Überraschung, Fassungslosigkeit, auch ein gutes Stück Wut und Empörung: Der russische Angriff auf die Ukraine am Donnerstag, 24. Februar, hat international sehr intensive Reaktionen hervorgerufen.
Auch die Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kirche am Hochrhein lassen die Entwicklungen im Osten Europas nicht kalt – haben sie doch auch für den Hochrhein sehr konkrete und möglicherweise gravierende Auswirkungen, insbesondere wenn sich der Krieg länger hinziehen sollte.
„Ein krasser Bruch des Völkerrechts“
Rita Schwarzelühr-Sutter, Bundestagsabgeordnete (SPD) und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium: „Der russische Angriff auf die Ukraine ist ein krasser Bruch des Völkerrechts, der durch nichts zu rechtfertigen ist. Wladimir Putin stellt Frieden und Sicherheit in Europa infrage.“
Die Europäische Union und die Weltgemeinschaft reagieren mit harten Sanktionen im Wirtschafts- und Finanzbereich, um diese Kriegsgewalt gegen einen souveränen Staat zu stoppen. Die Menschen in der Ukraine, die Gewalt und einer tödlichen Gefahr ausgesetzt seien, bräuchten jetzt „unsere volle Solidarität.“
Natürlich sei es nicht zu vermeiden, dass die Folgen weltweit zu spüren seien, wenn Sanktionen verhängt würden, „damit Aggressor Putin seinen Krieg beendet“, bedauert Schwarzelühr-Sutter: „Dass sich konkrete Folgen speziell für die Region ergeben könnten, ist noch nicht erkennbar.“
Und selbst wenn: „Der Frieden in Europa, die Verteidigung des internationalen Völkerrechts und der Schutz von unzähligen Menschenleben verlangen hier Geschlossenheit. Niemand darf sich wegducken.“
„Verhalten Russlands macht fassungslos“
Felix Schreiner, Bundestagsabgeordneter (CDU), sagt: „Es ist ein schwarzer Tag für den Frieden in Europa. Das Verhalten Russlands macht mich fassungslos, es darf uns aber nicht sprachlos machen.“ Es handle sich um einen Bruch des Völkerrechts, der aufs Schärfste zu verurteilen sei, die Sorge müsse nun zunächst einmal den Menschen im Kriegsgebiet gelten.
„Europa muss jetzt geschlossen und entschlossen zusammenstehen und deutlich machen: Wir stehen an der Seite der Ukraine.“ Außerdem dürfe es bei niemandem mehr ein naives oder falsches Verständnis gegenüber Putins Aggressionspolitik geben.
Der Bundestag müsse jetzt schnell Maßnahmen und Sanktionen beschließen, die man in Moskau verstehe. „Ich hoffe, auch Bundeskanzler Scholz findet endlich die richtige Tonlage gegenüber Russland. Meine Unterstützung hat er dabei.“
Schreiner erwartet aber auch direkte Auswirkungen auf die Region: „Angesichts steigender Energiepreise werden wir in der Politik Maßnahmen ergreifen müssen, die die Bürger entlastet. Es braucht aber auch eine neue Antwort auf die Versorgungssicherheit.“
„Katastrophe für Menschen in der Ukraine und Frieden in Europa“
Uwe Böhm, Geschäftsführer des Bereichs Internationales bei der IHK Hochrhein-Bodensee, erklärt: „Zuallererst ist die russische Invasion eine Katastrophe für die Menschen in der Ukraine und den Frieden in Europa. Die wirtschaftlichen Folgen sind aktuell noch nicht abzuschätzen. Sie werden aber in jedem Fall gravierend sein – nicht zuletzt, weil Sanktionen wirtschaftlich gesehen immer in beide Richtungen negative Auswirkungen haben.“
Viele Unternehmen in der Region haben geschäftliche Beziehungen mit Russland, manche sind sogar vor Ort mit eigenen Produktionsstätten aktiv. Hinzu komme, dass es am Hochrhein einige sehr energieintensive Branchen gebe. Hier sei zu erwarten, dass steigende Energiepreise drastisch zu Buche schlagen werden. Aber auch bei Rohstofflieferungen zeichnen sich schwerwiegende Folgen ab: „Wir haben hier traditionell ein Aluminiumcluster und Russland ist einer der weltweit größten Lieferanten.“
„Auswirkungen werden auch bei uns spürbar sein“
Martin Kistler, Landrat von Waldshut, konstatiert: „In einer globalisierten Welt werden Auswirkungen auch bei uns in Deutschland unmittelbar spürbar – als Beispiel seien die Themen Migration/Flüchlinge, Energie und wirtschaftliche Entwicklung genannt. Wie alle zuständigen Stellen und viele Bürger beobachten wir die Lage. Mögliche Entwicklungen wie Flüchtlingsbewegungen sind stets Teil unserer Planung.“
Marion Dammann, Landrätin von Lörrach: „Als Person bin ich, wie vermutlich die meisten, bestürzt, dass in Europa ein Krieg ausbricht und die von demokratisch legitimierten Staaten eingesetzten Instrumente dieses offenbar nicht verhindern konnten.“
Bei einem Besuch der Ukraine vor einigen Jahren habe sie die Menschen sehr aufgeschlossen und gastfreundlich wahrgenommen und sei zahlreichen jungen Menschen begegnet, die ihre Zukunft in Europa sahen, erinnert sich Dammann. Die Region hingegen müsse sich auf wirtschaftliche Folgen ebenso einstellen wie auf Flüchtlingsbewegungen und Auswirkungen auf den Energiemarkt.
„Russische Aggression ist in vollstem Umfang zu verurteilen“

Philipp Frank, Oberbürgermeister von Waldshut-Tiengen: „Die Entwicklung in der Ukraine bestürzt mich und macht tief betroffen.“ Welche Auswirkungen sie auf das Leben in der Region habe, darüber könne man im Moment nur mutmaßen.
„Meine Gedanken sind bei den Bürgern der Ukraine und ihren im Ausland, also auch in Deutschland – und hier ganz besonders in unserer Stadt und Region – lebenden Angehörigen. Ich hoffe, dass es gelingt, die Spirale der Eskalation zu stoppen und den Konflikt schnellstmöglich mit diplomatischen Mitteln, also ohne weiteren Einsatz von Waffen beizulegen“, so Frank weiter.
Klaus Eberhardt, Oberbürgermeister von Rheinfelden: „Nach vielen Jahrzehnten der Friedenssicherung in Europa betrachte ich den Angriff als Affront gegen bestehende Verträge und Völkerrecht und bedaure, dass einzelne politische Ambitionen zu Lasten von vielen Millionen Menschen gehen, die sich nach Freiheit und Demokratie sehnen.“
Er gehe davon aus, dass eine längere kriegerische Auseinandersetzung für die Wirtschaftsentwicklung Folgen in unserer Region haben wird, insbesondere im Bereich der Energieversorgung. Bezogen auf Rheinfelden betrachte ich die Entwicklung unserer Aluminium Rheinfelden mit Sorge, da der russische Konzern Rusal die Entwicklung dieses Traditionsunternehmens in Rheinfelden maßgebend beeinflusst.
„Schlimmster Alptraum wurde wahr“
Alexander Guhl, Bürgermeister von Bad Säckingen: „Krieg in Europa – der schlimmste Alptraum wurde wahr. Meine Gedanken sind bei den betroffenen Menschen in der Ukraine und ich kann nur hoffen und beten, dass Russland umgehend seine Aggressionen einstellt und an den Verhandlungstisch zurückkehrt.“ Immer seien es unschuldige Menschen, die unter „dem Machtwahn von Diktaturen“ leiden, so Guhl.
Hoffnung mache aber, dass die Bundesrepublik und Europa gemeinsam mit den Verbündeten in Übersee eine klare Sprache sprechen. Er hoffe, dass die Weltgemeinschaft insgesamt „der Diktatur Putin klar macht, dass kein Diktator über dem Recht steht“.
Wirtschaftliche Auswirkungen werde es mit Sicherheit geben, das sei jedoch momentan für ihn „absolut zweitrangig“. Zu schockiert sei er von den aktuellen Entwicklungen und dem Erleben, dass ein Staat einem anderen souveränen Staat den Krieg aufzwingt.
Michael Thater, Bürgermeister von Wehr und Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Kreistag Waldshut: „Die Entwicklung um die Ukraine hat mich bereits in den letzten Wochen sehr besorgt. Im Prinzip wird hier vor den Augen der Welt die Annexion der Ukraine vorbereitet und jetzt umgesetzt.“ Es sei eine Situation, wie man sie in Europa über Jahrzehnte für unmöglich gehalten habe.
Er sei sehr betroffen und erwarte jetzt von der internationalen Gemeinschaft eine „klare und konsequente Reaktion“, betont Thater: „Werte sind eben nicht nur für die schönen Tage, sondern bewähren sich in der Krise! Mich erinnert die ganze Szenerie heute fatal an das ‚Seit 5:45 Uhr wird zurückgeschossen‘ vom 1. September 1939; und in diesem Kontext sollten wir gelernt haben, dass Aggressoren sich durch Appeasement nicht beeinflussen lassen.“
„Racheakt gegen den Westen“
Rolf Schmidt, Fraktionssprecher CDU im Kreistag, hätte nach den vielen Gesprächen von Regierungschefs mit Putin nicht mit einem Angriff auf die Ukraine gerechnet: „Ich sehe das als Racheakt gegenüber dem Westen, der seine Forderungen auf einen Verzicht Nato-Beitritt der Ukraine nicht erfüllte.“ Die wirtschaftlichen Folgen für die Region sieht er als „nicht zu hoch“ an: „Ich hoffe nicht, dass sich der Konflikt weiter nach Westen ausdehnt.“
Ruth Cremer-Ricken, Fraktionssprecherin Grüne im Kreistag, blickt mit Entsetzen auf die “Missachtung der Souveränität des Nachbarstaates Ukraine und die kaltblütige, Völkerrecht verletzende Aggression von Putin“ mit der militärischen Macht seines Staates.
„Er führt nicht nur einen Krieg gegen einen freiheitlichen Staat, sondern auch gegen die Menschen, die sich für einen demokratischen Weg mit freien Wahlen entschieden haben.“
Cremer-Ricken rechnet mit Auswirkungen auf Teile der Industrie und Wirtschaft auch am Hochrhein. Sie ist überzeugt davon, „dass wir dies aushalten müssen und auch können. Diese Aggressionen und dieser Krieg brauchen eine deutliche Antwort“.
Volker Jungmann, Fraktionssprecher der SPD im Kreistag: „Ich habe natürlich große Bedenken, dass unsere Region mehr Flüchtlinge aufnehmen wird und Russland sich wirtschaftlich weiter an China anlehnt. Damit wäre der Westen obsolet. Eine Rationierung von Energie wie Gas und Sprit langfristig möglich.“
Klaus Denzinger, Fraktionssprecher FDP im Kreistag, hat die Nachricht vom Angriff russischer Streitkräfte auf die Ukraine „erschüttert“, wie er sagt. Trotz Putins Drohungen habe er nicht damit gerechnet, dass dieser die Ukraine angreift: „Ich hoffe, dass die Lage jetzt nicht noch weiter eskaliert und sich die Vernunft durchsetzt!“
Denzinger ist davon überzeugt, dass die Sanktionen der Europäischen Union gegenüber Russland auch Auswirkungen auf die Wirtschaft am Hochrhein haben wird, schon allein wegen steigender Energiepreise. „Gerade Firmen, die ihren Schwerpunkt im Handel mit Russland haben, werden Probleme bekommen, das werden auch deren Mitarbeiter zu spüren bekommen.“
Bernhard Boll, Kreisrat AfD, kennt Kiew von zahlreichen Aufenthalten. Er habe die Aufbauleistung der Ukrainer stets bewundert. „Dass es nach den olympischen Spielen zu Kriegshandlungen kommt, damit habe ich gerechnet. Hoffentlich bleiben sie begrenzt auf die Ostukraine.“
Mit einer „feministischen Außenpolitik“ komme man gegen einen Truppenaufmarsch nicht an. Die fehlende Unterstützung des Westens für die Ukraine sei beschämend. Boll rechnet mit weiter steigenden Energie- und Rohstoffpreisen, die Einfluss auf alle Wirtschaftszweige haben werden.
„Krieg hat immer nur Verlierer auf allen Seiten“
Peter Berg, Dekan der katholischen Kirche am Hochrhein: „Was da jetzt in der Ukraine geschieht, das macht mich unheimlich traurig, und es macht mir große Angst.“ Er denke an die Betroffenen vor Ort, die sich in einer fürchterlichen Situation befinden, die das Leben aller bedroht. „Wie krank sind solche Menschen, die ihren Machtgelüsten so viele Menschenleben opfern?“
Nun sei aber Hilfsbereitschaft das A und O: „Flüchtlinge werden sicher auch zu uns kommen, und wir müssen bereit sein, sie aufzunehmen.“ Er hoffe, dass die Politiker einen klaren Kopf behalten und weiterhin auch auf Diplomatie setzen, so Berg: „Und ich vertraue auch der Macht des Gebetes mit der Bitte um Frieden für die Ukraine, für uns und für die ganze Welt.“
Christiane Vogel, Dekanin der evangelischen Kirche am Hochrhein, erklärt, dass der Angriff Russlands Völkerrecht und der Menschenwürde widerspräche. „Ein Krieg hat immer nur Verlierer auf allen Seiten.“ Die Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft könne sie nicht einschätzen.