Vom allseits respektierten und sogar verehrten Klostervorsteher und vom europaweit hoch angesehenen Wissenschaftler bis zum Gründer einer Brauerei spannt sich ein weiter, nicht schnell nachvollziehbarer Bogen. Was also hat den feinsinnigen, religionsstrengen und dem Alkohol abgeneigten Martin Gerbert bewogen, am Silvestertag 1790 – zweieinhalb Jahre vor seinem Tod – in der Mönchsversammlung den Beschluss zur Gründung einer Brauerei herbeizuführen?
In den Forschungsarbeiten taucht immer wieder der Hinweis auf, dass die allerletzte und restlos überzeugende Erklärung für diesen überraschenden und ungewöhnlichen Schritt (gerade mit Blick auf den Standort der Brauerei außerhalb des Klosterorts) eigentlich fehle. Aber immerhin sind drei fürstäbtliche Beweggründe einleuchtend und nicht von der Hand zu weisen. Der benediktinische Brauereigründer macht das bei seinen Mitbrüdern argwöhnisch betrachtete Projekt dadurch schmackhaft, dass er „den Schwarzwaldbewohnern ein gutes und billiges Getränk verschaffen und dem leidigen Schnapstrinken Abbruch tun“ wolle.
Die Mönche kann er zumindest zu der auch von der Ordensregel vorgesehenen Gefolgschaft überreden, schwere Bedenken im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit fahren dagegen die Finanz- und Verwaltungsbeamten des Klosters und auch der von der Abtei erworbenen Grafschaft Bonndorf auf. Der hehren Absicht des hohen Herrschers war allerdings kein Erfolg beschieden: Das Schnapsbrennen ist hohe Kunst geworden und geblieben.
Am bis heute verkehrsgünstigen Schnittpunkt hatte seit 1681 das „Rote Haus“ (der aus Schaffhausen stammenden, seit dem 14. Jahrhundert in Grafenhausen begüterten Patrizierfamilie von Roth gehörend) Schankrecht. Bereits 1766, nur zwei Jahre nach seiner Wahl zum Fürstabt, lässt Martin Gerbert dieses Anwesen für 3000 Gulden durch das St. Blasier Kloster erwerben und 1772 einen Wirtshaus-Neubau errichten. Waren seine Brauerei-Pläne demnach vielleicht sogar viel längerfristiger als der Silvester-Beschluss von 1790 nahelegen könnte?
Bier aus dem Ausland
Auf jeden Fall hat ihn und alle Klosterverantwortlichen gehörig geärgert, dass aus dem nahen fürstenbergischen (Donaueschingen) „Ausland“, dessen Grenzen unmittelbar an die blasianische Grafschaft Bonndorf heranreichten, Bier eingeführt wurde. Das machtpolitische Denken des benediktinischen Herrschers musste derlei Ungemach schnellstmöglich unterbinden. Die klare macht- und wirtschaftspolitische Abgrenzung zu den Fürstenbergs dürfte den vordergründigen und letzten Anstoß zur Installierung der Brauerei gegeben haben.
Ausreichendes und wertvolles Brauwasser und genügend Brennholz waren verfügbar, nicht jedoch die Braugerste, die aus Rottweil bezogen wurde, da um Bonndorf herum keine Gerste angebaut wurde. Aber diese geringe Belastung konnte das eindrucksvolle Projekt nicht verhindern, zumal es die ehrenwerte, in vielen Äußerungen bekräftigte Absicht des Fürstabts stützte, mit allen Mitteln Arbeitsplätze für die nicht auf Rosen gebettete Bevölkerung zu schaffen. Diesem dritten Antriebsgrund für die blasianische Brauerei in Grafenhausen-Rothaus sollte ernstes Augenmerk und hohe Anerkennung geschenkt werden.
Brauerei überlebt als einziges Unternehmen
Die Hartnäckigkeit und die Weitsicht der Gründung sollten sich übrigens bestätigen: Von allen gewerblichen Unternehmen des Klosters hat nur die Brauerei überlebt, die nach der Säkularisation seit 1806 zu den sorgsam gepflegten Wirtschaftsstandbeinen des Landes Baden-Württemberg zählt.