Susann Duygu-D'Souza

Nach der Bekanntgabe der Schließung der Lauffenmühle zum 31. Juli dieses Jahres erheben Mitarbeiter und ehemalige Angestellte Vorwürfe gegen die beiden Geschäftsführer Volker Steidel und Werner Ritzi sowie die Daun-Gruppe, Bürgermeister Thomas Schäuble und Insolvenzverwalter Philipp Grub. Rund zehn Beschäftigte der Lauffenmühle sind sich sicher: „Das Unternehmen hätte gerettet werden können, wenn man das auch gewollt hätte.“ Die Mitarbeiter der Firma wollen anonym bleiben, aus Angst, keine Abfindung mehr zu bekommen oder fristlos gekündigt zu werden. Die Namen sind der Redaktion aber bekannt.

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Vorwurf 1: Zu wenig Einsatz beim Finden eines Investors

Mittlerweile aus dem Betrieb ausgeschiedene Mitarbeiter werfen den beiden Geschäftsführern, die jeweils 47 Prozent der Lauffenmühle besitzen, und dem Insolvenzverwalter vor, bei der Suche nach möglichen Investoren keinen großen Aufwand betrieben zu haben: „Wir haben mitbekommen, dass die Geschäftsführung sagte, sie hätten alle möglichen Textilunternehmen für eine mögliche Übernahme des Betriebes in Deutschland und Europa angeschrieben. Dass das aber nicht der Fall war, haben Mitarbeiter herausgefunden, als wir selbst große Betriebe angeschrieben haben. Diese gaben an, dass sie vorher nicht kontaktiert worden seien.“ Auf die zahlreichen Briefe der Mitarbeiter hätten sich zwei große Textiler gemeldet, die Interesse gezeigt hätten, unter anderem einer aus Österreich. Aber das wurde vom Insolvenzverwalter gleich abgetan, wie uns gesagt wurde. Er habe den Interessenten gesagt, dass sich eine Investition in unseren Betrieb nicht lohne. Aber ist es nicht Aufgabe eines Insolvenzverwalters, mögliche Investoren zu überzeugen?“

Dazu sagt Insolvenzverwalter Philipp Grub: „Es hat einen Interessenten aus Österreich gegeben, aber auch der ist kurz vor dem Ziel abgesprungen.“ Grub weiter: „Wir haben die vergangenen Monate weltweit nach möglichen Investoren gesucht, aber wo fängt man an und wo hört man auf? Alle Interessenten haben Einblicke in die Bücher erhalten und kamen alle zu dem selben Schluss, dass sich eine Investition in die Lauffenmühle wirtschaftlich nicht lohnt. Es gibt einfach zu viele Bereiche, die nicht mehr stimmen.“

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Vorwurf 2: Die Auftragslage sei gut gewesen

Die Mitarbeiter: „Wir hatten das Gefühl, dass es endlich wieder mit der Produktion bergauf geht. Wir konnten unsere Qualität steigern und hatten auch wieder mehr Aufträge.“

Dazu erklärt Geschäftsführer Werner Ritzi: „Die Jahre 2016 und 2017 liefen auftragsbezogen sehr gut. Ab Anfang 2018 ging die Nachfrage spürbar zurück, worauf wir sofort mit Kurzarbeit reagierten.
Gegen Mitte 2018 war der gesamte Umsatzrückgang gegenüber Vorjahr
in Höhe von 15 Prozent absehbar, gleichzeitig ging unsere Markteinschätzung für 2019 von weiteren Umsatzverlusten bis zehn Prozent gegenüber 2018 aus. Die Suche nach einem strategischen Partner aus der Branche erfolgte bereits ab Sommer 2018 durch ein beauftragtes Unternehmen. Die Suche wurde trotz Anmeldung zur Insolvenz intensiv weitergeführt.

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Dazu Insolvenzverwalter Philipp Grub: Jahrelang hätte sich die Lauffenmühle am Markt behaupten können, denn sie hat sich auf komplizierte und exklusive Stoffe für Arbeitsbekleidung spezialisiert, aber „seit einiger Zeit produziert auch Asien diese Stoffe. Und der Markt ist eben nicht bereit, höhere Preise zu zahlen, nur weil in Deutschland produziert wird“. Ein weiteres Problem der Lauffenmühle sei die geringe Produktionsmenge. „Der Betrieb ist mittlerweile zu klein geworden“, sagt der Insolvenzverwalter. Deshalb hätte der Preis nicht über die Masse angepasst werden können. Grub: „Weil wir durch die Insolvenzen der vergangenen Jahre Vertrauen verloren haben, gab es beispielsweise auch keine Top-Konditionen von Zulieferern mehr.“

Vorwurf 3: Die Daun-Gruppe habe Betriebsvermögen abgezogen

Was die Mitarbeiter beschäftigt und bei ihnen Fragen aufwirft ist, dass die Daun-Gruppe Maschinen und das Grundstück einer anderen Firma – die Lauffenmühle Systems – überschrieben hat, die auch der Daun-Gruppe gehört.

Dazu sagt die Daun-Gruppe: „Die Lauffenmühle System gehört zu 100 Prozent zur Insolvenzmasse und damit zum Verfügungsbereich des Insolvenzverwalters.“

Die Daun-Gruppe, die mit sechs Prozent an der Lauffenmühle beteiligt ist, sei nicht mehr bereit, weiter Geld in die Lauffenmühle zu investieren. Seit der Übernahme 1997 habe die Daun-Gruppe laut Ritzi über 40 Millionen Euro in die Lauffenmühle investiert. Laut Philipp Grub und Werner Ritzi hätten Investoren Millionen aufgrund eines Investitionsstaus in neue Maschinen und Technik einbringen müssen.

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Vorwurf 4: Geschäftsführer Steidel soll sich bereichert haben

Gegen Volker Steidel, den zweiten Geschäftsführer, erheben die Mitarbeiter ebenfalls Vorwürfe: So soll er Zweitfirmen (VKS GmbH und Inogema GmbH) gegründet haben, um sich selbst zu bereichern. Geschäftsführer Volker Steidel habe laut der Mitarbeiter über die VKS GmbH Schlichtemittel, die für die Produktion benötigt werden, zu einem deutlich teureren Preis, an die Lauffenmühle verkauft, obwohl es sich, laut der Lauffenmühle-Belegschaft, um dasselbe Produkt gehandelt hätte, mit dem davor gearbeitet worden sei. Einziger Unterschied: der Preis.

Richtig ist laut Volker Steidel, dass er über die Firma VKS Schlichtemittel an die Lauffenmühle verkauft hat, nachdem die ursprüngliche Zuliefererfirma ihren Betrieb 2016 eingestellt hat. Er habe zuvor ein neues Konzept in diesem Bereich entwickelt, das auf Nachhaltigkeit setzt und durch das Einsparungen erzielt werden könnten. Dieses Produkt hat er der ursprünglichen Firma zur Verfügung gestellt, im Gegenzug hat diese sich um Entwicklung und Mitarbeiterschulungen gekümmert. Ab 2010 – nachdem das Produkt entwickelt war und alle Mitarbeiter geschult wurden – kam das Produkt zum Einsatz.

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„Durch das neue Schlichtemittel hat die Lauffenmühle nachhaltig 350.000 Euro jährlich gespart. Die Summe kam zum einen durch Einsparungen in der Entsorgung zustande und zum anderen dadurch, dass wir weniger Produkt benötigten. Das neue Schlichtemittel war zwar letztendlich jährlich um 80.000 Euro teurer, aber dafür waren Service wie Mitarbeiterschulungen und Weiterentwicklung des Produktes inbegriffen. Und so hat die Lauffenmühle ab 2010 bis heute nachweislich rund drei Millionen Euro eingespart, trotz höherer Produktkosten. Ich habe erst 2016 den Zulieferer übernommen und zu den gleichen Konditionen das Produkt an die Lauffenmühle verkauft.“

Die zweite Firma Steidels – die Firma Inogema GmbH – wurde am 21. Mai dieses Jahres gegründet. Sie ist laut Handelsregister auf den Handel mit Produkten und Dienstleistungen für die Herstellung von Bekleidung spezialisiert. Jetzt fragen sich die Mitarbeiter vor dem Hintergrund der Insolvenz: Will Seidel aus dem Know-How der Lauffenmühle Kapital schlagen? Volker Steidel: „Ich muss meine Existenz nach Schließung der Lauffenmühle auch weiterführen. Ich habe in der vergangenen Zeit Produkte entwickelt, mit denen ich künftig im Bereich Kreislaufwirtschaft Geld verdienen muss. Ich habe bis zum 2. April für die Lauffenmühle gekämpft, habe mich für die einstufige Weiterführung des Betriebes eingesetzt, die aber vom Gläubigerausschuss abgelehnt wurde. Nach Jahren hat das Kämpfen jetzt ein Ende.“

Dazu sagt Insolvenzverwalter Philipp Grub: „Auch wenn an den Vorwürfen etwas Wahres dran sein sollte, hätten alle Vorwürfe zusammen den Betrieb nie in diese Schieflage gebracht.“

Vorwurf 5: Bürgermeister Schäuble soll zu wenig Einsatz gezeigt haben

Durch die Insolvenz verlieren rund 240 Mitarbeiter der Lauffenmühle, die teils seit Jahrzehnten dort beschäftigt sind, ihre Arbeitsplätze. Die Beschäftigten: „Weil wir alle unter Druck sind, einen neuen Job zu bekommen, erhalten wir nur Angebote im Mindestlohnbereich. Wir müssen aber doch unsere Familien ernähren können.“ In diesem Zusammenhang werden auch gegen Lauchringens Bürgermeister Thomas Schäuble Vorwürfe erhoben, er habe sich nicht für die Zukunft der Lauffenmühle stark gemacht und gleich einen Vorschlag für eine Überbauung des Betriebsgeländes in petto gehabt. Zudem habe er den Mitarbeitern zugesichert, eine Art Job-Börse zu organisieren, um bei der Vermittlung einer Stelle zu helfen.

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Dazu sagt Bürgermeister Thomas Schäuble: „Die Jobbörse sollte vom Arbeitsamt Lörrach organisiert werden, und ich selbst habe zugesichert, dass sich die Gemeinde mit der kostenlosen Überlassung von dazu geeigneten Räumen beteiligt. Leider ist das Arbeitsamt diesbezüglich noch nicht an uns herangetreten. Unsere kommunale Jobbörse bestand darin, dass wir in den letzten Wochen vier Mitarbeiter der Lauffenmühle eingestellt haben.“ Viele Gespräche hätte er mit hiesigen Betrieben und Unternehmen geführt. „Bei der öffentlichen Kundgebung am Tag der offenen Tür habe ich persönlich jedem gekündigten Arbeitnehmer angeboten, mit mir ein Gespräch über seine persönliche Situation zu führen. Bisher hat erst ein Mitarbeiter dieses Angebot genutzt.“ Schäuble weiter: „Für uns als Gemeinde besteht die schwierige Aufgabe nun darin, sich für die Zeit nach einer eventuellen Betriebsschließung, einen Plan B zurechtzulegen und zu entscheiden, was mit dieser innerörtlichen Gewerbebrache in Zukunft geschehen soll. Damit wird sich der neue Gemeinderat in seiner Klausurtagung Ende September auseinandersetzen.“