Horatio Gollin

Vor 45 Jahren hat der frühere Einkaufsmarkt Famila in der Schildgasse praktisch auf der grünen Wiese eröffnet. Er gilt als Wegbereiter für das Gewerbegebiet. Diese Zeitung hat sich mit Zeitzeugen über die Entwicklung diese Gebiets unterhalten.

Häufig verwendete Namen prägen sich tief in das Gedächtnis ein, und so rutscht manch‘ älterem Rheinfelder ab und an noch der Name ‚Famila‘ raus, wenn er eigentlich Kaufland meint. Im Februar 2010 aber war es mit Famila vorbei. Doch das Einkaufscenter spielte eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Schildgasse.

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Vor 45 Jahren war Karsau noch eine selbstständige Gemeinde gewesen und 1974 hatte sich die Handelskette dort auf der grünen Wiese angesiedelt. Die Entwicklung des Gewerbegebiets nahm aber nicht sofort Fahrt auf, kann sich Paul Renz gut erinnern, der seit 1972 dem Rheinfelder und vor der Eingemeindung dem Minselner Gemeinderat angehörte. „Damals hat man von Familavertretern gehört, dass Rheinfelden kein guter Standort sei. Dort könne man nur Schweinehälften verkaufen. Unter Wilhelm Stoll, der von 2007 bis 2012 Wirtschaftsförderer der Stadt war, hat es sich dann entwickelt und Famila wurde ein attraktiver Standort.“

Welle der Gewerbeansiedlunng

Die Handelskette verfügte über 4500 Quadratmeter. Im ersten Stock war MMZ Möbel Rietschle untergebracht. Stoll übernahm 1988 für 20 Jahre die Betriebsleitung bei Famila und 1998 kam der große Umbau mit Erweiterung auf 15.000 Quadratmeter und Errichtung des Parkhauses. Vorher hatte es noch nicht viel gegeben. MMZ hatte gebaut, es gab ein Autohaus, handwerkliche Betriebe und eine alte Tankstelle.

„Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich am Anfang meiner Tätigkeit zu meiner Frau sagte: Hier werde ich erst zufrieden sein, wenn da ein Parkhaus steht“, so Stoll. Nach dem Umbau ging es nicht nur mit Famila aufwärts, sondern mit dem ganzen Gebiet. Eine Welle von Gewerbeansiedlung setzte ein.

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„Die Ansiedlung von Gewerbe auf der Schildgasse als Gemarkungsfläche von Karsau setzte schon mit Beginn der Industrialisierung ein, da waren früh schon das Umspannwerk vom Kraftwerk und die Anlage der Alu“, erzählt der Karsauer Ortsvorsteher Jürgen Räuber. Im Lauf der Zeit waren dort Zwangsarbeiter und heute Flüchtlinge untergebracht. Früh siedelte sich auf den Äckern und Wiesen auch eine Zimmerei an, die die Nähe der Industrie suchte. In den 50er Jahren folgte ein Baugeschäft auf Nollinger Gemarkung und bald darauf eine Schlosserei. „Die Nachfrage nach Gewerbeflächen war in den 70er groß“, sagt Räuber.

Vor 60 Jahren hatte sein Vater Herbert Rietschle noch ein kleines Geschäft in Karsau, war zunächst nach Weil und dann nach Lörrach umgezogen, erinnert sich Stephan Rietschle. Mit der Ansiedlung von Famila eröffnete MMZ Möbel Rietschle eine Filiale im Obergeschoss des Warenhauses. Mitte der 80er Jahre baute das Unternehmen das erste eigene Möbelhaus und zehn Jahre später fand die nächste Erweiterung des Möbelmarktes statt.

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Rietschle kann sich noch erinnern, dass bei dem Neubauvorhaben die Anfahrt mit einem Spielzeuglaster auf dem Plan geprobt wurde. Der direkte Konkurrent Wohnwelt, der schon ein Möbelhaus in Dogern hatte, startete 1994 in der Schildgasse durch. „Hinter der Famila war praktisch grüne Wiese“, erinnert sich Geschäftsführer Holger Wick. Auch der zweite Möbelmarkt fasste Fuß in der Schildgasse und hat die Geschäftsfläche mit der Zeit deutlich erweitert.

Erste Bebauungspläne 1984

„1984 kamen die ersten Bebauungspläne Schildgasse und Schildgasse-Nord, um das in geordnete Bahnen zu führen“, sagt Räuber. 1992 folgte der Bebauungsplan Schildgasse-Ost und 2005 der Bebauungsplan Schildgasse-Ost II. „Nach der Gemeindereform 1974 und der Eingemeindung Karsaus 1975 mussten die Versorgungsgebiete erweitert werden. Dazu sollte die Schildgasse erschlossen werden“, erinnert sich Gustav Fischer, Gemeinderat seit 1978.

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Aber nicht alles war unkritisch. Als dort Vergnügungsstätten entstehen sollten, intervenierte der Gemeinderat. Renz erinnert sich: „Auch McDonalds war ein Riesenthema, bei dem es im Gemeinderat Gegenstimmen gab.“ „Die Schildgasse war lange Zeit nicht unbedingt der Konkurrent zur Innenstadt, sondern erst als sich dort immer mehr Handel und nicht Handwerk oder Industrie ansiedelten“, erzählt Heiner Honsel, der 20 Jahre lang das Elektrofachgeschäft Honsel in der Innenstadt führte. 1989 wurde er in den Gemeinderat gewählt und setzte sich für die Stärkung der Innenstadt ein.

Verbraucher bestimmen Entwicklung

Pläne gab es, nur waren diese schwerer zu realisieren als die Entwicklung der Schildgasse. „Die Entwicklung wurde von den Verbrauchern bestimmt“, so Honsel, der 1998 in der Schildgasse zunächst eine Filiale eröffnete und 2002 ganz umsiedelte. „Da haben zwei Herzen in meiner Brust geschlagen“, sagt Honsel, der sich für sein Geschäft und gegen die Innenstadt entscheiden musste.

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„So viele Möbel findet man frühestens wieder in Freiburg. Das ist schon ein Riesenangebot“, meint Rietschle. Der Standort werde noch attraktiver, wenn der Autobahnanschluss bei Minseln fertig wird, sagt Wick. „Wir haben da heute ein Gebiet, das gut in die Landschaft passt und viel Kundschaft von außen bringt“, findet Fischer. Räuber hält die Schildgasse für das dynamischste Gewerbegebiet der Stadt neben Herten. Renz schätzt, dass in der Schildgasse um die 1000 Arbeitsplätze bestehen dürften. „Wirtschaftlich gesehen war die Schildgasse einer größten Sprünge für die Stadt und ist nach wie vor die Einkaufsmeile im Großraum Rheinfelden“, sagt Stoll.