Jeder kann am Ortseingang auf den gelben Schildern lesen, dass Rheinfelden (Baden) eine Große Kreisstadt ist. Wie kam es vor 50 Jahren dazu?
Für den damaligen Oberbürgermeister Herbert King stand es außer Frage, dass Rheinfelden Große Kreisstadt werden sollte. Nach Paragraph 3 der baden-württembergischen Gemeindeordnung darf eine Stadt mit mehr als 20.000 Einwohnern bei der Landesregierung den Antrag stellen, zur Großen Kreisstadt erklärt zu werden. Rheinfelden hatte diese Einwohnerzahl durch die Gemeindereform spätestens durch die Eingemeindung von Herten 1973 erreicht und ein Jahr später den Antrag erstellt. Die Ernennung erfolgte zum 1. Januar 1975. Wir bewahren noch die Urkunde von damals auf, unterschrieben von Ministerpräsident Hans Filbinger. Zusammen mit Karsau hatte Rheinfelden zum Zeitpunkt der Ernennung rund 27.500 Einwohner.
Welche Bedeutung hat dieser Titel für die Stadt?
Als Große Kreisstadt ist Rheinfelden eine untere Verwaltungsbehörde. Gewisse Zuständigkeiten, wie Ausländerrecht, Baurecht und Gewerberecht, liegen bei uns im Rathaus. Dies stellt eine deutliche Verbesserung des Bürgerservices dar. Das heißt, betroffene Bürger und Betriebe haben vor Ort kurze Wege und müssen nicht nach Lörrach ins Landratsamt.
Und wie sieht das genau aus?
Für die Zuständigkeiten gibt es einen sogenannten Negativkatalog. Er regelt, für welche Bereiche das Landratsamt trotzdem zuständig bleibt, etwa für die Straßenverkehrszulassungsbehörde, die die Kfz-Zulassung erteilt. Aber die Kfz-Zulassung ist in Rheinfelden auch möglich. Das ist richtig. Aber dabei handelt es sich tatsächlich um das Landratsamt, das in Rheinfelden eine Außenstelle unterhält.
Ist eine Große Kreisstadt auch der Infrastruktur verpflichtet, etwa ein Schwimmbad oder ein Gymnasium zu bauen?
Nein, solche Investitionen bleiben immer der Entscheidung der Stadt überlassen. Allerdings muss die Stadt für die zusätzlichen Dienstleistungen mehr Personal anstellen. Das ist nicht immer kostendeckend möglich. Einen Fachkräftemangel haben wir in der Rheinfelder Verwaltung deshalb nicht. Aber es ist durchaus eine Herausforderung, etwa einen Ingenieur für Baurecht oder einen Mitarbeiter des gehobenen Verwaltungsdienstes zu finden. Aber glauben Sie mir: Die Bürokratie wäre in diesen 50 Jahren so oder so gewachsen.
Rheinfelden ist außerdem Mittelzentrum für Grenzach-Wyhlen und Schwörstadt. Hat dies mit der Großen Kreisstadt zu tun?
Nein, die Mittel- und Oberzentren werden vom Land festgelegt, um Entwicklungsschwerpunkte zu definieren. Aber Schwörstadt profitiert zum Beispiel über die vereinbarte Verwaltungsgemeinschaft von den erwähnten Dienstleistungen. Dafür erhält Rheinfelden einen vertraglich geregelten Kostenausgleich.
Kann eine Große Kreisstadt diesen Titel verlieren, wenn sie etwa unter die 20.000 Einwohner-Marke fällt?
Meines Wissens nicht. Aber das ist ja für Rheinfelden mit mittlerweile knapp 34.500 Einwohnern auch sehr unwahrscheinlich.
Wird die Stadt das Jubiläum feiern?
Nein, es sind keine Veranstaltungen geplant. Trotz der genannten Vorteile bleibt die Ernennung zur Großen Kreisstadt ein Verwaltungsakt. Vielleicht wird es im Gemeinderat Thema sein. Ich möchte übrigens noch erwähnen, dass man Große Kreisstadt mit einem großen „G“ schreibt. Davon ließen sich in der Vergangenheit nicht alle Journalisten überzeugen (lacht).
Fragen: Boris Burkhardt