Die Älteren haben noch dieses fast idyllische Bild vor Augen: auf dem angestauten Rhein ein Weidling mit einem dunkel gekleideten Fischer. Behutsam holt er seine Netze aus dem Wasser oder kontrolliert die Reusen, ob sich in ihnen Fische verfangen haben. Der Name, Adolf Rueb, genannt Götti, wobei niemand weiß, wie und warum er zu diesem Namen gekommen ist. Er war der Götti von Ernst Rueb, dem Vater von Barbara Rueb und Ehefrau des Autors dieser Zeilen.
Fast vier Jahrzehnte lang gehörte dieser Anblick an jedem Werktag zum Stadtbild, von 1919 bis zum Juli 1956. An einem schwülheißen Sommertag, als er gegen seine Gewohnheit ohne Hut unterwegs war, erlitt er einen Hitzeschlag und konnte mit Mühe und Not seinen Uferplatz am Rhein unterhalb seines Hauses in der Hauptstraße 16 erreichen. Er hängte daraufhin seinen Beruf und das Fischernetz an den besagten Nagel und zog sich in seine Stube zurück. Verpflegt und umsorgt wurde er von der Familie seines Patenkindes aus dem Hause nebenan. Am 6. Dezember 1963 ist er im Alter von 82 Jahren friedlich für immer eingeschlafen.
Seit vielen Generationen waren die Ruebs in der Wasserenge des Rheines Salmenfischer. Neben diesem einträglichen Saisongeschäft – vor allem im November und Dezember – hatte jeder Rueb noch einen Beruf erlernt, Göttis Vater den eines Kaufmanns. Ernst und Maria Rueb freuten sich am 4. Februar 1881 über die Geburt ihres Sohnes Adolf.
Er besuchte die Volksschule im Rathaus mit sehr gutem Erfolg und machte im schweizerischen Mumpf eine Lehre als Bootsbauer. Seinen Wehrdienst leistete er als Pionier in Kehl ab. In Laufenburg saß er während der Wanderzeit der Salmen rheinaufwärts wie sein Vater und seine Onkels im Hügen unterhalb des mittleren Brückenpfeilers in einer wasserdichten Hütte. In dem blockartigen Holzgerüst des Hügens war eine Mechanik verborgen, mit der man das Netz nach oben schnellen konnte, wenn ein Salm darüber schwamm. Man fischte auch mit dem großen Bären, mit Käschern, entlang dem Ufer, wo sich die Salmen ausruhten, bevor sie sich durch den Laufen rheinaufwärts kämpften.
Als 1912 beim Bau des Kraftwerks die Mauer von einer Talseite zur anderen geschlossen war, gab es kein Durchkommen mehr für die Salmen. Adolf Rueb blieb nur eine Entschädigung und die sogenannte kleine Fischweid mit Nasen, Barben, Aalen und Hechten. In der Erinnerung blieb er der letzte Salmenfischer auf der badischen Seite.
Zwei Jahre später begann der Erste Weltkrieg, und der Rekrut Rueb fuhr in seine Kaserne nach Lörrach. In der Festung Istein wurde er zum Minenwerfer ausgebildet, an mörserartigen Gebilden, die gewaltige Bomben in die Luft jagten, die dann fast senkrecht einschlugen und auch starke Befestigungen durchschlugen. In den mörderischen Kämpfen am Hartmannsweiler Kopf war auch Adolf Rueb als Unteroffizier eingesetzt, bis er kurz vor Weihnachten 1915 am rechten Knöchel verwundet wurde. Nach einem Lazarettaufenthalt hat man ihn an die Ostfront geschickt. Nach Kriegsende kehrte er in seine Heimat zurück und fischte wie vordem wieder im Rhein.
Damit ist dieses Lebensbild noch nicht abgerundet, denn Adolf Rueb war nicht nur Fischer. In der Fasnacht trug er mit Freude das Kleid der Narronen und tanzte gern. „Luschdig isch de Götti Rueb, wenn er Samba danze duet.“ Dieser Narrenvers wird noch heute am Fasnachtsdienstag beim Auswerfen von den Kindern und Jugendlichen vielmals gerufen.
Adolf Rueb liebte den Wein und die Gasthäuser Sternen und Rebstock, er erzählte in seiner alemannischen Mundart humorvoll und lebte sonst recht bescheiden. Er war bei der Feuerwehr dabei und spielte als ein hochmusikalischer Mann meisterlich die Klarinette in beiden Stadtmusiken, deren Ehrenmitglied er war. Auch im Männergesangverein war man stolz auf ihn. Im Wirtshaus hat man den Götti oft gesehen, seltener in der Heilig Geist-Kirche, obwohl er dort als Stiftungsrat fungierte, aber an den Herrgott hat er sicher geglaubt, allein schon im Höllenfeuer des Ersten Weltkriegs.