Peter Koch

Die Murger Narren haben am Ersten Faißen das Rathaus übernommen. Die Absetzung von Bürgermeister Adrian Schmidle verlief ohne Gegenwehr. Die Narren kamen um 11.11 Uhr keine Minute zu früh, denn Schmidle hatte das Rathaus bereits zum Flughafen umbauen lassen und wollte sich mitsamt seinen Mitarbeitern absetzen.

Narrenpräsident Roland Ebner und Narrengötti Harald Keller stellten Schmidle in seinem Dienstzimmer und ließen ihn auf der Stelle durch Narrenpolizistin Beatrix I. festnehmen. Der Vorwurf: Verschwendungssucht im Amt! Schmidle fügte sich und übergab den Narren den Rathausschlüssel und das Geldsäckel.

Die Rathaus-Crew mit Kapitän Adi Schmidle (links) tankt kurz vor dem Abflug mit Tante Ju noch auf. Doch die Narrenzunft kann die ...
Die Rathaus-Crew mit Kapitän Adi Schmidle (links) tankt kurz vor dem Abflug mit Tante Ju noch auf. Doch die Narrenzunft kann die geplante Flucht in letzter Minute verhindern. | Bild: Peter Koch

Anschließend wurde im Sitzungssaal des Rathauses mit Musik und Reden der historischen Stunde Rechnung getragen. Als letzte Amtshandlung unterzog Schmidle die Zunft Murg einem Narrenrating. Es konnte festgestellt werden, dass Elferrat, Fährigeister, Helgeringer Maidli und die anderen in fast allen Kategorien mit 100 von 100 möglichen Punkten abschnitten.

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Lediglich beim Punkt Diskretion rügte Schmidle die Zunft: „Redet nicht so viel davon, wie wenig wir im Rathaus schaffen, und wie wir das Geld verprassen. Haltet eifach mol d‘Schnörre!“ Ob die Narren für die Zertifizierung, inklusive einer schönen Urkunde, 2500 Euro zahlen mussten, blieb ungewiss. Man munkelte, die Gemeinde habe aus Fehlern der Vergangenheit gelernt und bereichere sich nun lieber an Zertifikaten, statt sie teuer zu bezahlen.

Narrengötti Harald „Harry“ Keller bei der Absetzung des Bürgermeisters im Ratssaal.
Narrengötti Harald „Harry“ Keller bei der Absetzung des Bürgermeisters im Ratssaal. | Bild: Peter Koch

Anschließend zog die Versammlung zur alten Schulturnhalle, um dort Gericht zu halten. Chefankläger und Zeremonienmeister Johannes Dietrich verlas die Anklage. Es wurde Verschwendung in allen Bereichen angeprangert. So hat sich der Bürgermeister ein Lasten-E-Bike angeschafft. Jetzt steht es da – ungenutzt mit platten Reifen. Nächster Anklagepunkt war die Neugestaltung des Bürgerservice im Rathaus: „Alles nur vom Feinsten, nur damit die Bürger ihre gelben Säcke abholen können!“ Dies sei laut Bürgerbefragung der Gemeinde nämlich das Wichtigste für den Bürger. „Da hätt ma lieber it gfrogt!“, stellte Dietrich fest. Nach diversen weiteren Punkten stellte er fest, dass sich Schmidle der „Verschwenderitis“ schuldig gemacht habe.

Guggenmusiker des Fröscheloch-Echos tanken vor Beginn der Verhandlung in der alten Schulturnhalle noch etwas Sonne im Freien.
Guggenmusiker des Fröscheloch-Echos tanken vor Beginn der Verhandlung in der alten Schulturnhalle noch etwas Sonne im Freien. | Bild: Peter Koch

Statt seinen Chef zu entlasten, setzte Klimamanager Maximilian Rüttinger noch einen drauf, und erklärte, dass es mit dem teuren Fahrrad allein noch nicht getan sei. Man müsse weiter Gelder verschwenden, bis alle Mitarbeiter im Rathaus zum Lasten-E-Bike-Fahrer fortgebildet seien. Der Bürgermeister war dennoch erleichtert. Die Anklagepunkte in diesem Jahr seien so schwach, dass es ihn nicht sorge, sagte er. Jedoch: Er wurde verurteilt. Ein Frühstück muss er richten, für die Vorstände der Narrenzunft und das Fröscheloch-Echo.

Bürgermeister Adrian Schmidle (links) verteidigt sich gegen die Anklagen der Narren. Bauamtsleiter Kurt Benjamin Hansmann (Mitte) und ...
Bürgermeister Adrian Schmidle (links) verteidigt sich gegen die Anklagen der Narren. Bauamtsleiter Kurt Benjamin Hansmann (Mitte) und Klimaschutzmanager Maximilian Rüttinger leisten ihm Beistand. Vergebens! | Bild: Peter Koch

Unter den Klängen der Guggenmusik Fröscheloch-Echo startete am Nachmittag des gestrigen Ersten Faißen dann eine Fasnachtsaktion auf der Murger Mitte. Rätsel gab den zahlreich erschienenen Neugierigen zunächst ein Jägerhochsitz mitten auf dem Platz auf und führte zu allerlei Spekulationen.

Einen Sieben-Baustellen-Hochsitz zimmerten die Murger Narren ihrem abgesetzten Bürgermeister Adrian Schmidle. Bis zum Aschermittwoch ...
Einen Sieben-Baustellen-Hochsitz zimmerten die Murger Narren ihrem abgesetzten Bürgermeister Adrian Schmidle. Bis zum Aschermittwoch soll er darauf ausharren. | Bild: Charlotte Fröse

Zeremonienmeister Johannes Dietrich vom Zunftstab der Murger Narrenzunft löste das Rätsel schnell auf: Der Sitz in luftiger Höhe war für den abgesetzten Bürgermeister Adrian Schmidle bestimmt, der sich mit den Gepflogenheiten der Jagd bestens auskennt. Allerdings darf er den Hochsitz nicht zur Jagd auf Fasnachtsnarren oder jedwede Tiere nutzen, sondern er solle ihm als Sieben-Baustellen-Hochsitz dienen, um alle seine Bauprojekte, getreu dem diesjährigen Fasnachtsmotto „Über sieben Baustellen musst Du geh‘n – willst Du Murger Fasnacht seh‘n!“ in der närrischen Zeit im Auge zu behalten, wie Johannes Dietrich verkündete. Erst am Aschermittwoch dürfe er wieder von seinem Hochsitz herunterkommen. Damit er die Zeit bis dahin gut übersteht, wurde er von den Narren mit dem Nötigsten ausgestattet.

Der abgesetzte Bürgermeister Adrian Schmidle spielte von seinem Sieben-Baustellen-Hochsitz aus zusammen mit dem Fröscheloch-Echo ...
Der abgesetzte Bürgermeister Adrian Schmidle spielte von seinem Sieben-Baustellen-Hochsitz aus zusammen mit dem Fröscheloch-Echo närrische Melodien. | Bild: Charlotte Fröse