Es ist ein denkwürdiger Moment: Kollegsdirektor Pater Hans-Martin Rieder, Schulleiter Michael Becker und weitere Wegbegleiter verabschieden Pater Peter Leutenstorfer. Der 93-jährige Jesuit verlässt das Kolleg und St. Blasien – er wird in die Seniorenkommunität des Ordens in Unterhaching ziehen. Die Verbindung zum Kolleg besteht seit vielen Jahrzehnten: 1946 betrat er erstmals die Internatsschule, damals noch als Schüler.

Seither hat sich viel im ehemaligen Kloster verändert: aus „P. Leu“, wie man ihn im Kolleg nennt, wurde ein Jesuit und Lehrer. Er begleitete Generationen von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern. Und manch einer seiner früheren Schützlinge wurde später zum Kollegen – wie Klaus-Peter Schönfeld.
Vielseitiger und beliebter Lehrer
Pater Peter Leutenstorfer sei auf „einzigartige Weise mit dem Kolleg verbunden“, sagte Schönfeld. Ein „vielseitiger, angesehener, beliebter, einsatzfreudiger Lehrer“ verlasse die Internatsschule. Aber mit der Aufzählung würde man dessen Persönlichkeit überhaupt nicht gerecht werden. Zwischen Leutenstorfer und dem Kolleg bestehe eine lebenslange Beziehung.
Als Kriegsheimkehrer habe der damals jugendliche Peter Leutenstorfer das Kolleg erstmals betreten. Damals mussten die Schüler auch noch außerhalb des Unterrichts anpacken und die Spuren aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges beseitigen. Nach dem Abitur, das die Kollegianer damals in Freiburg ablegten, verließ er St. Blasien. Er wurde Jesuit und Lehrer, um dann wieder zurückzukehren. Die Internatsschule entwickelte „sich zu ihrem Kolleg, ihrer zweiten Heimat“, sagte Schönfeld.
Korrigierte Texte bekamen einen Stempel
„Am bekanntesten sind Sie den meisten Menschen als Lehrer“, sagt der langjährige Kollege und frühere Schüler. Pater Peter Leutenstorfer lehrte Deutsch, Religion, Latein, Griechisch und Hebräisch. Sehr genau korrigierte er die Texte seiner Schüler und mit besonderen Stempeln kommentierte er manche Fehler. Ein roter Stempel, der einen Schweinskopf zeigte, zeigte an, dass der Verfasser eine Sauklaue hat. Grobe Grammatikfehler hatten einen schwarzen Totenkopf im Heft zur Folge.
Ein Leben für das Theater
Pater Leutenstorfer habe aber auch als Lehrer für Lehrer gewirkt: Er bereitete beispielsweise Mitbrüder auf Prüfungen vor oder bildete Lehrer für das Kosovo aus. Und Übersetzer, natürlich Priester, Bibliothekar, Archivar, Erzähler und Referent Lektor war Peter Leutenstorfer ebenfalls. Aber eine ganz besondere Bedeutung habe das Theater für den außergewöhnlichen Kollegianer: „Ohne Theater kann der Leu ja nicht leben“, zitierte Schönfeld aus dem Kollegsbrief 1992. „In bester jesuitischer Tradition haben Sie Theater gelebt – vorgelebt – initiiert“, sagte Schönfeld. Seit 1975 verantwortete der heute 93-Jährige das Pfingsttheater über Jahrzehnte.
Autor, Jesuit, Geschichtslehrer und Glaubensverkünder
Mit seinem eigenen Werk „Gebunden an Freiheit“, das vom Leben und Werk des heiligen Ignatius von Loyola handelt, habe Leutenstorfer als Autor, Jesuit, Geschichtslehrer, Glaubensverkünder und Regisseur in einer Person ein Bravourstück abgeliefert. „Es war toll, in Ihnen einen Kollegen zu haben“, fasste Klaus-Peter Schönfeld zusammen. „Die Schule war Dein Leben. Im Grunde bist Du der Großvater des Kollegs“, sagte Kollegsdirektor Pater Hans-Martin Rieder in einer kleinen Abschiedsrunde.
„Er liebte die Sprache“ – so könne man das Leben und Wirken von Pater Leutenstorfer zusammenfassen, sagte Schulleiter Michael Becker und fügte an: „Besonderen Niederschlag fand diese Liebe in seiner Theaterleidenschaft. Dabei scheute er auch nicht davor zurück, sperrige Stücke wie Kaspar Hauser von Peter Handke zu inszenieren“.
Weit über die Pensionierungsgrenze sei Leutenstorfer als Lehrer aktiv geblieben, immer wieder sprang er bei Bedarf ein und übernahm den Unterricht in Notfällen. Noch mit über 90 Jahren habe er eine Schülerin mit Erfolg auf das Latinum vorbereitet. Becker: „Mit Pater Leutenstorfer, ‚dem Leu‘, verlässt eine Institution St. Blasien“.
Erinnerungen an den Pater als Buch
Ehemalige Schüler und Kollegen haben ihre Erinnerungen an Pater Peter Leutenstorfer aufgeschrieben. Die vielen Briefe wurden zu einem besonderen Buch mit dem Titel „Was bleibt“ gebunden und ihm zum Abschied überreicht. Entstanden sei dadurch auch ein Zeitzeugnis für das Kolleg, sagte Kollegsdirektor Rieder.