Nach 46 Jahren im Forstdienst ist Revierförster Werner Gebhardt in Rickenbach in den Ruhestand gegangen. In seinem Rickenbacher Revier betreute er seit 30 Jahren rund 2000 Privatwaldbesitzer und annähernd 5000 Waldparzellen. Er bot zudem seit Jahrzehnten Waldpädagogik für Kindergärten und Schulen an. Er war zudem im Rickenbacher Gemeinderat aktiv, im Schwarzwaldverein und im Imkerverein – ein Tausendsassa.
Die Arbeit im Wald begann er mit 17 Jahren. Damals absolvierte er ein zweijähriges Forst-Praktikum. „Es war echt Knochenarbeit damals, wir haben noch mit Zweihandsägen große Eichen gefällt, Motorsägen hatten wir nicht“, erinnert sich Gebhardt. Das Praktikum war nötig, denn dieses und die zusätzlich erworbene Fachhochschulreife befähigten ihn zum Studium der Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar.
„Förster wollte ich schon werden, als ich sieben Jahre alt war, und zwar genau hier in Rickenbach im Maisenhardt Wald, bis heute eine meiner Lieblingsstellen im Revier. Damals bin ich immer im Sommer mit meinem Vater von Steinen im Wiesental auf den Hotzenwald gekommen. Im Maisenhardt haben wir unsere Bienenkörbe aufgestellt für die Sommertracht.“ Sein Vater, der überaus naturverbunden und oft mit ihm im Wald war, brachte ihm die Pflanzen- und Tierwelt nahe und vermittelte ihm viel Wissen. Mit seiner Art und Ausbildung legte er vielleicht den Grundstein für den Berufswunsch des Sohnes.
Die Ausbildung
In seiner Studienzeit in Rottenburg lernte er während eines Tanzkurses seine spätere Ehefrau kennen, die damals in Tübingen im „Tropenheim“, dem Krankenhaus für Tropenmedizin, ihre Ausbildung zur Arzthelferin absolvierte. 1978 schloss er sein Studium als Diplom Forst-Ingenieur FH ab und erhielt seine erste Anstellung beim Forstamt Heidenheim-Mattheim als Büroleiter im Innendienst. „Das hat mir natürlich viiiiiiel Spaß gemacht... Ich wollte doch in den Wald, ein Revier haben“, erinnert sich Gebhardt mit ironischem Unterton. „Aber letztendlich war auch das ganz gut so, ich habe viel gelernt“, sagt er. Von dort wurde er nach nur kurzer Zeit, im Frühjahr 1979, ins Forstamt Leonberg versetzt, ebenfalls als Büroleiter, „aber mit einem angeschlossenen Minirevier, da konnte ich dann auch mal raus. Das war eine schöne Stelle.“
Dann war es soweit und er bekam sein erstes eigenes Revier in Stuttgart im Staatswald. Eine seiner Aufgaben in dieser Zeit war es, den Aushub der Stuttgarter U-Bahnbaustellen zu deponieren. Dieser ist heute noch zu sehen als Lärmschutzwall entlang der A8 zwischen Mahdental und Dreieck Leonberg. „Man unterschätzt oft die breite Ausbildung und Befähigung von Förstern. Es geht um weit mehr als Bäume. Wir haben Kenntnisse über Geologie, Klimatologie, Vermessungswesen und vieles mehr“, gerät Gebhardt ins Schwärmen. Es ist ihm anzumerken, dass er über das normale Maß hinaus für diesen Beruf brennt.
In seiner Stuttgarter Zeit bestand mehrfach die „Gefahr“ ins Ministerium versetzt zu werden, das wollte er auf keinen Fall. „Ich wollte ins Revier, in den Wald.“ Seine Frau erinnert sich, dass er mehrfach Beförderungen ausgeschlagen hat, um seinem Traum zu folgen. „Im Ministerium bist du ruckzuck hochbefördert und dann kannst du nicht mehr in den Wald, dann bist du zu teuer“, erklärt er.
Seine nächste Station war das Revier Stuttgart Rohr. Immer im Hinterkopf: „Ich will in den Hotzenwald!“ Dann 1987 wurde sein Traumrevier in Rickenbach frei und war ausgeschrieben. Seine Bewerbung hat derselbe Personalreferent abgelehnt, der ihn damals direkt nach dem Diplom gefragt hatte: „Wo haben sie gedient?“ Er musste antworten: „Ich habe verweigert, aus Gewissensgründen.“ Das hat ihm Missmut und Unverständnis eingebracht. Gebhardt erinnert sich an sein Gerichtsverfahren, bei dem er darlegen musste, warum er wohl Jäger, aber nicht Soldat sein konnte. „Aber ich hatte von Kollegen gehört, die die Verweigerung durchbekommen hatten. Wir hatten zwar kein WhatsApp, aber telefonieren konnten wir auch schon“, schmunzelt er, „so haben wir uns ausgetauscht“ und letztlich hat er sich durchgesetzt.
Die Chance auf den Traumjob
Zwei Jahre später wurde die Rickenbacher Stelle, die zwischenzeitlich nur in Vertretung besetzt worden war, erneut ausgeschrieben. Der spezielle Personalreferent war mittlerweile im Ruhestand und Werner Gebhardt sah seine Chance. Er bewarb sich erneut und wurde genommen. Endlich war er am Ziel. „Wir hatten inzwischen drei Söhne und unsere Tochter war unterwegs, wir wussten: Hier bleiben wir.“
Und das blieb er auch, bis heute. Dann kam sein Ausscheiden am 31. Oktober dieses Jahres, als man ihm „zum Stichtag den Stecker zog“. Von heute auf morgen war das Diensttelefon tot und die Computerleitung gekappt. So musste er für seine letzten Amtshandlungen einen Kollegen und dessen Computer um Hilfe bitten.
Aus seiner Rickenbacher Dienstzeit gut in Erinnerung geblieben sind ihm die Stürme „Vivian“ und „Wiebke“ 1990, direkt nach seinem Amtsantritt. Und natürlich „Lothar“ 1999, nachdem so viel Holz im Schwarzwald lag, dass er auf einen belgischen Unternehmer ausweichen musste, um die Schäden im Wald zu bearbeiten. „Wir legten Holz ins Nasslager nach Hottingen, das ich neu eingerichtet hatte, verkauften, was ging, und verschifften von Weil am Rhein bis nach China. Hauptsache weg damit!“ Der Förster blockierte damals in Rickenbach alle Ferienwohnungen, da der Unternehmer mit 35 Personen anrückte. „Das war eine Sieben-Tage-Woche von Januar bis September mit täglichen Lagebesprechungen und Stress am Anschlag.“
Erleichterung
Jetzt ist es vorbei und „mir ist ein Riesenstein von der Brust gerollt“. Der Druck sei hoch gewesen, die vergangenen Jahre und sei subjektiv immer höher geworden. „Vielleicht ist es doch das Alter, vielleicht macht das den Jüngeren nicht mehr soviel aus“, sinniert er. Ein Herzinfarkt, den er 2015 im Wald erlitt, hat ihn nachdrücklich daran erinnert, ob nicht langsam Zeit für den Ruhestand wäre. Damals erwachte Gebhardt auf dem Waldboden aus der Ohnmacht und rettete sich mit letzter Kraft im Auto aus dem Wald. „Ich falle in kein Loch, ich bin vom Druck befreit und atme freier durch. Das tut gut“, reflektiert Werner Gebhardt seine Situation.
Beschwerliche Aspekte
Dazu kam die ständige Zunahme der Bürokratie, die seinen Alltag beschwerlicher machte und nicht zuletzt die Einführung seines Diensthandys. „Bis zu diesem Punkt wurde morgens rumtelefoniert und wir machten einen Tagesplan, der dann bis abends Bestand hatte.“ Als das Handy kam, sei der Plan alle fünf Minuten umgeworfen worden, ständig habe es Anrufe gegeben. „Die Leute riefen sonntags an, nachts, es gab kein Halten mehr. Wenn ich betrachte, dass 2020 wieder eine Neuerung im Revier kommen soll, dann ist das der richtige Zeitpunkt für mich. Das muss ich nicht mehr mitmachen.“
Die Zukunft
Sein Nachfolger Karl Ulrich Mäntele, der aus Laufenburg auf den Hotzenwald kommt, hat es dann etwas leichter, so hofft Gebhardt. Das Forstrevier, das in diesen 30 Jahren von 1300 Hektar auf annähernd 2500 Hektar anwuchs, soll nun geteilt werden.
Nun will Werner Gebhardt sich vor allem seiner Ehefrau und seinen Enkeln widmen. „Ich will die Zeit jetzt genießen, wer weiß, wie viel uns noch bleibt?“ Aber zum Schluss räumt er ein: „Den Förster legst du nicht ab. Wenn ich im Wald bin, schaue ich mit Försteraugen, das wird so bleiben.“