In den Kreisimpfzentren (KIZ) in Tiengen und Lörrach gibt es nun noch vor den Sommerferien spezielle Termine nur für Kinder. Und auch in einigen Schulen im Landkreis Waldshut haben mobile Impfteams erste Impfungen vorgenommen. Die Immunisierung der Kinder und Jugendlichen rückt nun mit dem Vormarsch der Delta-Variante immer mehr in den Fokus. Doch es gibt auch viele Bedenken.

Impfärtin Birgit Annen aus Albbruck-Buch.
Impfärtin Birgit Annen aus Albbruck-Buch. | Bild: Verena Wehrle

Auch Impfärztin Birgit Annen aus Albbruck vom KIZ Tiengen war zunächst skeptisch, was die Notwendigkeit der Impfung von Kindern anbelangt, wie sie sagt. Aber sie hat ihre Meinung inzwischen geändert. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER schildert sie die Gründe und erklärt auch, warum das mit der sinkenden Impfbereitschaft der Erwachsenen zu tun hat.

Ab welchem Alter geimpft wird

Auf Aufforderung der jeweiligen Schulleitung fahren nun auch die Mobilen Impfteams an die Schulen. Laut Gesundheitsamt ist dort aber bislang die Resonanz gering. „Das mag aber auch an dem gut ausgebauten Impfangebot für Kinder und Jugendliche im KIZ liegen“, so Tobias Herrmann, Pressesprecher des Landratsamts. In den KIZ werden Kinder ab zwölf Jahren geimpft. Dies sei zwar von der Ständigen Impfkommission (STIKO) erlaubt, aber nicht empfohlen, so Annen. Eine Empfehlung der STIKO gebe es hingegen ganz klar für über Zwölfjährige mit einer Vorerkrankung. Kinder erhalten nur den Impfstoff von Biontech.

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Bei Kindern von zwölf bis 16 müssen die Eltern unterschreiben und die Verantwortung für die Impfung tragen, wie Birgit Annen erläutert. Aber die Impfärzte würden sich auch immer mit den Kindern selbst austauschen: „Wir müssen nicht impfen, wenn ein Kind das ganz offensichtlich nicht will, aber das kam noch nicht vor.“ Ab 16 Jahren könne dann selbst unterschrieben werden, denn dann gelte man im medizinischen Bereich als entscheidungsfähig.

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Aktuell kämen mehr 16- bis 18-Jährige zur Impfung ins KIZ Tiengen, denn für dieses Alter gebe es bereits eine offizielle Empfehlung der STIKO. Grund für die fehlende Empfehlung bei Jüngeren sei mitunter, dass es für Kinder keine Zulassungsstudien gebe, so Annen. Es gebe lediglich eine Studie, die mit dem Impfstoff Biontech mit 1100 Kindern durchgeführt wurde. „Da ist die Aussagekraft begrenzt“.

„Es spricht nichts für Befürchtungen.“
Birgit Annen, Impfärztin im KIZ Tiengen

Aber die Impfärztin des KIZ Tiengen macht auch deutlich: „Die Tatsache, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) die Impfung für Kinder offenlässt, zeigt, dass es keinen Hinweis für ein Risiko gibt.“

Impfnachfrage der Erwachsenen sinkt

Aktuell sei im KIZ Tiengen immer mehr Impfstoff übrig, zumal es auch die Restbestände von Astrazeneca der Hausärzte erhalte, erklärt Annen. „Wir sehen, dass die Impfnachfrage bei den Erwachsenen sinkt“, sagt sie.

Und dafür hat die Ärztin aus Albbruck auch eine einfache Rechnung parat: Über 50 Prozent der deutschen Bürger seien bereits das erste Mal geimpft. Experten gingen davon aus, dass ein großer Anteil aller Erwachsenen eine Impfung grundsätzlich ablehnen, so Annen.

„Ich gehe nicht davon aus, dass die Impfquote bei Erwachsenen noch steigt, wer jetzt noch nicht geimpft ist, der will auch nicht.“
Birgit Annen, Impfärztin im KIZ Tiengen

Hinzu kommen 15 Prozent Kinder und Jugendliche. Mit dieser Rechnung sei es logisch, dass nun nicht mehr viele weitere Erstimpfungen bei Erwachsenen anstehen. „Wenn wir aber bei der jetzigen Impfquote von 60 Prozent bleiben, dann haben wir keine Herdenimmunität, dafür brauchen wir über 70 Prozent.“ Und auch das sei ein Grund, dass jetzt die Kinder an der Reihe seien.

63.000 ungeimpfte Erwachsene im Landkreis

Laut Landratsamt gebe es im Landkreis Waldshut rein rechnerisch noch rund 63.000 erwachsene Personen, die noch keine Impfung erhalten haben. Eine Anzahl jener, die partout nicht geimpft werden wollen, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht nennen, so Pressesprecher Tobias Herrmann. Schließlich lasse sich eine Nachfrage nach Corona-Impfungen weiterhin beobachten. Aber auch das Gesundheitsamt stelle fest, dass die Impfbereitschaft zurückgegangen ist, weshalb auch Termine offenbleiben. Erfreulich sei aber, dass man mit der erleichterten Impfterminvergabe über www.terminland.de/landkreis-waldshut/ und über die Corona-Hotline eine insgesamt gute Resonanz habe.

Die Impfquote und Impfnachfrage im Landkreis Waldshut

Was für die Impfung von Kindern spricht

Viele Eltern würden mit der Impfung ihres Nachwuchses warten, bis neue Studien erscheinen, so Birigt Annen. Auch die Ärztin selbst dachte noch vor zwei Wochen, man könne noch warten. Denn von dem Corona-Virus selbst ginge kein großes Risiko für Kinder aus. Heute – mit der Delta-Variante im Hinterkopf – denkt sie anders.

Denn: „Die Impfung der Kinder mach jetzt Sinn, da sich die wahnsinnig ansteckende Delta-Variante jetzt vor allem bei jungen Ungeimpften ausbreitet.“ Man rechne mit Ausbrüchen in den Schulen nach den Ferien. Die Schüler würden die Variante dann möglicherweise – ganz ohne Symptome – nach Hause tragen. „Doch wir wollen die Schulen nach den Ferien nicht wieder schließen“, so Annen. Sie hat selbst zehn Enkelkinder und hat als Kindertherapeutin gearbeitet, sie wisse also, wie grausam ein erneuter Lockdown für die Schüler sei.

Das sagt das Gesundheitsamt dazu

Das Gesundheitsamt Waldshut selbst gebe keine generelle Empfehlung für eine Kinderimpfung ab. Denn dazu könnten die Impfärzte sowie Kinderärzte umfassend beraten. Aus Sicht des Gesundheitsamts leiste aber jede geimpfte Person – selbstverständlich auch Kinder – einen wertvollen Beitrag zur Herdenimmunität und damit zur Eindämmung der Pandemie. Denn treffe das Virus auf eine geimpfte Person, werden Infektionsketten unterbrochen oder abgeschwächt und die Weiterverbreitung damit gebremst. „Das gilt insbesondere auch im Rahmen des Schulbetriebs, wenn auf relativ engem Raum viele ungeimpfte Personen zusammentreffen, sich das Virus dadurch gut verbreiten kann und eine infizierte Person viele enge Kontaktpersonen hat, die sich aus diesem Grund auch in Quarantäne begeben müssen“, schreibt das Gesundheitsamt auf Anfrage.

Delta-Variante im Vormarsch

Jetzt sei man in der Situation, dass die Impfquote der Erwachsenen kaum noch steigen könne und gleichzeitig die Delta-Variante immer mehr zunehme.

„Ich würde auf jeden Fall die Impfung vorziehen, in der Hoffnung, dass man nicht wieder in ständige Beschränkungen in der Schule reinrutscht.“
Birgit Annen, Impfärztin im KIZ Tiengen

Die Inzidenzen sinken zwar stark – von denjenigen, die sich infizieren, seien es aber immer mehr, die sich mit der Delta-Variante anstecken. Man müsse damit rechnen, dass die Variante weiter zunehme über den Sommer. „Ich würde mir wünschen, dass das Virus im Herbst nicht wieder an den Schulen grassiert und sich dort nicht ausbreitet.“

Kinder sind genauso Virusträger

Die Impfärztin räumt noch mit einem falschen Gerücht auf: Die Ansteckung und Übertragung des Coronavirus sei in allen Altersstufen gleich – auch, wenn man am Anfang gedacht habe, dass Kinder weniger ansteckend seien, weil sie eben keine oder nur eine leichte Symptomatik zeigen würden – „doch sie sind genauso Virusträger“, so Annen.

Gegen die Angst vor der Impfung

Wenn sie als Impfärztin im KIZ auf jemanden mit Angst vor der Impfung treffe, spreche sie mit ihm, versuche auf seine Ebene zu kommen, versuche zu erklären und das wirke dann auch. „Bei Unsicherheiten kann ich aufklären, aber wenn jemand – etwa aus dem Umfeld – eine festgefügte Meinung gegen die Impfung hat, dann wird‘s unmöglich, ihn umzustimmen.“ Solche Menschen würden den Weg ins Impfzentrum aber gar nicht erst auf sich nehmen.

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