Herr Schneider, wie haben die St. Blasier Einzelhändler das Corona-Jahr 2020 erlebt?
Nach der Aufhebung des ersten Lockdown ab Mai hatten Einzelhandel und Gastronomie ja erst mal noch davon profitiert, dass sehr viele Urlaubsgäste im Schwarzwald Ferien gemacht haben und hier auch eingekauft haben. Viele Geschäfte haben während dieser Zeit wieder aufholen können. Der zweite Lockdown ab Dezember dagegen hat eine konsumstarke Zeit getroffen. Bis zu 25 Prozent des Umsatzes werden in der Vorweihnachtszeit gemacht. Das lässt sich nicht mehr aufholen, das ist Umsatz, der jetzt weg ist.
Welche Betriebe können das verkraften?
Selbst starke Unternehmen geraten jetzt an die Grenze. In der Vorweihnachtszeit entscheidet sich: Verliere ich oder mache ich Gewinn? Ein Jahr kann man das verkraften. Der Verlust setzt sich über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg fort, auch im produzierenden Gewerbe.
Gibt es Unternehmer, die ein besonderes Geschäftsmodell entwickelt haben, mit dem sie auch im Lockdown ihre Waren verkaufen können?
Grundsätzlich kann man sehen: Die Krise hat viele Händler dazu bewegt, sich zu bewegen. So sind in den sozialen Medien jetzt viele St. Blasier Unternehmen präsent, die es vorher nicht waren. Die eigentliche Stärke des Fachhandels sind die Menschen. Wenn ich die Leute mitnehme und ihnen zeige: Das sind die Personen, die dahinterstehen, honoriert es der Kunde. Was uns hier am Ort ja ausmacht, ist das Persönliche.
Welche Geschäftsbereiche sind von der Corona-Krise besonders betroffen?
Gastronomie und Hotellerie, die diesen zweiten Lockdown ja schon länger aushalten müssen. Da denke ich, ist der Leidensdruck höher ist als im Einzelhandel. Bei den Einzelhändlern glaube ich, dass vor allem die großen, die mit vielen Mitarbeitern und großem Wareneinsatz arbeiten, betroffen sind, weil die einen höheren Kostendruck haben. Aber man sieht keinem in die Bücher, es ist schwierig einzuschätzen.
Gibt es in St. Blasien Ladengeschäfte, die wegen der Lockdown-Ausfälle schließen müssen?
Ich habe noch von keinem gehört.
Werden Einzelhändler ebenso wie Gastronomen und Hoteliers ebenfalls staatlich unterstützt?
Das ist geplant. Dazu müssen bestimmte Umsatzrückgänge nachgewiesen werden von entweder 50 Prozent innerhalb zwei zusammenhängender Monate oder von 30 Prozent im gesamten Zeitraum April bis Dezember 2020. Die Unterstützung wird aber nur für die Fixkosten des Betriebs gewährt, der Unternehmerlohn wird nicht ersetzt. Da alle St. Blasier Geschäfte unternehmergeführt sind, betrifft das alle.
Wie kommen die Angestellten mit der Situation zurecht?
Es gibt die Möglichkeit, Kurzarbeit anzumelden. Das ist vorteilhaft für beide Seiten. Die Mitarbeiter werden nicht arbeitslos und der Unternehmer behält sein bewährtes Personal.
Und wie kommen Ihre Auszubildenden über die Corona-Runden?
Den jungen Leuten geht ja kein Jahr verloren, es ist nur so, dass sie die gleichen Probleme haben wie die anderen Schüler, vor allem der fehlende Präsenzunterricht in der Berufsschule und die fehlende Berufspraxis in ihren Betrieben. Für uns als Betriebe ist die Nachwuchsförderung im Einzelhandel und in der Gastronomie existenziell. Auf der anderen Seite stellen die Betriebe aufgrund der vorherrschenden Unsicherheiten derzeit eher weniger Auszubildende ein. Mit Blick auf die Zukunft ist das für uns fatal. Wenn ein ganzer Ausbildungsjahrgang in Teilen wegfällt, wird es später entsprechend an Nachwuchs-Fachkräften fehlen.
Gibt es auch St. Blasier Einzelhandelsgeschäfte, die von der Corona-Krise profitiert haben?
Ich habe keine gefunden und kann es mir auch nicht vorstellen. Selbst die Geschäfte, die während des Lockdown öffnen dürfen, leiden unter rückläufigen Umsätzen. Insofern glaube ich nicht, dass jemand in St. Blasien von der Krise profitieren kann.
Was konnte der WAK für die Stabilisierung der St. Blasier Handel- und Gewerbetreibenden erreichen?
Zum Beispiel haben wir gemeinsam mit der Stadt eine erfolgreiche Gutschein-Kampagne initiiert, um den lokalen Handel zu unterstützen, und dabei mehr Einkaufsgutscheine verkauft als in vergangenen Jahren. Wir sind dabei aber nicht mit der Moralkeule auf die Leute zugegangen im Sinn von „Ihr solltet gerade jetzt an eurem Heimatort einkaufen“.
Glauben Sie, dass die Kunden nach dem Lockdown wieder zu ihren lokalen Anbietern zurückkehren werden?
Ich hoffe es. Natürlich ist der E-Commerce eine große Herausforderung. Wir setzen dagegen auf die Vorzüge unserer persönlichen Beratung und des realen Eindrucks der Waren. Das ist keine Generationenfrage. Unsere Stärke ist das Persönliche, und dafür geben Ältere wie Jüngere gerne ein paar Euro mehr aus. Dazu kommt: Im ersten Lockdown haben die Leute erlebt, wie tot eine Stadt sein kann, wenn alles zu ist. Die Wertschätzung für eine lebendige Innenstadt mit ihren Möglichkeiten zu Begegnung und Austausch ist meiner Meinung nach gewachsen.