Wie kann man eine Person, ihr Leben und ihre Bedeutung erklären, die 1711 – also vor 310 Jahren – gestorben ist? Wenn keine Biografie vorliegt und auch kein zur Lebenszeit entstandenes Bild, dann geht man – wenn vorhanden – zum Grabstein.
Der Grabstein von Johann Kaspar Albrecht steht bis heute im Chor der Luttinger Martinskirche, die vor dem Zweiten Weltkrieg nach Norden erweitert wurde, wodurch der Chor zum Seitenschiff geworden ist. Das eindrucksvolle Monument zeigt oben über dem Wappen einen Kelch. Das ist das Symbol für einen Priester und hier auch für einen Pfarrherren. Die steinerne Gnadenkette, die den oberen Teil des Grabsteins umrundet, war in Wirklichkeit aus Gold und ein Geschenk und Gnadenerweis des Kaisers Leopold. Er und sein Kriegsrat in Wien wussten, was sie am Offizier Johann Kaspar Albrecht und an dem Hauptmann des Hauensteiner Landfahnens hatten. Zwischen dem reliefartigen Oberteil des Steins und dem Oval mit der Inschrift darunter sind Kriegstrophäen zu erkennen: Kanone, Kugeln und Pulversäcke, Säbel, Speere und Lanzen.

Noch im Dreißigjährigen Krieg wird Johann Kaspar Alblrecht 1639 in Waldshut geboren, aber auch nach dem Friedensschluss von 1648 ließen Feldzüge, Belagerungen und Plünderungen französischer Truppen die österreichischen Vorlande nicht zur Ruhe kommen. Johann Kaspar besuchte die heimische Lateinschule und erlangte im Kloster St. Blasien die Studienreife, sodass er in Freiburg katholische Theologie studieren konnte. Nach der Priesterweihe war er in Waldshut Kaplan, bis er 1674 die gut dotierte Pfarrei in Luttingen erhielt.
König Ludwig der XIV. befahl seiner Armee 1688, in den deutschen Sudwesten einzufallen, da er meinte, Erbansprüche auf Kurpfalz mit der Residenz Heidelberg zu besitzen. Ein Truppenteil durchbrach im Oktober die Schanze Rotes Haus bei Murg und konnte in Rheintal und Hotzenwald vordringen. Der Grund: Österreichische Offiziere hatten ihre Soldaten ins Wehratal abgezogen. Die Wehrmänner aus den acht Einungen und aus Waldshut waren höchst unzufrieden und verlangten, der Feldkaplan Johann Kaspar Albrecht solle ihr Hauptmann sein und sie befehligen. Trotz der Ablehnung durch den Waldvogt setzten sich die Männer durch. Fortan war der Pfarrer mehr im Feld als bei den Gläubigen in Luttingen.
Diese waren es 1694 leid, ohne geistlichen Beistand zu leben. Auch der versprochene Kaplan war nicht erschienen und ihr Pfarrer seit mehr als fünf Jahren abwesend. Die Luttinger schrieben daher an den Waldvogt in Waldshut, er gab die Schrift weiter an den Bischof in Konstanz, der seinen Pfarrer ermahnte, und an die österreichische Regierung in Innsbruck. Die Antwort von dort: Pfarrer Albrecht könne aus seiner Charge als Hauptmann nicht entlassen werden.
Damals bestand der Hauensteiner Landfahnen aus 900 gemusterten und ausgebildeten Wehrmännern, die jeweils über ein Gewehr, über Pulver und Blei für 15 Schuss verfügten. Dazu zählten noch die Truppen aus St. Blasien sowie aus den österreichischen Vogteien Schönau und Todtmoos. Diese konnten 1704 beweisen, was sie unter dem Befehl von Pfarrer und Hauptmann Albrecht bei der Landesverteidigung leisten konnten.
Im Spanischen Erbfolgekrieg ging es darum, ob die französischen Bourbonen oder die deutschen Habsburger den leeren Thron in Madrid besteigen. Die Franzosen konnten damals bis St. Blasien vorstoßen, dann versperrten ihnen Hauptmann Albrecht und seine Mannen den weiteren Vormarsch. Sie kannten die Straßen, die Täler und die Pässe besser als die Eindringlinge. Mitten in den Kriegswirren ist der Pfarrer und Offizier Johann Kaspar Albrecht am 17. März 1711 im Alter von 72 Jahren gestorben. Ob die Luttinger wohl um ihn getrauert haben?