Was allgemein als „Corona-Krise„ bezeichnet wird, hat vielerlei Facetten: Nach den dramatischen Folgen, die die Epidemie für das Gesundheitssystem eines ganzen Landes haben kann, sind mittlerweile auch die Auswirkungen der Schutzmaßnahmen auf die Volkswirtschaft deutlich spürbar. Daneben löst das neuartige Virus auch bei vielen Menschen eine Krise aus: Wohl jeder spürt angesichts der völlig neuen Epidemie-Situation mit dem ungewissen Ausgang Angst. Angst vor einem positiven Testergebnis, vor Krankheit, aber auch Angst vor einem Arbeitsplatzverlust.

Persönliche Nähe – ohne Ansteckungsgefahr

Dass die Entwicklung der Corona-Pandemie mit ihren harten Einschnitten in gelebte Gewohnheiten viele Menschen psychisch aufreibt, spürt derzeit die Telefon-Seelsorge. „Die Telefon-Seelsorge ist in Corona-Zeiten ideal geeignet, für Menschen mit ihren Nöten und Fragen da zu sein, da sie ja mediale Seelsorge und Beratung leistet“, sagt Pfarrer Traugott Weber, der Vorsitzende des Trägervereins der Telefonseelsorge Lörrach und Waldshut. Als kostenloses und völlig anonymes Gesprächsangebot ist es zweifellos das niederschwelligste Hilfsangebot in schwierigen Krisensituationen. Hier finden Hilfesuchende persönliche Nähe – und das ohne Ansteckungsgefahr.

Rund 5000 Anrufer gehen üblicherweise pro Jahr bei der Telefonzentrale für die beiden Landkreise Lörrach und Waldshut ein. „Eine erhöhte Nachfrage ist derzeit aus unserer Statistik noch nicht ablesbar“, berichtet Traugott Weber.

Vier Fakten zur Telefonseelsorge

Allerdings spiele das Thema Corona mit all seinen Folgen mittlerweile eine enorm wichtige Rolle: Mitte März waren es noch 25 bis 30 Prozent der Anrufe, die das Virus zum Thema hatten. Am 23. März, dem Tag, ab dem die Ausgangsbeschränkungen galten, waren es schon bis zu 50 Prozent der Anrufe. Ende März waren es 40 Prozent, inzwischen sind es etwa 37 Prozent.

Einsamkeit nimmt zu

Dabei geht es laut Traugott Weber nicht allein um Ängste: Spürbar sind auch die Folgen der Kontaktbeschränkungen, die bei vielen Menschen Einsamkeit hervorrufen. Etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Corona-Anrufe lassen sich in diese Kategorie fassen.

An zweiter Stelle folgen Ängste der Anrufer (15 bis 20 Prozent), die ebenfalls stark zugenommen haben. Bedingt durch Homeoffice, Home-Schooling und Quarantäne-Situationen treten vermehrt auch Partnerschafts- und Familienkonflikte auf. „Die waren allerdings auch vor Corona schon Spitzenreiter in der Themenstatistik“, so Traugott Weber.

Caritas-Angebot: Stress-Telefon für Familien und Jugendliche

„Oft werden wir gefragt, was wir in diesen Situationen den Anrufenden raten. Dazu muss man wissen, dass die Telefon-Seelsorge keine Ratschläge gibt. Denn auch Ratschläge sind Schläge“, beschreibt Pfarrer Weber die Herausforderung der ehrenamtlichen Helfer.

Möglichkeiten und Grenzen

„Sie versuchen, die Anrufenden in ihrer Situation ernst zu nehmen und mit ihnen zusammen ihren Weg zu finden.“ Aber den gefundenen Weg dann auch zu gehen könne die Telefon-Seelsorge den Anrufern nicht abnehmen.

Als eine Schwierigkeit in Zeiten von Corona zeigt sich, dass einige Beratungsstellen, an die die Telefon-Seelsorge bei Bedarf vermittelt hat, aufgrund der Ansteckungsgefahren inzwischen geschlossen sind. Aber viele Fachleute in diesen Stellen böten auch ein spezielles telefonisches Beratungsangebot, so Pfarrer Weber. Dies hat allerdings Grenzen: Beispielsweise ist eine Therapie per Telefon nicht möglich.

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