Stadtarchivar Martin Blümcke

In einer Stadtratsitzung im Sommer 1980 wurde das Neubaugebiet Rappenstein mit Straßennamen überzogen, die sich meist auf historische Gestalten beziehen. In der Vorlage wurde auch eine Sackgasse hinunter in Richtung Andelsbachtal mit Wilhelm-Kiefer-Weg benannt, in den Erläuterungen stand: Journalist und Schriftsteller. Nach einer kurzen Debatte, in der nur die Länge der neuen Straßennamen bemängelt wurde, stimmten die Räte zu.

Bild 1: Wilhelm-Kiefer-Weg: Ehrung für einen ultrarechten Strippenzieher
Bild: Kerstan, Stefanie

Der damalige Stadtarchivar Theo Nawrath schrieb in einem Zeitungsartikel über die Namensgebung auf dem Rappenstein zum Stichwort Wilhelm Kiefer: „Zumal zwischen ihm und Laufenburg keinerlei unmittelbare Beziehungen bestehen.“ Hoppla, wie kommt denn so ein Name auf die Vorschlagsliste, warum haben alle Volksvertreter genickt? Das ist heute beim besten Willen nicht mehr zu erkunden. Vielleicht kann man vermuten, dass Bürgermeister Albert Wasmer, CDU, dem rechtslastigen Wilhelm Kiefer, der allerdings nie in die Partei der Christdemokraten eingetreten ist, eine gewisse Sympathie entgegenbrachte.

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Wer war dieser Wilhelm Kiefer? In einer gemeinsamen Aktion haben der Autor dieses Berichts, Franz Schwendemann und der SÜDKURIER-Redakteur Markus Vonberg einiges biografisches Material zusammengetragen, um diese Frage in groben Zügen zu beantworten. Geboren am 10. Juli 1890 in Freiburg, wo er vermutlich das Abitur abgelegt hat, begann er 1911 als Journalist mit seiner publizistischen Tätigkeit, so mit der Herausgabe der Zeitschrift „Bühne und Welt“. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs meldet er sich als Freiwilliger, wird an der Westfront verwundet und in die politische Abteilung der Obersten Heeresleitung versetzt, wohl um mit Meldungen und Berichten die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Kiefer wird Anhänger des rechtsnationalen Generals Ludendorff, der zusammen mit Hindenburg das Kommando an der Westfront führt. 1921 ist Kiefer beim Kapp-Putsch dabei, als man versucht, das demokratische System der Weimarer Republik zu stürzen. Vergeblich.

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Bis 1933 schrieb Wilhelm Kiefer für die führenden Zeitungen jener Zeit als rechtsgerichteter, aber nicht parteigebundener Mitarbeiter. Mit zahlreichen bedeutenden Personen hatte er Kontakte, darunter mit Hermann Hesse und Thomas Mann, der zu Kiefers Novelle „Augusta van Dorpe“ ein Geleitwort beisteuerte. Wiederholt griff er Hitler und den Nationalsozialismus an, was zur Folge hatte, dass er 1933 mit seiner Frau und seinen acht Kindern nach Basel emigrierte. Da hat er sich wohl im Laufe der Zeit dem NS-Staat angenähert, denn von seinen vier Söhnen kämpften drei in der Wehrmacht. Einer ist sogar gefallen. Nach Kriegsende wurde Wilhelm Kiefer von der Basler Fremdenpolizei ausgewiesen, was in den meisten Biografien, die auf Kiefers Aussagen beruhen, als Rückkehr nach Deutschland dargestellt wird.

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Der Journalist zog in die hohenzollerische Heimat seiner Frau und dann nach Baden-Baden, knüpfte wieder politische Kontakte auf hoher Ebene. 1951/52 war Wilhelm Kiefer an dem Projekt beteiligt, alle ultrarechten Splitterorganisationen zusammenzuführen und im „Friedberger Kreis“ zu verbinden. Im hessischen Friedberg gegründet, gehörten diesem Kreis auch hohe SS-Führer und Nazigrößen an. Kiefers geopolitisches Anliegen einer Annäherung an die Sowjetunion führte dazu, dass auch im Zusammenhang mit der Affäre um den CDU-Bundestagsabgeordneten Julius Steiner sein Name erscheint. Dieser hatte am 27. April 1972 mit seiner Stimme verhindert, dass der Misstrauensantrag von Rainer Barzel, Fraktionsvorsitzender der CDU, im Bonner Parlament gegen den Kanzler Willy Brandt gescheitert ist.

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Im Alter verlegte sich Wilhelm Kiefer ganz auf seine schriftstellerische Tätigkeit. Er reiste umher und beschrieb in einem essayistischen Stil Städte und Landschaften im deutschen Südwesten. Seine Zeitungsaufsätze wurden 1975 zusammengefasst in dem Buch „Schwäbisches und alemannisches Land“. Am 23. April 1979 ist Wilhelm Kiefer in Baden-Baden gestorben, im hohen Alter von 89 Jahren. Es ist unerklärlich, dass schon ein Jahr danach ein öffentlicher Weg nach ihm benannt wird, obwohl er – laut Theo Nawrath – „keinerlei unmittelbare Beziehungen“ zu Laufenburg hatte.