„Ich möchte etwas zu dieser miserablen Situation sagen“, beginnt Matthias Franki das Gespräch über die medizinische Versorgung junger Patienten im Kreis Waldshut. Der Kinder- und Jugendarzt zieht gerade aus seiner Praxis in Laufenburg aus. Einen Nachfolger gibt es, wie auch anderswo im Landkreis, nicht. Das sei ein gravierender, aber vermeidbarer Mangel, sagt der 47-Jährige.
Erfolglose Suche nach Nachfolgern
Franki habe seine Arbeit im September aus gesundheitlichen Gründen einstellen müssen, wie er sagt. So sei ihm kaum Zeit geblieben, einen Ersatz zu finden. Mit der erfolglosen Suche ist er nicht alleine: Franki spricht über drei Fachärzte im Kreis, die seit Jahren niemanden finden und sogar Geld in einen überregionalen Aufruf investiert hätten. „Der springende Punkt ist, es gibt niemanden, der hierherkommt“, sagt der Mediziner gegenüber dem SÜDKURIER.
Vor dieser bitteren Erkenntnis erscheine ihm die Altersstruktur der Praktizierenden besonders problematisch. Zu Erinnerung: Schon jetzt sind die meisten Kinderärzte im Kreis über 60 Jahre alt und dem Ruhestand nahe. Mit jeder künftigen Schließung einer Praxis sinke die Qualität und Leistung der medizinischen Versorgung junger Patienten, so Franki.
Verbleibende Ärzte würden durch Patientenschwämme belastet und könnten sich nur noch um die dringenden Krankheitsfälle kümmern. Unter Zeitdruck sei die frühzeitige Erkennung von gesundheitlichen Problemen nicht mehr machbar, sagt der 47-Jährige. Eltern seien berechtigterweise besorgt.
Die Bedarfsplanung zieht an der Realität vorbei
„Früher war der Aufwand pro Patient weniger. Heute leisten wir mehr Beratungen und Vorsorge-Untersuchungen“, erklärt Franki weiter. Um den Aufwand zu deckeln, brauche es mehr Ärzte, als von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) kalkuliert. Die Parameter der Formel für die Bedarfsplanung würden nicht mehr mit der Realität der Leistungen eines Jugendarztes übereinstimmen, so der Fachmann.

Zur Erklärung: Bei der Bedarfsplanung handelt es sich um ein vom Gesetzgeber vorgegebenes Rechenwerk. Es stellt sicher, dass genügend Ärzte regional vorhanden sind. Mit einem kinderärztlichen Versorgungsgrad von 121,7 Prozent gilt der Landkreis Waldshut als überversorgt. Neue Niederlassungen weiterer Ärzte sind blockiert – obwohl diese für eine qualitative Versorgung dringend benötigt seien, schreiben Landtagsabgeordnete an die KV. „Die Bedarfsplanung ist ein bitterer Witz“, sagt der Facharzt. Auch der „Bürokratiewahnsinn“ der KV würde Probleme im Versorgungssektor verstärken.
Das Problem liegt auf höherer Ebene
Franki sieht die Politiker der Landes- und Bundesregierung in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen. Denn diese seien in der Vergangenheit verschlafen worden, auch im Bereich der Nachwuchsförderung. „Wir wissen, dass viele Menschen Medizin studieren wollen, es aber nicht können. Meist reicht ihr Abitur-Schnitt nicht aus, um an die wenigen Studienplätze zu kommen“, so Franki. Es sei schlichtweg versäumt worden, mehr Angebote an Universitäten zu schaffen.
„Das Problem liegt auf höherer und nicht auf kommunaler Ebene“, sagt der Facharzt. Er sehe die Bemühungen um Nachwuchs und neue Studiengänge seitens der Kommunalen Gesundheitskonferenz (KGK). Auch der Laufenburger Bürgermeister Ulrich Krieger habe in seinem möglichen Rahmen unterstützt, einen neuen Kinder- und Jugendarzt für die Kleinstadt zu finden. „Ich fürchte aber, dass das nicht ausreichen wird“, so der 47-Jährige.
So hätte es mehr Kinderärzte im Kreis geben können
Er nennt Beispiele, die zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation hätten führen können. „Es gibt im Zentralklinikum Waldshut keine Abteilung für Kinderheilkunde. Wenn das eingerichtet wäre, hätte es dort bestimmt Assistenzärzte gegeben. Der ein oder andere hätte sich dann entschieden, hier auch eine Praxis zu übernehmen. Schade, dass es nicht gelungen ist. Dann wäre Optimismus möglich“, so der Facharzt.
Er habe aktuell nur wenig Hoffnung auf neue Kinderärzte in den Einzelpraxen der Region. Laufenburg sei wegen der Nähe zur Schweiz im Nachteil. „Nur wenige Kilometer weiter gibt es mehr Gehalt.“ Wenn es Mediziner nicht über die Grenze ziehe, dann blieben sie beruflich in der Umgebung ihres Wohnortes, kann Franki nachvollziehen.
Zu Hause in Lörrach lockte ihn vor acht Jahren das nah gelegene Angebot einer eigenen Praxis an die Kleinstadt am Hochrhein. „Man wird hier gebraucht“, sagt er zu seiner Motivation, auf deutscher Seite zu praktizieren. Allerdings sei er damals alleiniger Interessent für die Praxis in Laufenburg gewesen – wohl ein frühes Indiz für den Mangel an neuen Ärzten, der vermeidbar gewesen wäre, schließt Franki.