Schopfheim Von einer ungewöhnlichen Freundschaft handelt das erste Kinderbuch des in Schopfheim aufgewachsenen Autors Björn Kern. In „Edgar verschwindet um halb Pink“ erzählt er ebenso witzig wie fantasievoll von der achtjährigen Wilma, die mit ihren Eltern, den beiden Vogelkundlern Inge und Ole, in einem klitzekleinen Dorf nahe eines Baggersees lebt. Jedes Jahr in den Sommerferien bekommen sie Besuch von Edgar.

Der 80-jährige Franzose, der innerlich jung geblieben ist und den Kopf voller lustiger Ideen hat, verändert und verzaubert das Leben der Familie auf wundersame Weise. Er ist überhaupt kein Opatyp, sondern ein Freigeist, stellt den eingefahrenen Alltag auf den Kopf, lebt nach eigenen Regeln, richtet sich nach einer Farbuhr, erfindet „Umkehrtage“ und bringt seiner kleinen Freundin Wilma ein besonderes Geschenk mit: Ein selbst gebasteltes Modellflugzeug in Gestalt eines Kranichs, mit dem das Mädchen von der Deichkrone in die Lüfte abhebt und das Gefühl hat, ein Stück weit „fliegen“ zu können. Dank Edgars liebenswürdiger Flausen und unkonventioneller Aktionen werden die Sommerferien für Wilma zur schönsten Zeit des Jahres. Selbst das Rausbringen der Papiertonnen, das Geschirrspülen und das Aufräumen werden mit Edgar zu einem großen Spaß und das Betrachten des Sternenhimmels vom Trampolin aus zu einem unvergesslichen Erlebnis. Als Edgar, der Grashalme mit Zauberpulver auf den Grill legt und in einer Wasserpfütze schwimmt, plötzlich verschwunden ist, macht sich die Familie Sorgen und sucht nach ihm in den Höfen und Gärten.

Als Erzähler dieser zauberhaften Geschichte einer Freundschaft über Generationen hinweg fungiert Wilmas Schutzkuckuck Bo, der durchsichtig ist, Kuckuckstee trinkt und auf Wilma aufpasst. Nach erfolgreichen Romanen für Erwachsene ist dies Björn Kerns Kinderbuch-Debüt. Auslöser dafür war seine Tochter, wie der in Brandenburg lebende Bestsellerautor verrät: „Ohne sie hätte ich das Buch nicht geschrieben. Es ist ihr ja auch gewidmet! In langen dunklen Wintertagen haben wir ein wenig herumgeflunkert, da hat sie mich auf viele Ideen gebracht. Im eigentlichen Sinne zusammengeschrieben haben wir es aber nicht, sie wollte nur erfinden, nicht aufschreiben….“

Hat das Mädchen Wilma im Buch Ähnlichkeit mit seiner Tochter? „Wilma und meine Tochter sind zwei völlig verschiedene Charaktere und unterscheiden sich auch vom Aussehen her“, sagt der Autor. „Was die beiden hingegen verbindet: Beide wachsen sehr ländlich und frei auf, können stundenlang im Dorf wegbleiben, ohne dass ihre Eltern wissen, was sie tun. Und: Beide mögen keine Regeln….“ Die Geschichte im Buch ist zwar reine Fantasie, doch ein, zwei Figuren haben durchaus reale Vorbilder, wie Kern verrät.

In dem mit originellen Bildern von Franziska Ludwig illustrierten Buch werden Kindheitserlebnisse, -träume und -wünsche wach: von Sommertagen voller unbeschwerter Freiheit, Lachen und Streifzügen in der Natur in den Auen. Ein Leser kommentierte, dass er sich an Geschichten von Astrid Lindgren und ein „Bullerbü-Gefühl“ erinnert fühle. Beim Schreiben habe er zwar nicht konkret an seine eigene Kindheit gedacht, meint Björn Kern, „aber es schwirrten Urbilder von kleinen Kindergeheimnissen mit, von langen Sommertagen, freundschaftlichen Aufgeregtheiten, die sechs Wochen Sommerferien zu etwas Einmaligem verdichten können. Dieses Kindheitssommerferiengefühl – halb erlebt, halb ersehnt, kaum da, schon verflogen – können sicherlich viele von uns abrufen.“ Im Mittelpunkt steht die nicht gerade alltägliche Freundschaft zwischen der aufgeweckten Schülerin Wilma, die gern mit ihrer Freundin Anna schwimmen geht, und Edgar, dem ihre Mutter Inge als Studentin einst in der Camargue begegnet ist und der seither ein Freund der Familie ist.

„Ich fand den Gedanken schön, dass alles egal ist, Alter, Nationalität, Beruf, wenn man wirklich gut befreundet ist. Ich selbst mag Leute auch sehr, die ein wenig verrückt sind. Ein wenig anders, ein wenig frei und kindlich oder gar kindisch geblieben sind. Da wird es nie langweilig! In seinem Kinderroman werden aber auch ernstere Themen gestreift. Es klingt an, dass Edgar, der Leichtigkeit und Lachen in das Leben von Wilmas Familie bringt, alleine lebt, sich auch einsam fühlt und seine verstorbene Frau im Herzen trägt. Auf der einen Seite stehen also die im Familien- und Berufsalltag etwas gestressten Eltern von Wilma, auf der anderen Seite der verrückte, etwas einsame Edgar aus Frankreich. „Ohne das Ende verraten zu wollen: Das rief ja geradezu nach einem Ausgleich!“, so Kern.

Das Schreiben für Kinder als Zielpublikum war für ihn „eine komplett neue Erfahrung“ und „ein ganz anderes Schreiben“. Man müsse zwar ebenso einen Ton treffen und einen Spannungsbogen aufbauen wie in der Belletristik, doch habe er ein größeres Freiheitsgefühl und mehr Leichtigkeit beim Schreiben empfunden.

Das Buch: „Edgar verschwindet um halb Pink“, Roman von Björn Kern für Kinder ab acht Jahren, mit Bildern von Franziska Ludwig, Tulipan Verlag, 141 Seiten, 15 Euro.