermittelt.
Jestetter Krimiautor schickt Ermittler nach Schottland
Weit weg vom Hochrhein schickt der Jestettener Förster und Krimiautor Ralf Göhrig seinen Ermittler Bob Hamilton. Der Chef der schottischen Kriminalpolizei geht in Cornwall auf Mördersuche. Nur einmal machte er Urlaub in Schaffhausen am Rheinfall und wird dort prompt in einen Fall verwickelt. Göhrig hat familiäre Beziehungen zu Schottland.
Als Liebhaber der britischen Inseln kennt er sich dort gut aus und traut sich daher zu, authentisches Lokalkolorit in seine Hamilton-Serie zu bringen, die nach dem klassischen „Whodunit“-Muster läuft. Sieben Krimis in lockerer Folge sind erschienen, keine Fortsetzungsromane, sondern abgeschlossene Geschichten. Im April kam der jüngste (“Verlorene Seelen“) heraus. Der Böse wird in Göhrigs Polizeiromanen immer zur Strecke gebracht.
Auch Hauptkommissarin schreibt Kriminalromane
Ebenfalls in Jestetten ansässig ist Antje Papenburg-Frey alias Felicity Green. Sie ist auf magische Fantasy spezialisiert und hatte ihren Durchbruch mit Highland-Hexen-Krimis. Mit Stephanie von Guaita aus Küssaberg schreibt sogar eine echte Hauptkommissarin, die seit 1988 im Polizeidienst und seit 2004 beim Kriminalkommisariat Waldshut-Tiengen ist, Kriminalgeschichten, die ein realistisches Bild vom Polizeialltag zeichnen. Zehn Bücher hat die aus Stuttgart stammende Nachfahrin der Schriftstellerfamilie Brentano bereits herausgebracht, die meisten im Eigenverlag und unter dem Pseudonym Simone M. Meinhardis. Der letzte ihrer „Heart Crimes“ (“Die Akte Martin Luther„) liegt vier Jahre zurück. Die Arbeit lässt der Kripo-Frau keine Zeit mehr zum Krimischreiben und für Lesungen. Natürlich hat sie überlegt, einen Hochrheinkrimi zu schreiben, aber das würde „nie wirklich authentisch“ werden, obwohl sie sich in dieser Gegend absolut zu Hause fühlt. Deshalb sitzt in ihren schwäbischen Krimis das Ermittlerteam in Stuttgart und sie spielen nicht am Rhein, sondern am – Neckar.