„Schiebi, schiebo...“ Das Scheibenschlagen ist eine alte Tradition, die in immer weniger Orten gepflegt wird. In Schwaningen allerdings lebt das glühende Brauchtum. Der Rentner Egon Maier hat bis vor drei Jahren die Scheiben gefertigt, die beim Fastnachtsfeuer Richtung Dorf geschlagen werden. Noch heute zehren die Narren von einem Scheibenvorrat. „Sie müssen abgekantet sein, damit sie in der Luft besser rotieren“, sagt der 80-jährige Schwaninger.

Das Schlagen sei eine Kunst für sich, die mehr Technik als Kraft erfordere. Bei manch einem können die Scheiben 80 bis 100 Meter weit fliegen, bei anderen kullern sie nur einen Katzensprung weit. Es ist Übungssache. Vor allem mache es Spaß. Der gelernte Zimmermann fertigt die Scheiben aus Buchen- oder Eschenholz. Vor etwa zehn Jahren führte Egon Maier die Tradition in Schwaningen wieder ein. Inspiration fand er in Dittishausen, wo der Brauch noch stärker verankert ist als in Stühlingen und Umgebung.
„Sie müssen außen schlank sein, so dass sie windschnittig sind, in der Luft glühen und einen schönen Kreis bilden“, beschreibt Maier die Feinheiten bei der Scheibenfertigung. Wichtig sei es, den Stock nur ein Stück weit durch das vorgebohrte Loch zu stecken. Die Scheibe darf weder zu locker noch zu fest sitzen. „Man braucht grüne Haselnussstecken, die noch feucht sind“. Sonst würden die Stecken nämlich schon vorm Schlagen Feuer fangen. Die Scheiben werden aus Brettern ausgeschnitten, die Ecken abgekantet und schließlich das Loch gebohrt. Zehn bis 15 Minuten braucht er pro Scheibe.
In ein paar Schritten ins Tal
„Die Scheibe wird dann ins Feuer gehalten, rotiert, in der Luft geschwungen und schließlich über eine Rampe („Scheibenbock“) abgeschossen“, so Maier. Meist schlagen die Narren 20 bis 30 Scheiben beim Feuer in Schwaningen. Dafür gibt es ein kleineres Feuer neben dem Großen.

Beim Schlagen sagt man Sprüche auf, die einen Bezug zum Dorfleben haben können. „So kann man den ein oder anderen auf den Arm nehmen“, sagt Maier. Das Sprücheklopfen war in der Vergangenheit seltener geworden, lebt seit ein paar Jahren aber wieder auf. Die Themen sind vielfältig und nicht immer schelmisch gefärbt: „Es kann sich um die Liebe drehen, sodass etwa jemand für eine Frau eine Scheibe schlägt“, sagt Sven Wiedemann vom Elferrat der Spatzenzunft.
Mit oder ohne Spruch
Narrenvater Edgar Stadler ist seit Jahren leidenschaftlicher Scheibenschläger. So auch beim diesjährigen Fastnachtsfeuer. „Schiebi, schiebo, die Schieebe soll im Sammler si denn di hänn Durscht und am Obed gits für si nit mol ä Wurscht“, schickt er die Scheibe auf die Reise durch die kühle Nachtluft. Für ihn ist der Brauch ein schöner Abschluss der närrischen Zeit und immer wieder ein Spektakel für sich. Auch die Dorfjugend ist präsent. Ohne Spruch, dafür in einer schönen Flugbahn schlägt Alexander Stritt die Scheibe den Hang hinunter. Der 14-jährige Realschüler hat Spaß am Schlagen. Ein Anhänger des VfB Stuttgart und einer des SC Freiburg messen sich, Letzterer hat das Nachsehen. Etwa 15 Scheiben fliegen in dieser Nacht.
Die Tradition stirbt mehr und mehr aus. In machen Orten ist das Scheibenschlagen schon lange kein Thema mehr. Der Brauch des Fastnachtsfeuers selbst ist aber noch immer weit verbreitet, obgleich steigende Sicherheitsauflagen ihren Tribut fordern und das große Feuer mancherorts gar abgesagt wird.
„Hier bei uns sind immer Feuerwehrleute anwesend“, sagt Sven Wiedemann. Früher entsorgte man bei der Gelegenheit des traditionellen Feuers auch Sperrmüll. Das ist mittlerweile verboten. Heute landen vor allem Baumholz, Paletten und Grünschnitt im Feuer. Das Feuermaterial wird im ganzen Dorf gesammelt und auf die Anhöhe Richtung Kalvarienberg gefahren. Dort lodern dann alljährlich die Flammen, um den Winter auszutreiben und das Fasten einzuläuten. Und die Tradition des Scheibenschlagens lebt in Schwaningen weiter.
Das Brauchtum
Beim Scheibenschlagen handelt es sich um einen alten mitteleuropäischen Brauch im Rahmen des Fastnachtsfeuers. Der Winter soll ausgetrieben werden. 1090 soll die Tradition erstmals urkundlich erwähnt worden sein. Noch heute werden Scheiben vor allem im Schwarzwald, im Breisgau oder Markgräflerland geschlagen. Die Holzscheiben sind meist aus Buchenholz gefertigt und werden auf grüne Haselnussstecken gesetzt.