Dora Schöls

Die Verwaltung und der Gemeinderat haben in ihrer Klausurtagung diskutiert, in welchen Bereichen gespart werden kann und woran die Stadt festhalten will. Das Ergebnis: Bildung und Kinderbetreuung sollen unangetastet bleiben, aber es werden Steuern erhöht. Damit kommt die Stadt wohl auf ein Defizit von rund 8,2 Millionen Euro für den Haushalt 2021 – der aber erst im Dezember beschlossen wird.

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Bislang habe die Stadt Rheinfelden von der günstigen Wirtschaftssituation der vergangenen Jahre profitiert, sagte Oberbürgermeister Klaus Eberhardt im Pressegespräch am Montag. So habe man bis zur Corona-Pandemie 40 Millionen Euro liquide Mittel ansammeln können und damit viele Vorhaben auf den Weg gebracht. Eberhardt nannte unter anderem die Schulsanierungen, die zwei Gewerbegebiete Einhäge und Sengern und die Kinderbetreuung.

„Bisher war das sehr solide“, so Eberhardt. Doch nun werde es enger. In diesem Jahr fehlten der Stadt etwa 10 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen. Vom Bund bekomme man etwa 3,7 Millionen Euro erstattet – aber es bleibt ein Loch. Deshalb haben sich der Gemeinderat und die Verwaltung zusammengesetzt, um zu überlegen, wie das Loch gestopft werden kann.

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„Natürlich kann man immer sagen: Corona ist ausschlaggebend“, sagte Eberhardt. „Aber wir müssen uns auch strukturelle Fragen stellen und Inventur bei den Betriebsausgaben machen, um die Stadt zukunftsfähig zu machen.“ Sonst würden die liquiden Mittel „sehr schnell abschmelzen“. Auch der Gemeinderat habe die Notwendigkeit dazu erkannt.

In die Klausurtagung gingen auf 600 Seiten Vorschläge der Verwaltung ein, die sämtliche Bereiche auf den Prüfstand gestellt hat, so Eberhardt. Nicht zur Debatte stünden jedoch zwei Themen: Bildung und Kinderbetreuung. Diese sollten unangetastet bleiben. Auch die Feuerwehrzentrale solle realisiert und der Ausbau der Schulgebäude weiter verfolgt werden. Verschont bleiben sollen auch die Vereine: „Den sozialen Bereich haben wir sehr vorsichtig angefasst.“

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Darüber hinaus habe die Stadt beim Regierungspräsidium Freiburg angefragt, wie man mit der Situation umgehen solle. „Die Antwort war klar: Es gibt keine Änderungen im Regelwerk.“ Es dürften keine Kredite aufgenommen werden, der Haushalt müsse ausgeglichen sein. „Die bittere Wahrheit ist: 2021 und 22 werden wir mit einem negativen Ergebnis abschließen“, sagte der Oberbürgermeister. Aber 2023 müsse es dann wieder bergauf gehen, sonst würde der Haushalt nicht genehmigt.

Bereits im Nachtragshaushalt vom Juni habe man mit einem Defizit gerechnet. Vor der Klausurtagung habe dies bei etwa 9,88 Millionen Euro gelegen, sagte Kämmerin Kristin Schippmann. Mit den Maßnahmen, die bei der Tagung diskutiert wurden – beschlossen werden sie erst im Rahmen des Haushalts im Gemeinderat im Dezember –, komme man auf ein Defizit von 8,2 Millionen Euro. „Nach den drakonischen Maßnahmen“, betonte Eberhardt.

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Diese Maßnahmen bedeuten: Ausgaben einsparen und Einnahmen steigern. Einsparen könne man etwa bei der Kreisumlage, kleineren freiwilligen Leistungen oder der Anpassung der Gruppengröße bei der Schulkindbetreuung. Die Digitalisierung soll vorrangig durch interne Mitarbeiter realisiert werden, die Gebäudeunterhaltung soll auf das nötigste beschränkt werden. Diskutiert wurden auch verkürzte Öffnungszeiten im Bürgerbüro und der Bibliothek. Auch die Kulturveranstaltungen sollen auf ein Minimum heruntergefahren werden: Die Brückensensationen fallen aus, das Stadtjubiläum schrumpft auf ein Mindestmaß.

Auf der anderen Seite sollen die Einnahmen steigen. Das könne man erstens durch die Erhöhung der Verwaltungs- und Kinderbetreuungsgebühren erreichen. Zum anderen seien auch Steuererhöhungen unumgänglich, sagte Eberhardt. Das betrifft die Gewerbesteuer, die Grundsteuer, die Hundesteuer und die Vergnügungssteuer. „Das habe ich bisher nicht gewollt, aber wir kommen zu meinem Bedauern nicht drum herum“, so der OB.

Die Erhöhung der Grundsteuer würde der Stadt Mehreinnahmen von 275.000 Euro bringen, so Schippmann. Für eine Wohnung würden die Steuern in einer Beispielrechnung jährlich um etwa 16 Euro steigen, für ein Einfamilienhaus um 7 Euro, für ein Zweifamilienhaus um 43 Euro.

Die erhöhte Gewerbesteuer hätte für die Stadt einen Mehrertrag von 450.000 Euro zur Folge. Davon nicht betroffen seien etwa Einzelunternehmer, so Schippmann. „Die Welt ist ungerecht“, sagte Eberhardt: Im Schweizer Rheinfelden komme man auf ein positives Ergebnis. „Bei uns hat sich die Liquidität schlecht entwickelt – das belastet mich auch persönlich“, sagte der Oberbürgermeister.

Stimmen der Gemeinderatsfraktionen

Als „sehr konstruktiv“ bezeichnete Oberbürgermeister Klaus Eberhardt in einem Pressegespräch die Klausurtagung vom Freitag, in der die Gemeinderäte mit der Verwaltung überlegt haben, wo die Stadt Rheinfelden sparen kann. Die Diskussion sei sehr sachlich verlaufen, alles sei sorgfältig abgewogen worden. Das bestätigen die Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktionen.

  • Paul Renz, CDU: In seinen 50 Jahren im Gemeinderat habe er Höhen und Tiefen miterlebt, sagt Paul Renz – aber eine solche Situation, die sei einmalig. „Die Rücklagen schmelzen dahin, Investitionen werden zurückgestellt.“ Besonders schmerzlich sei für ihn die Verschiebung des Ganzjahresbads, für das er sich „jahrelang verkämpft“ habe, das aber „unter den gegebenen Vorzeichen undenkbar“ sei. Bildung und Kinderbetreuung stünden im Vordergrund, aber es seien einschneidende Maßnahmen notwendig. „Für neues Personal wird es im nächsten Jahr kein Geld geben.“ Bei den Steuern sei Rheinfelden bislang eher unterdurchschnittlich – aber auch andere Kommunen würden jetzt anziehen. Schwer tue sich die Christdemokraten mit der Gewerbesteuer, zumal die Unternehmen ja ohnehin durch die Pandemie gebeutelt seien. „Der Druck, den Kommunen unter die Arme zu greifen, wird 2021 steigen.“
  • Karin Paulsen-Zenke, SPD: Schon zum zweiten Mal habe der Gemeinderat die Planung für den Haushalt 2020 über den Haufen werden müssen, sagt Karin Paulsen-Zenke. „Das ist besonders schwierig, wenn man es gewohnt ist, dass es eigentlich immer bergauf geht.“ Doch nun sei die Aufgabe, den Haushalt 2021 genehmigungsfähig zu machen. Der SPD sei besonders wichtig, die Bildung und das Soziale zu schonen. Bei der Schulsanierung und der Kinderbetreuung habe die Stadt Nachholbedarf – „wir müssen aber auch von den Eltern erwarten, dass sie mitziehen und Erhöhungen annehmen“. Auch das neue Bad hätte man gern gehabt: „Aber es geht nicht.“ Die Steuererhöhungen könne man in zwei Jahren ja noch einmal überdenken. Als unumgänglich sehen die Sozialdemokraten eine Umstrukturierung in der Verwaltung bei der Stellenbesetzung. Und: Die Stadt sei nun „mehr denn je“ auf öffentliche Fördermittel angewiesen.
  • Heinrich Lohmann, Grüne: „Dem Gemeinderat ist der Ernst der Lage bewusst“, sagt auch Heiner Lohmann. Da könne man nicht die eigenen Brötchen backen. Man werde sich von liebgewonnenen Projekten verabschieden müssen, wie etwa dem geplanten Schwimmbad. „Da macht uns Corona einen Strich durch die Rechnung.“ Die Steuererhöhungen würden allgemein mitgetragen, so Lohmann. Dass das Feuerwehrhaus weiter gebaut wird, liege auch daran, dass das Projekt schon so weit fortgeschritten sei. Die oberste Priorität seiner Fraktion liege weiter im Klimaschutz: „Da sehen wir die Gefahr, dass Prozesse nicht weitergeführt werden. Darauf werden wir achten.“
  • Karin Reichert-Moser, Freie Wähler: Die Klausurtagung sei sehr konstruktiv verlaufen, betont Karin Reichert-Moser. „Alle Betroffenen haben Verständnis, dass gewisse Dinge so nicht laufen können.“ Die Situation belaste auch die Gemeinderäte. „Wir konnten bislang aus dem Vollen schöpfen. Jetzt müssen wir mit der Situation umgehen.“ Da aber in der Klausurtagung nur informiert und diskutiert werde, gelte es nun, den Haushalt abzuwarten, den die Verwaltung am 10. Dezember in den Gemeinderat einbringt. „Aber die grobe Richtung ist klar.“
Dora Schöls